USA: Sicherheitsstrategie klagt «Unterdrückung» in Europa an
Die USA warnen in einer neuen Sicherheitsstrategie vor «Unterdrückung» in Europa und stellen die Belastbarkeit der Partnerschaft infrage.

Mit einer neuen nationalen Sicherheitsstrategie brandmarkt US-Präsident Donald Trump die aktuelle politische Landschaft in der EU als Bedrohung für amerikanische Interessen.
Konkret werden in dem 33-seitigen Dokument angebliche Demokratiedefizite und Einschränkungen der Meinungsfreiheit kritisiert. Über Migration heisst es, der wirtschaftliche Niedergang Europas werde von der Gefahr einer «zivilisatorischen Auslöschung» überlagert. Auch Deutschland wird kritisiert.
Die nationale Sicherheitsstrategie ist ein zentrales Dokument, in dem die USA ihre aussen- und sicherheitspolitischen Leitlinien festlegen. Frühere Strategien hätten die nationalen Kerninteressen der USA nicht berücksichtigt und die Verteidigung anderer Länder auf die Schultern der US-Bevölkerung abgeladen, lässt Trump erklären.
Die Zeiten, in denen die Vereinigten Staaten «wie Atlas die gesamte Weltordnung gestützt» hätten, seien vorbei. Es gelte «America First» – die USA zuerst.
USA warnt vor «Unterdrückung» in Europa
Welche EU-Länder Trump beim Thema Ukraine und Meinungsfreiheit besonders im Visier hat, wird im Text nicht explizit gesagt. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) und seine Regierungskoalition dürften zu den Angesprochenen zählen.
Ihnen erklärt Trump indirekt den Kampf, indem er wissen lässt, dass sich sein Land für «echte Demokratie» und «Meinungsfreiheit» einsetzen und jene «patriotischen Parteien» stärken wollen, die Europas «Verlust an Identität» umkehren könnten.
Ziel der amerikanischen Politik müsse es sein, Europa «auf den richtigen Kurs» zurückzuführen. Als eng verbandelt mit der Trump-Regierung gelten der nationalistische ungarische Regierungschef Viktor Orban, aber auch die deutsche AfD.
Aus Deutschland und anderen europäischen Staaten kam an der neuen Strategie umgehend scharfe Kritik. Aussenminister Johann Wadephul sagte zu den kritischen Äusserungen zur Meinungsfreiheit, er glaube «nicht, dass irgendjemand uns dazu Ratschläge geben muss».
In Deutschland gebe es nicht nur die staatlichen Gewalten der Exekutive, der Legislative und der Jurisdiktion, «sondern zu Recht auch freie Medien». Auch die EU-Kommission von Ursula von der Leyen wies die Vorwürfe gegen die EU zurück.

In Brüsseler Nato-Kreisen sorgte eine Passage für Beunruhigung, in der es heisst, die grundlegende US-Politik für Europa solle darauf abzielen, «den Eindruck – und die Realität – einer sich ständig erweiternden Nato zu beenden».
Dies würde ein Ende des bisherigen Prinzips der «offenen Tür» bedeuten. Das Bündnis wollte diesen Punkt in der US-Strategie auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur zunächst nicht kommentieren.
Meisten Seiten des Dokuments Asien gewidmet
Zugleich macht das Dokument unmissverständlich klar, dass der Hauptfokus der US-Sicherheitspolitik künftig in der «westlichen Hemisphäre» liegen soll – gemeint sind die Migration aus Lateinamerika, der Kampf gegen angebliche «Terroristen» und Kartelle, die Drogen in die USA brächten, sowie auf der Durchsetzung amerikanischer Interessen in der Region.
Bemerkenswert ist, welches Land in diesem Zusammenhang namentlich unerwähnt bleibt, obwohl Trump zuletzt die Temperatur rhetorisch aufdrehte: Venezuela.
Die meisten Seiten des Dokuments sind sonst Asien gewidmet. Die USA hätten China über Jahrzehnte falsch eingeschätzt, heisst es. Das Verhältnis müsse wirtschaftlich neu austariert und die militärische Abschreckung im Indo-Pazifik gestärkt werden, um einen möglichen Konflikt zu verhindern.
Auch das gehört zu Trumps strategischem Ansatz: ein «weltweit führendes, tödlichstes und technologisch fortschrittlichstes» Militär, das amerikanische Interessen überall durchsetzen soll.
Der Nahe Osten spielt in der neuen Strategie dagegen nur eine Nebenrolle – entsprechend knapp fällt das Kapitel zur Region aus. Die Gegend habe ihren früheren strategischen Stellenwert verloren, vor allem weil die USA wieder mehr eigene Energie produzierten, und viele Konflikte dort aus amerikanischer Sicht weniger unmittelbare Gefahren für die USA mit sich brächten.
Nicht einmal eine ganze Seite über Afrika
Noch knapper hält sich das Dokument zu Afrika: Nicht einmal eine ganze Seite widmet die Trump-Regierung dem Kontinent. Washington kritisiert, die US-Politik habe dort zu lange auf Entwicklungshilfe und den Export liberaler Werte gesetzt.
Künftig solle die Zusammenarbeit auf Handel und den Zugang zu afrikanischen Rohstoffen zielen – und auf Partnerschaften mit jenen Staaten, die ihre Märkte für US-Unternehmen öffnen.

