Frankreich würde sich theoretisch für die Quarantäneliste zum Coronavirus qualifizieren. Trotzdem sieht der Bundesrat von diesem Schritt ab. Das hat Gründe.
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Passanten vor dem Arc de Triomphe in Paris: Obwohl Frankreich hohe Neuinfektions-Quoten meldet, wird das Land nicht auf die Quarantäneliste gesetzt. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die 14-Tage-Inzidenz in Frankreich liegt deutlich über dem Grenzwert für die Quarantäne.
  • Dennoch setzen Bundesrat und BAG das Nachbarland nicht auf die Quarantäneliste.
  • Man wolle den lokalen Grenzverkehr nicht einschränken, erklärt Bundesrat Berset.

Seit Wochen ist es eine der wichtigsten Zahlen der Schweiz: Die 14-Tage-Inzidenz. Sie gibt an, wie viele Infektionen mit dem Coronavirus es in einer Region pro 100'000 Einwohner gibt. Das BAG nutzt diese Zahl für die Einschätzung der epidemiologischen Lage im Ausland: Liegt sie über 60, gilt ein Land als Risikogebiet.

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Am 14. Juni wurde die Grenze zu Frankreich wieder geöffnet, nachdem sie während der Ausserordentlichen Lage geschlossen worden war. Bild aus Thonex bei Genf. - Keystone

Damit entscheiden die Behörden, ob ein Land auf der Quarantäneliste landet oder nicht. Steht ein Land auf der Liste, hat das schwere Konsequenzen für Reise-Rückkehrer: Sie müssen sich nach der Ankunft in der Schweiz für zehn Tage in Quarantäne begeben.

Frankreich hat bereits seit längerem eine 14-Tage-Inzidenz von über 60: Aktuell liegt sie bei 96,6. Dennoch kommt unser Nachbarland nicht auf die Liste – Bundesrat Alain Berset erklärt, wieso.

Berset: «Es gibt keinen Automatismus»

Frankreich war gleich das erste Thema der gestrigen Medienkonferenz des Bundesrats. Man beobachte die Entwicklung in den Nachbarländern mit grosser Aufmerksamkeit. «Ich möchte daran erinnern, dass es dabei keinen Automatismus gibt», betont Berset: Ein Land landet auch nach Überschreiten der Grenze von 60 nicht zwangsläufig auf der Liste.

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Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset an einer Medienkonferenz über das Coronavirus. - Keystone

«Tatsächlich diskutieren wir zum ersten Mal über ein Land, mit dem wir eine Landgrenze haben», erklärt Berset die besondere Situation. Der Austausch zwischen den Ländern ist damit ein ganz anderer als mit Ferienländern wie Spanien oder den Balkanstaaten. In Städten wie Basel und Genf herrschte reger Pendelverkehr über die Grenze.

Die schweren wirtschaftlichen wie auch sozialen Konsequenzen der Quarantänepflicht in der Grenzregion dürfte die Entscheidung wesentlich beeinflusst haben: Die Quarantäne würde faktisch einer Grenzschliessung nahe kommen. Man diskutiere verschiedene Szenarien mit den Kantonen, so Berset.

Laut «Tagesanzeiger» strebt Berset für nächste Woche eine Sonderregelung für Nachbarländer an.

So sieht die epidemiologische Lage zum Coronavirus an der Grenze aus

Tatsächlich liegen die grossen Corona-Hotspots Frankreichs nicht an der Schweizer Grenze: Sämtliche Départements, die an die Schweiz grenzen, verzeichnen in Frankreich unterdurchschnittliche 14-Tage-Inzidenzen. Genf und das Waadtland haben auf der anderen Seite die höchsten 14-Tage-Inzidenzen der Schweiz.

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Die 14-Tage-Inzidenzen in den Schweizer Grenzkantonen (rot) und in den französischen Départements an der Grenze (Stand: 30.8.). - BAG/Santé Publique France/Nau.ch

Die Situation an der Grenze rechtfertigt eine Quarantäne für Pendler nicht: Grenzgänger setzen sich in Frankreich keinem grösseren Risiko aus als in der Romandie. Die französischen Hotspots des Coronavirus liegen an der Mittelmeerküste und in der Region Paris.

Risikogebiete statt Risikoländer?

Die Quarantäneliste wurde hauptsächlich eingeführt, um Importe des Coronavirus durch Touristen zu verhindern. Diese Massnahme steht im Fall Frankreich in Konflikt mit dem Problem der Grenzgänger.

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Die französischen Grenzregionen haben kein besonders grosses Problem mit dem Coronavirus – anders sieht es in Paris und Marseille aus. - Keystone

Paris verzeichnete zuletzt eine 14-Tage-Inzident von 245,2, in der Region von Marseille sogar 327,3. Das BAG setzt weiterhin jedoch auf eine Länderliste: Möchte man Corona-Importe aus den Hotspots verhindern, müsste man auch den lokalen Grenzverkehr einschränken.

Die Lösung des Problems wäre eine Quarantäneliste, welche sich nach Regionen statt nach Ländern richtet. Dies wäre jedoch im Vergleich zur aktuellen Regelung ein deutlicher Mehraufwand. Davor schreckt das Bundesamt bisher zurück. Sollte sich die epidemiologische Situation im Nachbarland jedoch noch weiter verschärfen, könnte auch die Risikogebiets-Liste wieder ins Gespräch kommen.

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