Thomas Schalz tötete einst im Schlachthof jeden Tag Hunderte Tiere. Irgendwann konnte er nicht mehr. Jetzt ist er vegan.
Früher Metzger, jetzt vegan
Wie geht man damit um, jeden Tag Hunderte Schweine töten zu müssen? Thomas Schalz – einst Metzger, jetzt vegan – erzählt, was in ihm vorging. - Unsplash
Ad

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Metzger Thomas Schalz schlachtete jeden Tag Hunderte Tiere.
  • Irgendwann konnte er das Erlebte nicht mehr verdrängen und wurde vegan.
  • Gemäss einer Studie nehmen Schlachter Tiere als zu verwertendes Objekt wahr.
  • Diese emotionale Distanz erlaubt es, das tägliche töten zu verarbeiten.

Wenn ein saftiges Steak vor uns auf dem Teller liegt, verschwenden wir in der Regel keinen Gedanken an das Tier. Mancher denkt vielleicht noch an das Rind auf der Weide und hofft insgeheim, dass es ein gutes Leben hatte. Doch spätestens mit dem ersten genussvollen Bissen sind diese Bilder weg.

Doch darüber, wie das Rind von der Weide überhaupt auf unsere Teller gelangt, sinniert kaum einer nach. Die Schlachtung der Tiere bleibt im Dunkeln. Aus gutem Grund.

Für das Tier gibt es kein Entkommen

Den meisten Menschen würde es wahrscheinlich den Appetit verderben, wenn sie ein Tier mit den eigenen Händen erledigen müssten. Dem Huhn den Kopf umdrehen? Dem Rind ein Bolzenschuss zwischen die Augen verpassen? Das lassen wir lieber andere machen.

Zum Beispiel Thomas Schalz. Gelernter Metzger. Er arbeitete viele Jahre in einem deutschen Schlachtbetrieb. Wie ging er damit um, jeden Tag Hunderte Tiere schlachten zu müssen?

Früher Metzger, jetzt vegan
Thomas Schalz (Mitte) hat mit Philipp Hörmann (rechts) und Peter Hübner die Organisation «Metzger gegen Tiermord» gegründet. Alle ernähren sich heute vegan. - zVg

«Irgendwann wird es zur Routine», antwortet er. «Das Tier wird nur noch als Objekt wahrgenommen, nicht mehr als fühlendes Lebewesen.»

Er habe versucht, möglichst keinen Augenkontakt mit den Tieren herzustellen, Emotionen zu unterdrücken. «Du weisst, dass es für das Tier kein Entkommen mehr gibt.»

Das Tier ist nur noch ein Objekt

Für das Schlachten braucht es eine emotionale Distanz zum Tier. Das quiekende Schwein darf nicht als fühlendes Lebewesen, sondern nur als zu verwertendes Gut betrachtet werden. Das hilft, das tägliche Schlachten zu verarbeiten.

Es wäre jedoch falsch, zu denken, dass Metzger kaltherzige Menschen sind, die ihre Emotionen einfach so wegstecken. Sie führen ihren Beruf nicht aus, um Tieren willentlich zu schaden. Manch einer bezeichnet sich als tierlieb und umsorgt zum Beispiel seine Haustiere fürsorglich.

Dieses Verhältnis von Metzgern zu Tieren hat der deutsche Soziologe Marcel Sebastian wissenschaftlich untersucht.

Gemäss Sebastian sind Menschen, die den Beruf des Metzgers wählen, schon früh mit der Tötung von Tieren in Kontakt gekommen. Sei es, weil die Eltern den gleichen Beruf ausübten oder weil sie auf einem Bauernhof aufgewachsen sind. Das Töten von Tieren wird deshalb als normal empfunden.

Ein Schwein, nicht vegan
Ein Schwein in einem Stall. - Pexels

Bereits als Kind lernten sie zudem, Nutztiere nicht als individuelle und fühlende Wesen wahrzunehmen.

Es ist also ein antrainiertes Verhalten, die Kuh als Schlachtobjekt zu bewerten, aber beispielsweise den Hund nicht.

Betäubungen liessen Zweifel aufkommen

Manchmal funktioniert die emotionale Distanzierung jedoch nicht. So wie beim ehemaligen Metzger Thomas Schalz. «Ich habe sehr viele Fehlbetäubungen in der Rinderschlachtung erlebt. Das hat mich schon sehr früh am System zweifeln lassen.»

Die Tiere werden im Schlachtbetrieb als Erstes betäubt. Bei Rindern geschieht das meist mit einem Bolzenschuss in den Kopf. Wenn das Rind nicht sofort tot ist, kann es allerdings vorkommen, dass es noch zappelnd zum Schlächter geschoben wird.

Früher Metzger jetzt vegan
«Irgendwann wird das Töten der Tiere zur Routine», sagt Thomas Schalz. - Unsplash

Irgendwann wollte der Metzger die Erlebnisse im Schlachthof nicht mehr verdrängen. Er habe dann den Betäubungsprozess der Schweine bewusst verfolgt.

Schweine werden in der Regel in Grossbetrieben in CO2-Anlagen betäubt, bevor sie geschlachtet werden. «Da war mir klar, dass es grausam ist, wenn die Betäubung mindestens 20 bis 30 Sekunden dauert. Sie ist mit unendlicher Angst, Panik und Schmerz verbunden.»

Zuerst Metzger, jetzt vegan

Thomas Schalz entscheidet sich schliesslich nach langem Überlegen der Branche den Rücken zu kehren. Heute lebt er vegan. In der Nähe von Berlin betreibt er mit seiner Frau einen Lebenshof für etwa 40 Tiere.

Mit anderen ehemaligen Metzgern klärt er zudem über das Töten in Schlachtbetrieben auf.

Drei Metzger, die vegan wurden.

Schalz und seine Mitstreiter möchten auch andere Menschen davon überzeugen, vegan zu werden. Denn «sind es die fünf Minuten Gaumenschmaus wirklich wert, einem Tier gegen seinen Willen das Leben zu nehmen?», schliesst er.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

HundAngstVegan