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Druck auf libanesische Regierung wächst

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Deutschland,

Korruption und Misswirtschaft durch die Machtelite plagen den Libanon seit Jahren. Nach der gewaltigen Explosion in Beirut drängt Frankreichs Staatschef Macron zu raschen Reformen.

Die libanesische Flagge vor der Fassade eines zerstörten Bürogebäudes in Beirut. Foto: Marwan Naamani/dpa
Die libanesische Flagge vor der Fassade eines zerstörten Bürogebäudes in Beirut. Foto: Marwan Naamani/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Nach der gewaltigen Detonation in Beirut mit mehr als 130 Toten und Tausenden Verletzten wächst der Reformdruck auf die libanesische Regierung.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron forderte bei einem Besuch am Donnerstag mit deutlichen Worten Massnahmen gegen die ausufernde Korruption im Land. Er sprach von einer «historischen Verantwortung» der Führung des Landes. Die Suche nach Ursachen der Katastrophe ging unterdessen weiter. Bei der Explosion wurde auch eine deutsche Diplomatin getötet.

Macron forderte «starke politische Initiativen», um gegen die Korruption und die Undurchsichtigkeit des Bankensystems zu kämpfen, wie der 42-Jährige laut Aufnahmen des französischen Senders BFMTV sagte. Die «politische, moralische, wirtschaftliche und finanzielle Krise» müsse mit «extrem schnellen Reaktionen» bewältigt werden. Der Libanon war früher Teil des französischen Mandatsgebiets im Nahen Osten, die beiden Länder sind immer noch eng verbunden. In Frankreich leben heute zahlreiche Libanesen.

In Beirut hatte eine heftige Detonation am Dienstag grosse Teile des Hafens zerstört und ganze Strassen im Zentrum in Scherben und Trümmer gelegt. Spekuliert wird, dass grosse Mengen an Ammoniumnitrat, die jahrelang im Hafen ohne Sicherheitsvorkehrungen gelagert wurden, explodierten. Der Verdacht richtet sich dabei auf das unter moldauischer Flagge fahrende Frachtschiff «Rhosus», das 2013 grosse Mengen der gefährlichen Substanz in den Hafen gebracht haben soll.

Auch eine deutsche Diplomatin wurde getötet, wie Bundesaussenminister Heiko Maas mitteilte. «Unsere schlimmste Befürchtung hat sich bestätigt. Eine Angehörige unserer Botschaft in Beirut ist durch die Folgen der Explosion in ihrer Wohnung ums Leben gekommen», erklärte er. «Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Auswärtigen Amts sind in tiefer Trauer um die Kollegin.»

Bei einer Tour durch eine zerstörte Gegend im Zentrum von Beirut wurde Frankreichs Staatschef von wütenden Anwohnern empfangen. «Warum sind Sie gekommen?», riefen einige von Balkons herunter. «Ihr seid alles Mörder», schrie eine Frau unter Tränen. «Wo waren Sie gestern? Wo waren Sie am Vortag? Wo waren Sie, als diese Bomben im Hafen gelagert wurden?» Andere beschimpften den libanesischen Präsidenten Michel Aoun als «Terrorist». Wütenden Libanesen versprach Macron auf der Strasse, am 1. September wiederzukommen.

Die Hilfe Deutschlands sowie anderer Länder und internationaler Organisationen lief weiter an. Die Weltgesundheitsorganisation brachte 20 Tonnen Hilfsgüter ins Land, um Hunderte Menschen mit Brand- und anderen Verletzungen zu versorgen. Die EU sagte Nothilfe in Höhe von mehr als 33 Millionen Euro zu, um etwa medizinische Ausrüstung zu finanzieren. Aus der Türkei, Griechenland, Zypern und Katar traf ebenfalls Hilfe ein. Auch Israel, das mit dem Libanon keine diplomatischen Beziehungen pflegt, will bei der Versorgung von Opfern helfen. Viele Krankenhäuser sind überlastet. Coronavirus-Tests und -behandlungen wurden in mehreren grossen Krankenhäusern eingestellt.

Die Bundeswehr begann einen grösser angelegten Hilfseinsatz. Die Luftwaffe sollte ein medizinisches Erkundungsteam der Streitkräfte nach Beirut fliegen, auch die Korvette «Ludwigshafen am Rhein» nahm von Zypern aus Kurs auf die Küstenstadt. Nach dpa-Informationen wurde auch der Luftwaffen-Airbus A310 «MedEvac» für den Transport Schwerverletzter bereitgestellt. Geprüft wird zudem, ob ein schnell verlegbares Luftrettungszentrum des Bundeswehr-Sanitätsdienstes im Libanon aufgebaut werden kann. Ein 50 Mitarbeiter starkes Team traf ebenfalls ein, um mit der Bergung und Rettung zu beginnen.

Rettungshelfer suchten unterdessen weiter nach Überlebenden. Im Einsatz waren Armeesoldaten, Mitarbeiter des Roten Kreuzes und Freiwillige. Noch immer werden dem Roten Kreuz zufolge rund 100 Menschen vermisst. «Ich warte hier, ich bewege mich nicht weg», rief eine Frau in Nähe des abgesperrten Hafens. «Mein Bruder arbeitete im Hafen und ich habe von ihm nichts gehört, seitdem es die Explosion gab.»

Die Rufe nach einer internationalen Untersuchung der Katastrophe werden unterdessen lauter. Der führende drusische Politiker Walid Dschumblatt schloss sich entsprechenden Forderungen des früheren Regierungschefs Saad Hariri an. «Wir verlangen einen internationalen Ermittlungsausschuss, weil wir überhaupt kein Vertrauen in die herrschende Clique haben», erklärte Dschumblatt nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur NNA.

Am Vortag hatten bereits Hariri und drei andere frühere libanesische Ministerpräsidenten gefordert, die UN oder die Arabische Liga müssten einen Ermittlungsausschuss aus unabhängigen Experten bilden. Auch Menschenrechtsorganisationen hatten eine unabhängige Untersuchung internationaler Ermittler gefordert. Libanons Innenminister Mohammed Fahmi hatte am Mittwoch dagegen erklärt, dass internationale Experten vermutlich nicht notwendig seien. Die libanesischen Fachleute hätten die nötige Kompetenz für Ermittlungen.

Der frühere Besitzer des Frachtschiffs «Rhosus» wies jegliche Verantwortung zurück. Libanesische Behörden hätten der Besatzung 2013 die Weiterfahrt untersagt, die Ladung als gefährlich eingestuft und beschlagnahmt, sagte der russische Geschäftsmann Igor Gretschuschkin der Zeitung «Iswestija». Nach seiner Darstellung begründete der Libanon damals seine Entscheidung mit fehlenden Dokumenten. Zudem hätten die Behörden Bedenken beim Transport des Stoffes gehabt, sagte er. Er sei nach einer Strafzahlung bankrottgegangen und wisse nicht, wer anschliessend für die «Rhosus» verantwortlich gewesen sei.

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