Die Schweiz ist wirtschaftlich das widerstandsfähigste Land der Welt

Elena Hatebur
Elena Hatebur

Zürich,

Die Schweiz gilt als wirtschaftlich widerstandsfähigstes Land. Doch innenpolitische Spannungen wachsen kontinuierlich. Gerät das Erfolgsmodell ins Wanken?

Schweizer Flagge
Risikoarm: Die Schweiz scheint die globalen Krisen bestens zu überstehen. (Symbolbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz führt den Risiko- und Resilienzindex der Firma Henley & Partners an.
  • Untersucht wurde die Fähigkeit der Länder, sich an Schocks verschiedener Natur anzupassen.
  • Für Wirtschaftswissenschaftler Reiner Eichenberger ist das Resultat keine Überraschung.

Die Schweiz gilt wirtschaftlich als das weltweit widerstandsfähigste Land. Das zeigt der neu publizierte Risiko- und Resilienzindex von Henley & Partners mit Sitz in Zürich.

Der Index vergleicht Länder und bewertet ihre Fähigkeit, Schocks zu verkraften und langfristige Stabilität sicherzustellen. Gemeinsam mit der KI-Firma AlphaGeo wurden wirtschaftliche Risiken und die Resilienz einzelner Länder analysiert.

Die Schweiz rangiert mit dem weltweit niedrigsten Risiko-Score und hoher Anpassungsfähigkeit an der Spitze des Indexes. Sie wird als das widerstandsfähigste und risikoärmste Anlageumfeld der Welt präsentiert.

«Anpassung an Wandel ist Schlüssel zur Resilienz»

«Wir leben in einem komplexen System, nicht in einer Welt theoretischer Silos.» Das schreiben Henley-Chef Christian Kälin und AlphaGeo-Gründer Parag Khanna in ihrem Artikel «Die neue Geografie von Risiko und Resilienz».

Die Anpassung an den Wandel sei der Schlüssel zur Resilienz.

In einer Zeit, in der selbst Optimisten zweifeln, lässt das Resultat des Indexes verhaltene Hoffnung aufkeimen.

Sarah Nicklin, Verantwortliche für Unternehmenskommunikation bei Henley & Partners, sagt zu Nau.ch: «Im Global Investment Risk and Resilience Index wird Resilienz als die Fähigkeit eines Landes definiert, disruptive Schocks zu absorbieren.»

Unabhängig davon, ob diese wirtschaftlicher, politischer, ökologischer oder sozialer Natur seien.

Es gehe um die Fähigkeit der Länder, sich an diese Schocks anzupassen und sich davon zu erholen. Gleichzeitig sollen Stabilität und langfristiges Wachstumspotenzial erhalten bleiben.

Über Verwundbarkeiten und wirtschaftliche Schocks

«Der Index ist als strategisches Orientierungsinstrument für globale Anleger konzipiert», erklärt Nicklin. Es werde erwartet, dass der Index vor allem bei institutionellen Anlegern und vermögenden Privatanlegern Anklang findet.

Nicklin nennt unter anderem Staats- und Pensionsfonds, globale Immobilieninvestoren sowie Privatbanken und Beratungsunternehmen.

Schweizer Resultat ist wenig überraschend

Für den Ökonomen Reiner Eichenberger ist das Resultat wenig überraschend. Es sei auch der Verunsicherung durch Überschuldung und Politikchaos in früheren Stabilitätsankern geschuldet. Zu diesen Ankern gehören unter anderem Deutschland oder die USA, erklärt er gegenüber Nau.ch.

«Die relativ hohe Sicherheit der Schweiz folgt daraus, dass ihre Politik weniger schlecht ist als in anderen Ländern», so der Freiburger Professor.

Begründet werde dies mit direkten demokratischen Institutionen, kleinräumigem Föderalismus und klügeren Wahlsystemen.

Experte kritisiert Zuwanderungsdruck

Eichenberger betont: «Die Gefahren kommen weniger von aussen als von innen.» Stichwort Zollstreit mit den USA: «Wenn wir unsere eigenen Probleme effektiv lösen, können wir Angriffe wie etwa durch Trump problemlos parieren.»