Unterm Strich geht es um Abschreckung nach aussen, die rigorose Durchsetzung amerikanischer Wirtschaftsinteressen und um ein klar umrissenes Bild davon, wer dazugehört und wer nicht.
Dabei schlägt das Dokument einen Ton an, der koloniale Denkweisen des 19. Jahrhunderts wiederbelebt. Das zeigt sich nicht nur in der Afrika-Passage, sondern auch in Formulierungen zu Europa – die Trump-Regierung bedient sich Argumentationslinien, wie sie in rechten Kreisen verbreitet sind:
Die grössten Gefahren seien Migration, sinkende Geburtenraten und ein vermeintlicher «Verlust nationaler Identität». Aus amerikanischer Sicht gefährdet dieser Trend langfristig die Stabilität europäischer Demokratien und damit die Basis der sicherheitspolitischen Partnerschaft.
Migration, Identität und «patriotische Parteien»
Die Einwanderungspolitik vieler europäischer Staaten wird aus den USA als weiterer Risikofaktor hervorgehoben, berichtet das «Handelsblatt». Der Grund: Der Kontinent verändere sich strukturell und verschärfe Konflikte.
Die Strategie fordert, Europa solle seinen Kurs korrigieren, um kulturelle Kontinuität und gesellschaftlichen Zusammenhalt zu sichern. Positiv erwähnt das Dokument den wachsenden Einfluss «patriotischer europäischer Parteien», die nach Einschätzung Washingtons konservative Identitätskonzepte stärken.
Die US-Regierung verbindet damit die Erwartung, nationale Selbstbestimmung und sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit in Europa könnten dadurch gefestigt werden.
Strategische Stabilität mit Russland
Europäischen Politikern wirft die Trump-Regierung «unrealistische Erwartungen» und eine politische Blockadehaltung im Ringen um Frieden mit Moskau vor. In mehreren Ländern sässen instabile Minderheitsregierungen an der Macht, «von denen viele grundlegende Prinzipien der Demokratie mit Füssen treten, um Opposition zu unterdrücken».
Eine grosse Mehrheit der Europäer wünsche sich Frieden, doch dieser Wunsch spiegele sich kaum in der Politik wider.
Aus Sicht Washingtons erschwert das die Wiederherstellung von Stabilität auf dem Kontinent – einschliesslich einer neuen «strategischen Stabilität mit Russland», die das Dokument ausdrücklich als Ziel nennt. Kritische Worte für den Kreml als Aggressor im Krieg gegen die Ukraine enthält der Text nicht.
Analysten verweisen darauf, dass Washington damit eine stärker machtpolitisch ausgerichtete Ordnung anstrebt, in der klare Einflusszonen definiert werden.
Folgen für die transatlantische Partnerschaft
Experten sehen in der Wortwahl der Sicherheitsstrategie aus den USA einen deutlichen Bruch mit früheren Formulierungen über Verbündete in Europa.
So spricht etwa der Thinktank-Analyst Zack Cooper von einer «grossen Veränderung» im Ton gegenüber Partnerstaaten. Die US-Regierung formuliert das Ziel, «Widerstand gegen den aktuellen Kurs Europas» innerhalb der europäischen Nationen zu unterstützen.
Damit verbindet die Strategie das klassische Bündnisnarrativ mit einer direkten Einflussnahme auf innenpolitische Debatten in Europa.
















