Experte: EU muss gegenüber Ukraine nun «liefern»
Beim EU-Gipfel wurde entschlossen, Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine zu führen. Russland würde damit nicht direkt provoziert, aber die Fronten verhärtet.

Das Wichtigste in Kürze
- Die EU hat beschlossen: Die Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine können stattfinden.
- Letzterer ist damit die Unterstützung gegen die russischen Aggressionen sicher.
- Die EU hingegen verpflichte sich laut einem Experten zu «grossen Anstrengungen».
Seit dem letzten EU-Gipfel stehen den Beitrittsgesprächen mit der Ukraine und der Republik Moldau nichts mehr im Weg. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban, der sich vermehrt gegen Verhandlungen mit der Ukraine aussprach, hat sich der Stimme enthalten.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj blickt mit Vorfreude auf die anstehenden Gespräche. Die Entscheidung zu diesen bezeichnete er nämlich als einen «Sieg für die Ukraine. Ein Sieg für ganz Europa.» Offen bleibt dennoch die Frage, inwiefern die Ukraine von einem Beitritt profitiert.
Als direkte Provokation gegenüber Russland sei der Entscheid nicht zu verstehen, findet Ulrich Schmid von der Universität St.Gallen. Auf Anfrage erklärt er: «Putin hatte ja bereits im Juni 2022 bestätigt, dass Russland nichts gegen einen EU-Beitritt der Ukraine habe. Russland ist nur strikt gegen einen NATO-Beitritt der Ukraine.»
2024 würde zeigen, wer «längeren Atem» hat
«Putin wird dies sicher nicht freuen», erklärt der Osteuropaexperte Nicolas Hayoz von der Universität Freiburg gegenüber Nau.ch. Denn der Entscheid würde «die definitive Westorientierung der Ukraine bestätigen».
Unmittelbaren Einfluss auf den Ukraine-Krieg hätten die Beitrittsverhandlungen zwar nicht, aber: «Die EU muss nun ‹liefern›. Dieser Entscheid beinhaltet ein klares Bekenntnis der EU, die Ukraine weiterhin und noch stärker zu unterstützen.» Die Ukraine erhält damit die Gewissheit, auch künftig auf die EU-Staaten zählen zu können.
Spannend sei deswegen die Entwicklung im kommenden Jahr zu sehen. Dort würde sich zeigen: «Wer den ‹längeren Atem› hat, die EU mit den USA oder Russland», erklärt der Osteuropaexperte. Die EU werde die Zusage auf jeden Fall «grosse Anstrengungen» kosten.
Umgang mit Ungarn weiterhin schwierig
Zum aktuellen Zeitpunkt verhindert Viktor Orban (noch) erfolgreich weitere EU-Finanzhilfen an die Ukraine. Hayoz ist dennoch überzeugt: «Diese werden kommen – bestimmt.» Die Finanzhilfe könnte nämlich auch ausserhalb des EU-Budgets organisiert werden.
Was den Umgang mit Ungarn angeht, erachtet er es als durchaus möglich, dass sich die EU weiterhin «erpressen» lassen werde. Es würden zunächst sicherlich weiterhin Kompromisse gesucht, der Geduldsfaden der Mitgliedstaaten könne aber reissen. «Die EU hat schon Möglichkeiten, um Ungarn zu ‹disziplinieren›.»