Nach drei verpatzten Rennwochenenden baut Ferrari sein Formel-1-Team um. Zwischen den Zeilen ist zu lesen: Man hofft erst 2022 auf Besserung. Eine Analyse.
Charles Leclerc Ferrari
Charles Leclerc (Ferrari) im Freien Training zum Grand Prix von Ungarn. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Ferrari reagiert auf den katastrophalen Start in die Formel-1-Saison 2020 mit einem Umbau.
  • In Maranello wird eine neue Abteilung für «Performance Development» installiert.
  • Zudem holt die Scuderia Ex-Schumi-Konstrukteur Rory Byrne zurück.

Der Frust ist gross bei Ferrari nach dem verpatzten Start in die Formel-1-Saison 2020. Den zweiten Platz von Charles Leclerc beim Saisonauftakt weiss man in Maranello längst richtig einzuschätzen. Performance-Indikator war der Podestplatz keiner, sondern bestenfalls ein glücklicher Ausrutscher.

Wie schlecht es um Ferrari wirklich bestellt ist, wurde bei den folgenden Rennen deutlich sichtbar. Von Mercedes und – unter normalen Umständen – auch Red Bull ist man ein gutes Stück entfernt. Rang fünf in der Teamwertung ist derzeit wohl leistungsgerecht, Platz vier in diesem Jahr wohl das Maximum.

Mattia Binotto Ferrari
Mattia Binotto, Teamchef von Ferrari. - Keystone

Dass die Scuderia am Mittwoch eine Umstrukturierung im Formel-1-Team bekanntgab, überraschte nicht. Es musste etwas passieren, denn die Formkurve der Roten ist besorgniserregend. 2017 und 2018 noch im Titelkampf, ist man in der aktuellen Saison ins Mittelfeld zurückgefallen.

In Maranello wird umgebaut

In Maranello wird deshalb eine neue Abteilung für «Leistungsentwicklung» ins Leben gerufen. Der bisherige Aerodynamik-Chef Enrico Cardile übernimmt die Leitung dieser Abteilung. Enrico Gualtieri bleibt für die Motor-Entwicklung verantwortlich, Laurent Mekies fungiert weiter als Sportdirektor. Chassis-Chefentwickler Simone Resta muss sich im neuen Organigramm wohl hinter Cardile anstellen.

Simone Resta Ferrari
Simone Resta (re.) wurde im Vorjahr von Alfa-Romeo-Sauber zu Ferrari zurückgeholt. - Formula 1

Allerdings kann Ferrari – Umstrukturierung hin oder her – in dieser Saison wohl nicht allzuviel bewegen. Die meisten Komponenten dürfen als Corona-Sparmassnahme nicht weiterentwickelt werden. Modifikationen sind nur im Rahmen des «Token»-Systems möglich, das allen Baugruppen unterschiedliche «Kosten» zuweist. Alle Teams erhielten ein eng begrenztes Token-Budget, das sie auf Upgrades verwenden dürfen.

Aber für Massnahmen im Rahmen dieses Modells kommt die Umstrukturierung zu spät. Am Mittwoch verstrich die FIA-Deadline, bis zu der die Teams ihre Token-Planung bekanntgeben mussten. Mit anderen Worten: Die neue Performance-Development-Abteilung hat gar keinen Einfluss auf das Performance Development in dieser Saison.

Ferrari Renault McLaren RP
Charles Leclerc (Ferrari) im Duell mit Sergio Perez (Racing Point). Dahinter lauern Daniel Ricciardo (Renault) und Carlos Sainz (McLaren). - keystone

Und auch nicht in der nächsten, denn die Fahrzeuge bleiben für das Jahr 2021 weitgehend unverändert. Auf eine baldige Rückkehr an die Spitze des Feldes sollten sich die Tifosi also nicht freuen.

Und in Maranello gibt man sich auch keinen Illusionen hin, sondern legt das Augenmerk ganz auf 2022. Dann werden die Karten in der Formel 1 mit massiven Regeländerungen neu gemischt.

Ex-Schumi-Konstrukteur soll Ferrari retten

Und mit Fokus auf diese fundamentalen Änderungen hat Ferrari einen Mann aus der erfolgreichsten Ära des Teams zurückgeholt. Rory Byrne zeichnete als Chefkonstrukteur für die fünf Weltmeister-Ferraris von Michael Schumacher verantwortlich. Der Südafrikaner war auch schon der Mann hinter den beiden Benetton-Weltmeisterautos des Deutschen.

Michael Schumacher Ferrari 2000
Mit dem Ferrari F1-2000 holte Michael Schumacher neun Grand-Prix-Siege und Ferraris ersten Fahrer-WM-Titel seit 21 Jahren.
Michael Schumacher Ferrari 2001
Wie im Vorjahr holte Schumacher am Steuer des Ferrari F2001 neun Grand-Prix-Siege und seinen vierten WM-Titel.
Michael Schumacher Ferrari 2002
Mit dem Ferrari F2002 lieferte Schumacher eine Machtdemonstration ab. Er beendete jedes der 17 Rennen auf dem Podest und gewann elf davon.
Michael Schumacher Ferrari 2003
Der Ferrari F2003-GA (nach dem verstorbenen Gianni Agnelli) war nicht so dominant. Schumacher gewann «nur» sechs Rennen und wurde mit zwei Punkten Vorsprung Weltmeister.
Michael Schumacher Ferrari 2004
Mit dem Ferrari F2004 wurde Schumacher zum siebten Mal Weltmeister. Er gewann 12 der ersten 13 Rennen und holte überlegen den fünften Ferrari-Titel en suite.
Michael Schumacher Ferrari 2004
Mit Ferrari holte Schumacher 72 Grand-Prix-Siege und fünf Weltmeistertitel in Folge.

Zuletzt war Byrne für die letzte grössere Regel-Umwälzung 2017 als Berater an Bord geholt worden. Der SF70H erwies sich dann auch auf Anhieb als siegfähiges Auto. Erst in der Schlussphase der Saison fiel die Titel-Attacke von Sebastian Vettel in sich zusammen.

Nun soll das einstige Mastermind Byrne die Scuderia also erneut fit für einen radikalen Formel-1-Umbruch machen. Dass der Südafrikaner mit irischem Pass jetzt schon an Bord geholt wird, spricht Bände über die Pläne von Ferrari. Weil die Regeln für 2020 und 2021 keine drastischen Änderungen erlauben, richtet sich der Fokus auf 2022.

Rory Byrne Ferrari
Rory Byrne zeichnete bei Ferrari für die Weltmeisterautos der Schumacher-Ära verantwortlich. - Scuderia Ferrari

Im Klartext heisst das aber auch: In Maranello hat man den SF1000 bereits abgeschrieben. Damit sind auch diese und die nächste Formel-1-Saison schon so gut wie abgehakt. Die Tifosi müssen sich also auf anderthalb schmerzvolle Jahre gefasst machen, ehe auf Besserung zu hoffen ist.

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