Coronavirus-Sorgenkind Indien verzeichnet plötzlich einen rasanten Rückgang seiner Fallzahlen. Ärzte warnen derweil vor neuen Nebenwirkungen der Delta-Variante.
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Eine Krankenpflegerin kümmert sich in einem kostenlosen Corona-Pflegezentrum, das von einer ehrenamtlichen Sikh-Organisation in Neu-Delhi eröffnet wurde, um eine Patientin. - dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Im Corona-Hotspot Indien sind die Neuinfektionszahlen auf einen Viertel geschrumpft.
  • Die Gründe dafür sind nicht klar, die Zahlen der Regierung werden angezweifelt.
  • Ärzte warnen derweil vor Gehörverlust und Gangrän als Nebenwirkungen der Delta-Variante.

Das ging schnell: Nachdem das indische Gesundheitssystem noch vor wenigen Wochen kurz vor dem Zusammenbruch stand, verbessert sich die epidemiologische Lage jetzt rasant. Der Grund dafür ist aber nicht ganz klar. Gleichzeitig warnen Ärzte vor neu entdeckten Nebenwirkungen der Delta-Variante.

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Covid-19-Patienten in einer temporären Auffangstation in einem Casino in Neu-Delhi. - AFP

Coronavirus: Mysteriöser Rückgang in Indien

Vor einem Monat begannen viele Länder bereits langsam damit, das Leben nach der Pandemie zu planen. Derweil gingen die Bilder der überfüllten indischen Intensivstationen um die Welt. Jetzt sinken die Infektionszahlen auch dort plötzlich drastisch: Zum ersten Mal seit zwei Monaten wurden am Dienstag wieder weniger als 100'000 Neuinfektionen gemeldet.

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Szenen einer Masseneinäscherung von Opfern, die an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben sind, auf dem Gelände eines Krematoriums, das für Massenverbrennungen umgewandelt wurde.
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Mitarbeiter stellen in einem Quarantänezentrum für Corona-Infizierte auf dem Gelände der Hapania International Fair am Stadtrand von Agartala im Bundesstaat Tripura Betten auf.
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Erschöpftes medizinisches Personal, sitzen auf der hinteren Stufe eines Krankenwagens in einem Krematorium.
Am Tor eines Impfzentrums in Mumbai angebrachte Schilder weisen auf den Mangel an Impfstoff hin. Foto: Rafiq Maqbool/AP/dpa
Am Tor eines Impfzentrums in Mumbai angebrachte Schilder weisen auf den Mangel an Impfstoff hin. Foto: Rafiq Maqbool/AP/dpa
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Ein am Coronavirus erkrankter Patient erhält Sauerstoff vor einem Gurdwara, einem Sikh-Gotteshaus.
Neu-Delhi: Angehörige neben brennenden Scheiterhaufen von Opfern, die an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben sind. Foto: Naveen Sharma/SOPA/ZUMA/dpa
Neu-Delhi: Angehörige neben brennenden Scheiterhaufen von Opfern, die an den Folgen einer Corona-Infektion gestorben sind. Foto: Naveen Sharma/SOPA/ZUMA/dpa

Das ist noch ein Viertel der vor wenigen Wochen registrierten Fälle. Die Hauptstadt Neu-Dehli hat noch eine Inzidenz von 26. Das ist etwa gleich viel wie Bern und weniger als Basel oder Zürich. Zwar haben einige Regionen weiterhin Inzidenzen von 350, doch auf das ganze Land gerechnet ist der Wert auf 60 abgesackt.

Stimmen die Zahlen?

Die Gründe für die positive Trendwende liegen im Dunkeln. An der Impfung kann es nicht liegen, denn Indien hat erst etwa 3,5 Prozent seiner Bevölkerung zweimal geimpft. Trotzdem sank die Positivitätrate beim Coronavirus innert vier Wochen von 22 auf 3,5 Prozent.

Super-Spreader-Events hatten das Infektionsgeschehen zu Beginn der dritten Welle stark beschleunigt. Dazu gehörten das religiöse Kumbh Mela Festival oder die Wahlkampfveranstaltungen von Premier Modi. Allein nach dem heiligen Bad im Ganges wurden pro Tag 1600 der Gläubigen positiv getestet.

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12.04.2021, Indien, Haridwar: Gläubige nehmen anlässlich des Kumbh Mela, dem grössten religiösen Fests des Hinduismus, ein traditionelles Bad im Ganges. - dpa

Dass der strenge, aber kurze Lockdown diesen krassen Rückgang allein verursacht hat, ist für viele Inder wenig glaubhaft. Sie zweifeln die offiziellen Angaben an. «Ich würde mich nicht nach den Zahlen der Regierung richten», sagte Journalist Arunabh Saikia gegenüber «N-TV».

Neue Nebenwirkungen: Gehörverlust und Gangrän

Gleichzeitig warnen indische Ärzte vor neuen möglichen Nebenwirkungen der Delta-Variante B1.617.2. Die hochansteckende Coronavirus-Mutation soll durch Blutgerinnsel zu Hörverlust und Gangrän führen.

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Ein Hörgerät wird in ein Ohr eingesetzt. In Grossbritannien wurden vermehrt Fälle von Gehörverlust in Zusammenhang mit dem Coronavirus registriert. - dpa-infocom GmbH

Gangrän bezeichnet das Absterben von Gewebe durch eine länger anhaltende Durchblutungsstörung. Ein Arzt aus Mumbai bestätigt gegenüber der «Daily Mail», dass er Amputationen bei mehreren Patienten vornehmen musste. Diesen sei nach einer Infektion mit dem Coronavirus Extremitäten wie Finger oder Füsse abgefault.

In Grossbritannien, wo die Delta-Variante inzwischen ebenfalls vorherrscht, kämpfen die Mediziner mit anderen Nebenwirkungen. So stellte die Universität Manchester in einem neuen Forschungsbericht bei 7,6 Prozent aller Covid-Patienten einen Gehörverlust fest.

Bereitet ihnen die Delta-Mutation Sorgen?

In der gleichen Studie wurde zudem Schwindel bei 7,2 und Tinnitus bei 14,2 Prozent aller Befragten registriert. Wenn dieser Effekt nicht sofort behandelt werde, könne er dauerhaft sein, warnen die Ärzte. Untersuchungen, wie sich das Coronavirus langfristig auf das menschliche Gehör auswirkt, gibt es noch keine.

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