Bereiten dir die aktuellen geopolitischen Krisen Sorgen?

Er warnt: «Wir sind aber daran, unser Erfolgssystem zu demontieren.» Die Personenfreizügigkeit erzeuge hohen Zuwanderungsdruck. Für Normalbürger lohne es sich deshalb nicht mehr, für eine Politik hoher Standortattraktivität einzustehen.

Eichenberger hebt das Schweizer Erfolgsmodell des Milizsystems in Politik und Militär hervor. «Mittlerweile sind aber über 40 Prozent der Einwohner im Alter von 30 bis 40 Ausländer. Sie sind also nicht in das Milizsystem integriert.»

«Ohne glaubwürdigen Fürsprecher resultiert illiberale Politik»

Der EU-Gegner kritisiert: «Die früheren Fürsprecher einer freiheitlichen Politik diskreditieren sich selbst. Dies, indem sie die Probleme mit der Personenfreizügigkeit ignorieren und die Vorteile frivol übertreiben.»

Reiner Eichenberger
Reiner Eichenberger ist Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Freiburg. - unifr.ch

«Wenn die Wirtschaft keine glaubwürdigen Fürsprecher mehr hat, resultiert illiberale Politik.» Und: «Mit dem fortwährenden Ausbau des Finanzausgleichs zerstören wir den politischen Innovationsmotor der Schweiz.»

Das betreffe den Ausbau zwischen den Kantonen und innerhalb der Kantone. Dadurch schwinden «finanzielle Eigenverantwortung und Wettbewerb zwischen Kantonen und Gemeinden».

Deshalb steht die Schweiz vor Skandinavien

Apropos Wettbewerb. Ein Blick auf die Liste zeigt: Nordische Länder, allen voran Norwegen und Dänemark, sind der Schweiz dicht auf den Fersen.

«Skandinavien und die Schweiz haben viel mehr gemeinsam, als es auf den ersten Blick erscheint», schlussfolgert Eichenberger. Sie hätten im internationalen Vergleich «viel Gemeindeautonomie».

«Sie haben politische Systeme und Institutionen, beispielsweise Vernehmlassungsverfahren ähnlich der Schweiz, die den gesamtgesellschaftlichen Diskurs erzwingen.» Nicht so «wie in Deutschland und den meisten anderen Ländern», sagt er.

Eichenberger lobt das duale Bildungssystem. Dänemark kenne zwar das Konzept der Berufslehren, habe aber stärker auf Akademisierung gesetzt.

Das räche sich nun: «Das duale Bildungssystem ist ein grandioser gesellschaftlicher Integrationsmotor», sagt er. Dadurch seien «Randgruppen» in der Schweiz weit besser integriert als in den skandinavischen Staaten.

Von Dänemark lernen

Trotzdem: «Lernen können wir vor allem von Dänemark.»

Der Schweizer Vorsprung sei in dem Sinne verdient, dass er eine Folge eines überlegenen politischen Systems ist, resümiert der Ökonom. Aber: «Wir profitieren nicht davon, dass die anderen teils völlig versagen.»

Mehr zum Thema:

Kommentare

User #1317 (nicht angemeldet)

Die Wirtschaft ja die Bevölkerung nein.

User #4555 (nicht angemeldet)

Die Globalisierung und neoliberale Kapitalismus hat der Welt nur Leid und Gier gebracht. 30 Jahre früher versuchte SVP uns zu sagen dass es nur Vorteile hat und nun sehen wir wo es geendet ist. Wird Zeit dass der Mensch wieder im Fokus steht und nicht nur die Superreichen und Mächtigen. Und WER verantwortet und inszeniert dad Ganze? Mal bitte Augen aufmachen und sehen was hier in Europa abgeht. Die Globalisierung und Kriegstreiberei, die Spalterei und Hetze zerstört auch hier alles. Nur will Keiner hinschauen und hinter die Kulissen gucken!

Weiterlesen

Industriefirmen
3 Interaktionen
48,2 Punkte
EU-US-Deal
1 Interaktionen
Deal

MEHR AUS STADT ZüRICH

SRF Tagesschau
10 Interaktionen
Ton-Panne bei SRF
fc zürich
100 Interaktionen
FCZ-Fans haben genug