US-Präsident Joe Biden lehnt einen Haftbefehl gegen die israelische Regierung ab, obwohl er diese selbst immer wieder scharf kritisiert. Ein Widerspruch?
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US-Präsident Joe Biden lehnt einen Haftbefehl gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ab. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der israelischen Regierung droht ein Haftbefehl wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen.
  • US-Präsident Biden ist empört, obwohl er das Vorgehen Israels selbst scharf kritisiert.
  • Ein plötzlicher Sinneswandel? US-Experte Thomas Greven schätzt für Nau.ch ein.
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US-Präsident Joe Biden bezeichnete die Vorwürfe gegen die israelische Regierung wegen mutmasslicher Kriegsverbrechen als «beschämend». Und sorgt damit bei Beobachtern für Verwirrung.

Denn: Er selbst kritisierte Israel in den letzten Monaten immer wieder scharf für dessen Kriegsführung im Gazastreifen. Was ist passiert?

Beschäftigen dich die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten?

Biden kritisiere die Regierung in Jerusalem zwar für ihre Kriegsführung, sagt Thomas Greven von der Freien Universität Berlin gegenüber Nau.ch. «Den Tatbestand von Kriegsverbrechen sieht der US-Präsident jedoch nicht als erfüllt.»

Das übergeordnete Ziel Bidens im Nahostkonflikt sei nach wie vor eine Zweistaatenlösung, erklärt der Politikwissenschaftler. «Für den Präsidenten ist es aber ein aussenpolitischer Balanceakt.» Die «traditionelle Unterstützung Israels» durch die USA stehe im Konflikt mit der «gleichzeitigen Berücksichtigung legitimer palästinensischer Interessen und Forderungen».

Doch auch innenpolitisch sieht Thomas Greven Präsident Biden unter Druck. Für die Präsidentschaftswahlen im Herbst sei der 81-Jährige auf die Unterstützung verschiedener Wählergruppen angewiesen, die gegensätzliche Interessen vertreten.

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Thomas Greven, Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin, findet nicht, dass Joe Biden sich in seinen Haltungen widerspricht. - Freie Universität Berlin

In den USA leben viele jüdische Menschen, die überwiegend Israel unterstützen. Die Uni-Proteste haben jedoch gezeigt, dass gerade viele junge Amerikaner pro-palästinensische Positionen einnehmen. «Insbesondere im wichtigen ‹battleground state› Michigan leben zudem viele arabische und muslimische Amerikaner», so der Experte.

Joe Biden setzte sich für Waffenruhe ein

US-Präsident Joe Biden äusserte in den vergangenen Monaten immer wieder scharfe Kritik an der israelischen Kriegsführung. Der Demokrat forderte Israel auch wiederholt dazu auf, Hilfslieferungen in den Gazastreifen zuzulassen. Ebenfalls setzte er sich für einen Waffenstillstand ein. Jüngst versuchte der 81-Jährige, die israelische Regierung von ihrem geplanten Grossangriff auf die Stadt Rafah abzuhalten.

Am Montag beantragte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und dessen Aussenminister Joav Galant. Der IStGH sieht hinreichende Belege für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

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Der Internationale Strafgerichtshof hat im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg Haftbefehle beantragt.
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Israels Premierminister Benjamin Netanjahu (links) und seinem Verteidigungsminister Joav Galant wirft der Gerichtshof Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.
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Ein Haftbefehl beantragt wurde auch gegen mehrere Anführer der Terrororganisation Hamas beantragt. Dies wegen Kriegsverbrechen beim Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023.
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US-Präsident Joe Biden empörte sich über den Haftbefehl gegen die israelische Regierung.
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Dies, obwohl Biden selbst immer wieder scharfe Kritik an der israelischen Kriegsführung äusserte.

Haftbefehle wegen Kriegsverbrechen beantrage der Gerichtshof ebenfalls gegen mehrere Führer der radikal-islamistischen Terrororganisation Hamas. Joe Biden bezeichnete das Vorgehen des IStGH als «beschämend». Der US-Präsident empörte sich darüber, dass die Haftbefehle gegen beide Parteien gleichzeitig beantragt wurden. «Israel und die Hamas-Terroristen dürfen nicht gleichgestellt werden», sagte Biden am Montag.

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