Brexit-Unterhändler stecken fest - und haben kaum noch Zeit

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Belgien,

Nach einer turbulenten Woche in London verhandelt die britische Regierung wieder in Brüssel über eine Brexit-Lösung. Aber kommt man rechtzeitig raus aus der Dauerschleife?

Auf seine Vorschläge wartet die EU: Boris Johnson, Premierminister von Grossbritannien, in 10 Downing Street. Foto: David Mirzoeff/PA Wire
Auf seine Vorschläge wartet die EU: Boris Johnson, Premierminister von Grossbritannien, in 10 Downing Street. Foto: David Mirzoeff/PA Wire - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Trotz grossen Zeitdrucks kommen die Brexit-Verhandlungen nicht vom Fleck.

Ein Treffen von EU-Unterhändler Michel Barnier mit Brexit-Minister Stephen Barclay am Freitag brachte wieder keinen erkennbaren Fortschritt.

Dabei wächst in London der Druck auf Premier Boris Johnson. Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte seinen Sturz. Johnsons Schwester kritisierte seine Kriegsrhetorik und verbalen Rundumschläge.

Brüssel und London suchen seit Wochen eine Einigung über den Austrittsvertrag, um den für 31. Oktober geplanten Brexit geordnet über die Bühne zu bringen. Johnson droht aber auch mit einem Ausscheiden ohne Vertrag, obwohl ein neues Gesetz ihm das eigentlich untersagt. Wie er das Gesetz umgehen will, ist unklar. Der Premier steht in offener Konfrontation mit dem Parlament, das er diese Woche als «Zombie» beschimpfte und zu einem Misstrauensvotum herausforderte.

Darauf ging Sturgeon am Freitag ein. Sie befürworte ein Misstrauensvotum, schrieb die schottische Regierungschefin auf Twitter. Die Opposition solle sich auf einen Interimsregierungschef einigen, dessen einzige Aufgabe sein solle, den EU-Austritt zu verschieben. Dann solle es unverzüglich eine Neuwahl geben.

Wie viel Sturgeon bewirken kann, ist offen. Die Opposition hat zwar inzwischen eine Mehrheit im Unterhaus, ist aber zerstritten. Käme binnen 14 Tagen keine Interimsregierung zustande, würde das Parlament aufgelöst und Johnson könnte einen Wahltermin, zum Beispiel den 1. November, ansetzen. Die Abgeordneten könnten dann nicht mehr eingreifen.

Da Johnson keine Mehrheit mehr hat, aber auch nicht zurücktreten will und eine Verschiebung des Brexits ausschliesst, bleibt ihm eigentlich nur eine Option: eine Einigung mit der EU, damit Grossbritannien Ende Oktober mit Vertrag ausscheiden kann. Die Chancen stehen allerdings aus Sicht der EU schlecht.

Die 27 bleibenden EU-Staaten halten bisherige Ideen aus London nach Darstellung von Diplomaten für unzureichend und verlangen rasch konkrete und rechtlich umsetzbare Vorschläge - spätestens Mitte oder Ende nächster Woche. Eine Sprecherin der EU-Kommission sagte, jeder Tag zähle. Johnson setzt hingegen auf eine Einigung in letzter Minute beim EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober.

Nach Barniers Treffen mit Barclay vermochte keine der beiden Seiten, greifbare Ergebnisse zu vermelden. Die EU-Kommission wiederholte, man bleibe offen für machbare und rechtlich umsetzbare Vorschläge für die Streitfrage um eine offene Grenze zwischen Irland und Nordirland. Mit anderen Worten: Es gibt solche Vorschläge immer noch nicht.

Barclay sagte: «Es braucht politischen Willen auf beiden Seiten, und wir nähern uns der Stunde der Wahrheit.» Grossbritannien wolle einen Deal, und mit gutem Willen auf beiden Seiten sei das möglich. Die bisherige Grenzklausel, der sogenannte Backstop, müsse aber weg.

In Grossbritannien ist die Stimmung wegen einer Rede Johnsons im Parlament diese Woche enorm aufgeheizt. Seine Schwester Rachel Johnson nannte die Wortwahl ihres Bruders im Sender Sky News «in höchstem Masse verwerflich». Ihr Bruder benutze Worte wie «Kollaborateur», «Verräter» und «Kapitulation» in Verbindung mit Gegnern eines ungeregelten EU-Austritts, als ob diese für ihre Meinung «gehängt, ausgeweidet und gevierteilt» werden sollten.

Die kürzlich von ihrem Posten als Arbeitsministerin zurückgetretene Amber Rudd warf der Regierung in einem Interview mit dem «Evening Standard» vor, mit ihrer Sprache «Gewalt anzustacheln».

Johnson zeigte sich von der Kritik an seiner Wortwahl jedoch weiter unbeeindruckt. Würde man Wörter wie «Kapitulation» aus dem politischen Diskurs verbannen, drohe die Sprache zu verarmen, sagte Johnson. Drohungen gegen Parlamentarier, vor allem gegen weibliche, seien aber «absolut widerwärtig».

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