Emmanuel Macron

Emmanuel Macron: Renten-Kehrtwende hat ihn gerade noch gerettet

Vivian Balsiger
Vivian Balsiger

Frankreich,

«Rettungsaktion in höchster Not»: Der neue Premier von Emmanuel Macron hat die umstrittene Rentenreform gestoppt – weil er «keine andere Wahl» hatte.

Emmanuel Macron
Frankreichs Premier Sébastien Lecornu (rechts) stoppt die umstrittene Rentenreform – und rettet so Emmanuel Macron vor dem politischen Aus. (Archivbild) - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Frankreichs Premier Sébastien Lecornu setzt die umstrittene Rentenreform aus.
  • Laut einem Experten hatte er keine andere Wahl.
  • Ohne den Entscheid wäre es ihm zufolge zum Sturz der Regierung gekommen.

Inmitten der anhaltenden politischen Krise setzt Frankreichs Regierungschef Sébastien Lecornu ein deutliches Zeichen: Er stoppt die umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron vorerst.

Wie Lecornu in seiner Regierungserklärung mitteilte, werde die Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre bis Januar 2028 ausgesetzt.

Der Premier sagte vor der Nationalversammlung in Paris: «Diese Aussetzung soll das notwendige Vertrauen schaffen, um neue Lösungen zu entwickeln.»

Mit dem Schritt geht Lecornu auf die Opposition zu. Und verbessert damit seine Chancen, ein drohendes Misstrauensvotum am Donnerstag im Parlament zu überstehen.

«Rettungsaktion in höchster Not»

Politologe Gilbert Casasus ist emeritierter, also teilweise in Ruhestand getretener, Professor für Europastudien an der Universität Fribourg. Für ihn ist klar: «Der Rückzug der Rentenreform ist als eine Rettungsaktion in höchster Not zu bezeichnen.»

Denn ohne diesen Schritt, so Casasus, hätte Frankreich am Rand eines politischen Zusammenbruchs gestanden.

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«Es wäre zum Sturz der neuen Regierung gekommen sowie zur Auflösung des Parlaments und zur Durchführung neuer Parlamentswahlen.» Ein gefundenes Fressen für die rechtsextreme Partei Rassemblement National von Marine Le Pen.

Sein Fazit: «Glücklicherweise haben die französischen Parlamentarier nicht mit dem Feuer gespielt!»

Lecornu hatte kaum Spielraum, erklärt Casasus: «Der neue Premier Ministre hatte keine andere Wahl, um sich, den Präsidenten und den Macronismus kurz- oder mittelfristig zu retten.»

Der Preis ist der Rückzug eines der zentralen Reformprojekte: «Ohne diesen – unumgänglichen – taktischen Schachzug wären Macron und Lecornu gleichzeitig gescheitert.»

Frankreich fast unregierbar geworden

Die Krise begann mit der gescheiterten Parlamentsauflösung im Frühsommer 2024. Seither fehlt jede Mehrheit, sodass Frankreich fast unregierbar geworden sei: «Die strukturellen Ursachen liegen weitestgehend viel weiter zurück.»

Der neue Premier habe Sisyphus-Aufgaben zu erledigen. Nämlich eine Mehrheit zu finden, um im Amt zu bleiben: «Dafür war er gezwungen, einen hohen politischen Preis zu zahlen.»

Und seine Rechnung sei aufgegangen: «Weil er auf die ohnehin sehr unpopuläre Rentenreform verzichtet hat.»

Emmanuel Macron ist aussenpolitisch erfolgreich, «innenpolitisch nicht!»

Emmanuel Macron ist laut Casasus aussenpolitisch erfolgreich. Aber «innenpolitisch nicht!»

Er habe zurückrudern müssen, um selbst im Amt zu bleiben: «Diese Rückzugsaktion spiegelt den Zustand seiner innenpolitischen Handlungsspielräume wider.»

Die zwei Misstrauensanträge am Donnerstag dürften laut Casasus «zu 75 Prozent» scheitern – doch weitere könnten folgen: «Dennoch ist mit weiteren Misstrauensvoten in den kommenden Wochen und Monaten zu rechnen.»

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Der Politologe Gilbert Casasus sagt, dass Frankreich fast unregierbar geworden sei. - Uni Fribourg

Stefan Seidendorf, Politikwissenschaftler und Stellvertretender Direktor des deutsch-französischen Instituts, ist sich bezüglich Macron sicher: «Er nützt alle Spielräume, die die Verfassung dem französischen Präsidenten bietet, maximal aus.»

Dabei gehe Legalität oft vor Legitimität. Die Konsequenz: «Die Unterstützung für Macron in der Bevölkerung ist damit jedenfalls nicht gewachsen.»

Taktisch jedoch bleibt Macron ein Profi, so der Experte: «Er zeigt sich als ausgezeichneter Taktiker, der noch die kleinsten Spielräume für sich zu nutzen weiss.»

Findest du die Aussetzung der Rentenreform in Frankreich gut?

Emmanuel Macron hätte durchblicken lassen, dass die Konsequenz eines erfolgreichen Misstrauensvotums die erneute Auflösung der Nationalversammlung wäre.

Seidendorf sagt zu Nau.ch: «Dann gäbe es Neuwahlen und vermutlich erst im neuen Jahr ein neues Parlament und eine neue Regierung

Lecornu bleibt vorerst geschäftsführend im Amt.

Doch die Zeit läuft: «Wenn man sich bis 31. Dezember nicht auf ein Haushaltsgesetz einigen kann, müsste ein Sondergesetz verabschiedet werden.» Das ermögliche es dem Staat, Steuern auch weiterhin im gleichen Masse einzunehmen.

Kommentare

User #3437 (nicht angemeldet)

Weil Marine Le Pen wegen Veruntreuung verurteilt ist, darf Frankreichs Rechtspopulistin fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten. Le Pen legt gegen das Urteil Berufung ein und erleidet eine Schlappe. Angesichts der Regierungskrise dürfte ihr die Entscheidung nicht gelegen kommen.

User #5206 (nicht angemeldet)

Renten-Kehrtwende vs. Renten-Änderungs-Hinauszögerung.

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