Wer ist hilfsbedürftig, wer nicht? Diese Frage hat eine Hilfsorganisation nach Hurrikan Ian in einem Test Google-Algorithmen überlassen.
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Menschen betrachten von einer zerstörten Brücke in Matlacha im US-Bundesstaat Florida aus die Schäden nach dem Hurrikan Ian. (Gerald Herbert/AP/dpa) - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Nach dem Hurrikan Ian testet eine Hilfsorganisation eine neue Spendenaktion.
  • Zusammen mit Google verteilt GiveDirectly Spenden über Push-Nachrichten.
  • Die Hilfsbedürftigen werden durch Algorithmen ermittelt.

Hurrikan Ian hat die amerikanische Ostküste in Krisenmodus versetzt. Die Kosten dürften die 100-Milliarden-Dollar-Marke überschreiten. US-Präsident Biden sprach davon, dass der Wiederaufbau Jahre dauern werde.

Viele Menschen sind auf Hilfe angewiesen. Doch wer entscheidet eigentlich, wer Hilfe bekommt, und wer nicht? Die Antwort: Algorithmen. Zumindest im Fall von 3500 Personen aus Florida.

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Der US-Bundesstaat Florida wurde ordentlich verwüstet. Diese Luftaufnahme zeigt beschädigte Häuser und Trümmer nach Hurrikan «Ian». (Wilfredo Lee/AP/dpa) - dpa

All den Personen wurden wie aus heiterem Himmel rund 700 Franken angeboten – per Push-Nachricht auf ihren Handys, berichtet «Wired». Organisiert wurde die Spendenaktion von der Wohltätigkeitsorganisation GiveDirectly in Zusammenarbeit mit dem gemeinnützigen Ableger von Google. Die Push-Nachrichten kamen über die App Providers, über die Nutzerinnen und Nutzer eigentlich Lebensmittelmarken verwalten können.

Wie der Algorithmus entscheidet

Mit der Software von Google konnte die Organisation Spenden gezielt an Menschen senden, die in nun zerstörten Gebieten wohnten. Möglich machen das zwei Softwares von Google: Skai und Delphi.

Skai wurde entwickelt, um Satellitenbilder vor und nach Katastrophen zu vergleichen. Die Software schätzt von selbst ein, welche Gebäude wie schwer beschädigt sind.

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Die Aufnahme zeigt Fort Myers Beach im April und die Zerstörung nach dem Hurrikan «Ian» im September 2022. (Airbus DS 2022/dpa) - dpa

Diese Daten wurden in dem Testprojekt dann von Delphi weiterverarbeitet. Dieses Tool wurde benutzt, um die Schadensdaten mit Daten über Armut abzugleichen.

Das Ergebnis sei eine Karte, erklärt Alex Diaz von Google gegenüber «Wired». Diese zeige an, wo sozioökonomisch gefährdete Personen lebten und wo Gebäude beschädigt seien. So könne die Unterstützung vor Ort erleichtert und beschleunigt werden.

Das Haar in der Datensuppe

Katastrophenhilfe per Knopfdruck könnte einige aufschrecken lassen. Was, wenn das Programm falsch entscheidet? Können Menschen so etwas nicht besser entscheiden? Diaz ist da offensichtlich anderer Meinung.

Er verweist gegenüber «Wired» auf den Hurrikan Harvey von 2017. Zwei von drei der am stärksten betroffenen Gebiete seien damals einfach übersehen worden. Ein Ansatz über Daten sei da einfach «viel besser».

Sollen Algorithmen entscheiden dürfen, wer eine Spende erhält und wer nicht?

Es gibt aber auch skeptische Stimmen. Reem Tahouk von der britischen Northumbria University sieht die Gefahr, dass manche Menschen durch das Netz fallen könnten. Zum einen sei die menschliche Beziehung zu Helfern wichtig, um die Angebote auch wahrzunehmen. Zum anderen verweist sie auf Personen ohne Smartphone oder Akku, die so der Hilfe entgehen würden.

Auch GiveDirectly sieht Probleme bei dem digitalen Ansatz. Bei einem ersten Test nach dem Hurrikan Fiona hatten nur 200 von 700 Personen das Hilfsangebot per Push-Nachricht angenommen. «Das waren weniger als wir erwartet haben», sagt Sarah Moran von GiveDirectly gegenüber «Wired».

Sie vermutet, dass die Hilfsbedürftigen die Nachricht als Phishing-Versuch deuteten. Eine ungefragte Spende über hunderte Franken hört sich wohl doch zu sehr nach nigerianischem Prinzen mit Millionenerbe an. Auch im aktuellen Test scheinen die Menschen skeptisch zu sein. Bislang haben 900 Personen das Geld angenommen, die Hälfte davon hat es bereits erhalten.

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