Wieder erreicht die Zahl neuer Erkrankungen und Todesfälle durch die Lungenkrankheit einen Rekordwert. Die chinesische Führung sieht in der Epidemie einen «wichtigen Test» - und gesteht Defizite ein.
Mediziner helfen Corona-Patienten in Wuhan beim Umzug in die Isolierstationen eines neuen Behelfskrankenhauses mit rund tausend Betten. Foto: Xiao Yijiu/XinHua/dpa
Mediziner helfen Corona-Patienten in Wuhan beim Umzug in die Isolierstationen eines neuen Behelfskrankenhauses mit rund tausend Betten. Foto: Xiao Yijiu/XinHua/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Chinas Führung hat «Unzulänglichkeiten und Defizite» in der Reaktion auf den Ausbruch der neuartigen Lungenkrankheit eingeräumt.

Nach einem Treffen unter Vorsitz von Staats- und Parteichef Xi Jinping liess das Politbüro nach Angaben des Staatsfernsehens vom Dienstag mitteilen: «Wir müssen die Erfahrungen zusammenfassen und Lehren daraus ziehen.» Das nationale Krisenmanagement müsse verbessert werden.

Das Gesundheitssystem solle auf den Prüfstand kommen - «Mängel» müssten beseitigt werden. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kündigte derweil ein informelles Treffen der EU-Gesundheitsminister an. Und wieder wurde ein Kreuzfahrtschiff unter Quarantäne gestellt.

Bis Dienstag stieg die Zahl der bestätigten Infektionen und Todesfälle durch das Coronavirus in China erneut sprunghaft. Wie die Gesundheitsbehörde mitteilte, gab es 20.438 bestätigte Erkrankungen - 3225 mehr als am Vortag. Die Zahl der Todesopfer stieg demnach um 64 auf 425. Es war erneut der bisher stärkste Anstieg der Infektionen und der Todesfälle innerhalb eines Tages.

In Hongkong gab es den zweiten Toten ausserhalb Festland-Chinas. Die Krankenhausbehörde bestätigte den Tod eines 39-Jährigen. Zuvor war auch ein Patient auf den Philippinen gestorben. Ausserhalb Chinas sind knapp 200 Infektionen in rund zwei Dutzend Ländern bestätigt.

In Japan wurde ein Kreuzfahrtschiff mit 2666 Passagieren und 1000 Mannschaftsmitgliedern an Bord unter Quarantäne gestellt - ein Gast war nach seiner Reise positiv auf Corona getestet worden. An Bord des Schiffes waren auch acht Deutsche, die die Reederei «Princess Cruises» am Dienstag mitteilte. Japanische Gesundheitsbehörden untersuchten daraufhin Passagiere und Besatzungsmitglieder auf das Virus.

Die Sterblichkeitsrate der Lungenkrankheit in China liegt im Schnitt bei 2,1 Prozent. Das würde bedeuten, dass rund jeder 50. nachweislich Erkrankte an dem Virus stirbt. In Wuhan erreiche die Mortalität aber 4,9 Prozent, sagte Jiao Yahui von der Gesundheitskommission. Experten führen diese hohen Werte darauf zurück, dass in China vor allem schwer Erkrankte identifiziert werden.

Allen zwölf Coronavirus-Patienten in Deutschland ging es dagegen gut. Zwei Infizierte, die am Wochenende aus Wuhan zurückgeholt worden waren, sind wohlauf. «Sie haben keine Symptome», sagte der Leiter Gesundheitsamt Frankfurt, René Gottschalk. Wie lange sie auf der Isolierstation bleiben müssten, könne nicht vorhergesagt werden. Die Patienten müssten virenfrei sein, um die Station verlassen zu können.

Auch den zehn Patienten in Bayern, die in Zusammenhang mit dem Autozulieferer Webasto stehen, geht es laut Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) gut. Zwei von ihnen hätten leichtes Fieber. Bei Webasto war eine infizierte Kollegin aus China zu Gast gewesen. Auch der auf der Kanareninsel La Gomera infizierte Deutschen ist nach Angaben der Behörden wohlauf.

Deutschland und Frankreich wollen sich mit ihren europäischen Partnern besser über ein einheitliches Vorgehen bei der Epidemie abstimmen. Das Ministertreffen solle in den kommenden acht Tagen stattfinden, sagte Gesundheitsminister Spahn nach einem Treffen mit seiner französischen Kollegin Agnès Buzyn in Paris.

Mehrere Länder wie Taiwan, die USA, Australien oder Neuseeland haben inzwischen Einreisebeschränkungen für Chinesen oder Ausländer erlassen, die aus China kommen. Auch haben mehrere Staaten ihre Bürger mit Sonderflugzeugen aus der weitgehend abgeschotteten Stadt Wuhan zurückgeholt. Fälle gibt es laut WHO etwa in Spanien, Italien, Grossbritannien, Frankreich, Belgien, Schweden und Finnland. Grossbritannien rief am Dienstag alle Landsleute zur Rückkehr aus China auf.

Wegen des Virus schliesst das Glücksspiel-Eldorado Macao seine Casinos für einen halben Monat. Der Regierungschef der chinesischen Sonderverwaltungsregion, Ho lat Seng, ordnete dies an, nachdem neun der zehn Virus-Fälle in Macao in der Glücksspielindustrie festgestellt worden waren. Damit verliert Macao seine wichtigste Einnahmequelle. Die Umsätze in der ehemaligen portugiesischen Enklave sind grösser als in Las Vegas.

Im Kampf gegen die Lungenkrankheit forderte Chinas Präsident Xi Jinping auf dem Treffen des Politbüros «rasche und entschlossene» Massnahmen», wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete. Er rief zu einer «strikten Durchsetzung» von Anordnungen und Verboten auf. Im Kampf gegen die Epidemie gehe es nicht nur um Leben und Gesundheit der Menschen, sondern auch um wirtschaftliche und soziale Stabilität.

Parteikomitees und Regierungen auf allen Ebenen wurden aufgerufen, die Epidemie unter Kontrolle zu bringen, aber auch «die Ziele der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung» in diesem Jahr zu erreichen. Der Ausbruch sei ein «wichtiger Test für Chinas System und die Fähigkeit zur Regierungsführung».

Bei dem Treffen wurde auch eine Umsetzung des gerade erlassenen Verbots für den Handel mit wilden Tieren gefordert. Es müsse entschieden gegen illegale Märkte mit Wildtieren vorgegangen werden, so das Politbüro. Die Behörden vermuten, dass das neue Coronavirus von Wildtieren von einem Markt in Wuhan ausgegangen war.

Ein Ende der Epidemie ist nicht in Sicht. Chinesische Experten schätzten am Montag, dass der Ausbruch ihren Höhepunkt in 10 bis 14 Tagen erreichen könnte. Dafür müssten aber vorbeugende Massnahmen verstärkt werden. An der neuen Lungenkrankheit sind in Festland-China mittlerweile mehr Menschen gestorben als an der Sars-Pandemie vor 17 Jahren. Bei der (Schweres Akutes Atemwegssyndrom) 2002/2003 hatte es 349 Todesfälle in Festland-China gegeben. Hinzu kamen 299 Tote in Hongkong. Weltweit waren es 774 Tote.

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