Insgesamt ist die politische Konstellation in Bosnien und Herzegowina unübersichtlich. Durch Machtkämpfe ethnopolitischer Parteien ist das Land gespalten.
Milorad Dodik (mitte), Präsident der Republika Srpska, wirft seine Stimmzettel in die Wahlurne.
Milorad Dodik (mitte), Präsident der Republika Srpska, wirft seine Stimmzettel in die Wahlurne. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Das politische System Bosnien-Herzegowinas wird häufig als kompliziert beschrieben.
  • Seit 2000 wird das Land als «potenzieller Beitrittskandidat» der EU betrachtet.
  • Das Parlament Srpska hat Ende 2021 die Abspaltung von der Zentralregierung beschlossen.

Das politische System des Landes wird häufig als «kompliziertestes Regierungssystem der Welt» bezeichnet. Der Gesamtstaat, die Entitäten und die zehn Kantone haben jeweils eigene legislative und exekutive Strukturen.

Bosnien und Herzegowina
Bosnien-Herzegowina ist seit vielen Jahren nahezu unregierbar, weil sich seine drei Völker (muslimische Bosniaken, orthodoxe Serben, katholische Kroaten) nach Kräften streiten und blockieren. Alle vom Ausland angestossenen Reformversuche sind daran bisher gescheitert. - dpa

Faktisch übt einen Teil der Staatsgewalt der Hohe Repräsentant als Vertreter der internationalen Gemeinschaft aus. Dies wird mit dem infolge des im Krieg entstandenen gegenseitigen Misstrauens unter den Volksgruppen begründet.

Angesichts eines dysfunktionalen politischen Systems, schlechter wirtschaftlicher Aussichten und hoher Arbeitslosigkeit emigrieren vor allem junge Menschen.

Parteien

Die Parteienlandschaft von Bosnien und Herzegowina ist durch die innere Spaltung des multiethnischen Landes zersplittert. Während die Regierungsparteien relativ überschaubar sind, befinden sich viele unterschiedliche Parteien in der Opposition.

Zu den stärksten bosniakischen Parteien zählen die SDA und SBIH. Auf serbischer Seite dominiert die Partei SNSD und bei den Kroaten die HDZ 1990 und HDZ BIH.

Die Wahlen 2006 und Beitrittsverhandlungen mit der EU

Die Wahlen am 1. Oktober 2006 galten als zukunftsweisend, da die internationale Gemeinschaft 2007 den Hohen Repräsentanten abziehen. Zudem wollte man Bosnien und Herzegowina in die volle Souveränität überführen.

Wahlen 2006 Bosnien
Zum ersten Mal seit dem Krieg hatte Bosnien-Herzegowina 2006 die Möglichkeit, das Land ohne Einmischung der internationalen Verwaltung zu führen. - Keystone

Im Nachhinein wurde dieses Vorhaben aber zunächst um ein weiteres Jahr verschoben. In das Staatspräsidium wurden der Bosniake Haris Silajdzic, der Serbe Nebojsa Radmanovic der Kroate Zeljko Komsic gewählt.

Die bosnisch-serbische Partei SNSD hatte vor den Wahlen wiederum ein Referendum für die Unabhängigkeit der Republika Srpska gefordert. Anfang 2008 bekräftigte der Vorsitzende des SNSD die Zugehörigkeit der Republika Srpska zum Gesamtstaat.

Zeljko Komsic
Zeljko Komsic, Kandidat für die kroatische Bevölkerung in Bosnien und Herzegowina, legt seinen Wahlzettel in die Urne. - keystone

2008 beschlossen EU-Vertreter gemeinsam mit Gesandten der USA und Russlands, den Hohen Repräsentanten auf unbestimmte Zeit im Land zu lassen. Am 16. Juni 2008 wurde das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union abgeschlossen. Dieses gilt als wichtige Vorstufe für den angestrebten Beitritt zur EU.

Bereits seit dem Europäischen Rat 2000 wird das Land als «potenzieller Beitrittskandidat» betrachtet. Um tatsächlich den Status eines Beitrittskandidaten zu erlangen, ist es jedoch noch ein langer Weg. Das Land müsste wichtige Reformen umsetzen, um sich der EU anzunähern.

Christian Schmidt Bosnien-Herzegowina
Der internationale Bosnien-Beauftragte Christian Schmidt. - AFP

Verzögerte Regierungsbildung in Bosnien und Herzegowina

Bei den allgemeinen Wahlen im Oktober 2010 bestanden Zweifel, ob der Sieg in zwei Fällen nicht durch Wahlbetrug zustande kam. Die Wahlkommission hatte eine Neuauszählung der ungewöhnlich vielen Stimmen angeordnet, die als ungültig gewertet wurden.

Nach der Neuauszählung wurden alle drei gewählten Mitglieder des Staatspräsidiums bestätigt. Konflikte unter den führenden bosniakischen, serbischen und kroatischen Parteien verhinderten jedoch die Bildung einer Regierung. Erst nach rund 15 Monaten einigten sich die sechs grossen Parteien Ende Dezember 2011 auf eine neue Regierung.

Bosnien-Herzegowina
Aleksandar Vucic, Premierminister Serbiens, links, und Vjekoslav Bevanda, Bosniens Premierminister, bei einem Besuch in Sarajevo 2014. - Keystone

Anfang Januar 2012 wurde Vjekoslav Bevanda von der Kroatischen Demokratischen Union in Bosnien und Herzegowina zum neuen Ministerpräsidenten gewählt.

Wahlen 2014 bis 2020

Bei den Wahlen 2014 traten 51 politische Parteien, 14 andere Bündnisse und 15 unabhängige Kandidaten an. Erst knapp sechs Monate nach der Wahl wurde die neue gesamtstaatliche Regierung gebildet und von einer Fünfparteienkoalition des Abgeordnetenhauses bestätigt.

Sefik Dzaferovic
Sefik Dzaferovic, der Kandidat der Bosniaken, während einer Wahlveranstaltung in Sarajewo. - keystone

Aus den Wahlen 2018 sind die nationalistischen Parteien als klare Sieger hervorgegangen. Auf der Ebene des Gesamtstaates Bosnien und Herzegowina wurden die drei ethnisch besetzten Mitglieder der Präsidentschaft gewählt: Sefik Dzaferovic als bosniakischer Vertreter, Zeljko Komsic als kroatischer und Milorad Dodik als serbischer Vertreter.

Die Wahlbeteiligung lag nur bei 53 Prozent. Eine neue Regierung kam erst nach zehn Monaten im August 2019 zustande.

Neuste Entwicklungen

Regelmässig drohte der Ministerpräsident der Republik Srpska Miolrad Dodik mit Abspaltung. Seit Herbst 2021 verstärkte er den Druck in Richtung Abspaltung noch stärker, was international Besorgnis erregte.

Milorad Dodik Bosnien-Herzegowina
Milorad Dodik, Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums, spricht bei einer Pressekonferenz. - sda

Im Dezember 2021 hat Dodik seine Drohung dann wahr gemacht. Das Parlament der serbischen Teilrepublik Srpska hat die Abspaltung von der Zentralregierung beschlossen. Die internationale Staatengemeinschaft befürchtet einen neuen Bürgerkrieg auf der Balkanhalbinsel.

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