Ukraine, KI, die Stoltenberg-Nachfolge bei der Nato: All das steht beim USA-Besuch von Premier Sunak auf dem Programm. Doch kann der britische Regierungschef tatsächlich Erfolge mit nach Hause bringen?
Grossbritanniens Premierminister Rishi Sunak spricht während seines Besuchs in Washington mit Journalisten.
Grossbritanniens Premierminister Rishi Sunak spricht während seines Besuchs in Washington mit Journalisten. - Niall Carson/PA Wire/dpa
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Das Wichtigste in Kürze

  • Wenn Joe Biden heute Rishi Sunak im Weissen Haus empfängt, ist es bereits das vierte Treffen des US-Präsidenten mit dem britischen Premierminister in vier Monaten.

Der britischen Regierung liegt viel daran, diese Tatsache zu betonen – als Zeichen für die traditionell engen Bande über den Atlantik.

Die US-Regierung unterstreicht immer wieder, dass es für Washington keinen engeren Verbündeten als Grossbritannien gebe. Doch Kritiker in London ätzen, die «special relationship» mit Washington bestehe derzeit vor allem auf dem Papier.

Britische Medien irritiert

Deutlich vor Augen ist noch, wie Biden jüngst bei seinem Besuch zum 25. Jahrestag des Karfreitagsabkommens in Nordirland den britischen Premier nur mit einem kurzen bilateralen Treffen in einer Hotel-Bar abspeiste – um anschliessend tagelang in Irland seine Abstammung von der Grünen Insel zu zelebrieren. Britische Medien waren irritiert. Scherzhaft hiess es, es sei weniger ein bilaterales Treffen als ein «Bi-Latte» gewesen, ein gemeinsam geschlürfter Coffee-to-go, mehr nicht.

Später sagte der US-Demokrat, der fast doppelt so alt ist wie der konservative Brite, er habe den Briten mit seiner Reise deutlich machen wollen, dass sie sich an die mühsam erreichte Einigung mit Brüssel um die Brexit-Regeln für Nordirland halten müssen. Als er Sunak nach dessen Amtsübernahme im Oktober 2022 gratulierte, hatte er dessen Namen versehentlich als «Raschi Sunuk» ausgesprochen.

Biden kein Brexit-Fan

Ein Grund für Bidens Skepsis ist der britische EU-Austritt. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Donald Trump, der den Briten einen raschen Handelspakt nach dem Brexit in Aussicht stellte, war Biden nie ein Fan des britischen EU-Austritts. «Ich habe nie einen Demokraten getroffen, der den Brexit für eine gute Idee gehalten hat», sagte Kim Darroch, ehemals britischer Botschafter in den USA, kürzlich der «Financial Times». «Sie hassen den Brexit, weil sie das Gefühl haben, er widerspreche dem Trend der Weltgeschichte und koste sie ihren wichtigsten Zugang zur EU

Mittlerweile sollen sich die Beziehungen aber verbessert haben, betonen Diplomaten. Das liegt vor allem am hohen britischen Einsatz für die Ukraine. Immer wieder ist Sunak mit Waffenlieferungen vorgeprescht – seien es Kampfpanzer, Marschflugkörper mit höherer Reichweite oder der Aufbau einer «Kampfjet-Koalition».

«Das hat eine gewisse Glaubwürdigkeit in Washington wiederhergestellt», so Darroch. Anerkannt wird in Washington, dass Sunak nach den Skandalen seiner Vorgänger Liz Truss und Boris Johnson eine realistischere Politik verfolgt. So weiss der Premier, dass ein von den Brexit-Fans erhofftes Freihandelsabkommen mit den USA auf absehbare Zeit aussichtslos ist.

Sunak peilt KI-Kooperation an

Bei Sunaks erstem Besuch im Weissen Haus als Regierungschef wird die Ukraine erneut zentrales Thema sein. Zudem will Sunak, der einen Abschluss von der US-Universität Stanford hat, für ein gemeinsames Vorgehen bei der Regulierung Künstlicher Intelligenz werben und eine Führungsrolle Londons. Allerdings kommt der 43-Jährige damit recht spät: Die USA und die EU diskutieren bereits einen freiwilligen KI-Verhaltenskodex – wegen der Brexit-Folgen ist Grossbritannien in dem Format aussen vor. Nun will Sunak beweisen, dass das von den «EU-Fesseln» gelöste Königreich ein agiler Partner ist.

Die Skepsis in London ist gross. «Es ist eine einfache strategische Tatsache, dass der Brexit einen britischen Premierminister für Washington weniger nützlich macht», kommentierte «Guardian»-Kolumnist Rafael Behr. «Ohne Einfluss in Brüssel ist Sunak nicht in der Lage, Geschäfte mit Biden auszuhandeln. Stattdessen zollt er Tribut.» Das gilt wohl auch für die britische Kampagne, Verteidigungsminister Ben Wallace zum Nachfolger von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg aufzubauen. Sunak wirbt immer offener für seinen Kabinettskollegen, doch der Widerstand in Europa scheint gross zu sein.

Neue Nato-Personalie

Das Weisse Haus betont, sich noch nicht auf einen Nachfolger für Stoltenberg festgelegt zu haben. Vor Sunaks Besuch sagte die Sprecherin Bidens, Karine Jean-Pierre, dass der US-Präsident sich auf das Treffen freue. Wichtige Themen bei dem Gespräch seien die Wirtschaftspartnerschaft der beiden Länder und die gemeinsame Unterstützung für die Ukraine.

Auch die Entwicklungen in Nordirland sollen demnach zur Sprache kommen. Geplant ist eine gemeinsame Pressekonferenz am deutschen Abend. Sunak soll im offiziellen Gästehaus des US-Präsidenten, dem Blair House, unterkommen.

Für Sunak dürften demnach die Bilder mit Biden aus dem Oval Office das beste Mitbringsel sein. Auf andere PR-Auftritte verzichtet der Premier freiwillig: Auf den Anwurf bei einem Baseballspiel verzichtete der Cricket-Fan. Sunak habe gekniffen, kommentierte die britische «Sun» schadenfroh. Immerhin: Biden wird der Premier auch künftig häufiger sehen. Der US-Präsident hat eine Einladung von König Charles III. zu einem Staatsbesuch akzeptiert, geplant ist die Visite noch für dieses Jahr.

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