YB – Stephanie Waeber: «Wollen wieder um den Titel mitspielen»
Mit 24 Jahren ist Stephanie Waeber bereits Captain der YB Frauen. Im Interview spricht sie über die Nicht-Nomination für die Heim-EM und nervige Klischees.

Das Wichtigste in Kürze
- Stephanie Waeber führte die YB Frauen zum Meistertitel.
- Trotzdem wurde sie von Pia Sundhage nicht für die Heim-EM aufgeboten.
- Mit Nau.ch spricht sie über die Entwicklung des Frauenfussballs und die anstehende Saison.
Nau.ch: Stephanie Waeber, in unserem Foto-Archiv findet man Ihr zehnjähriges Ich in einer Eishockey-Vollmontur. Musstesn Sie sich zwischen zwei Karrieren entscheiden?
Stephanie Waeber: (lacht) Nein, nicht wirklich. In der Schule waren wir einmal im Monat in der Eishalle. Dann haben mich die Jungs gefragt, ob ich mit ihnen an einem Schülerturnier mitspielen will. Wir waren ziemlich gut, aber im Club habe ich nie gespielt.

Nau.ch: Aktuell befindet ihr euch mit YB im Trainingslager in Freiburg, woran wird spezifisch gearbeitet?
Waeber: Es geht primär darum, die neuen Spielerinnen ins Team zu integrieren und ihnen unsere Prinzipien zu vermitteln. Das Trainingslager dient auch der Stärkung des Teamspirits.
Nau.ch: Im Test gegen Freiburg setzte es ein 0:4 ab. Welche Lehren zieht ihr es aus diesem Spiel?
Waeber: Das Resultat widerspiegelt das Geschehene nicht wirklich, wir hatten auch unseren Chancen. Aber es hat sicher noch nicht alles wunschgemäss geklappt. Es wurde viel ausprobiert und rotiert, das Resultat ist zweitrangig.
Nau.ch: Im Mai konntet ihr euch zu Schweizer Meisterinnen krönen, wie haben Sie den Titel mit YB erlebt?
Waeber: Ich habe etwas Zeit gebraucht, um das zu realisieren. Erst als ich mir alles in den Ferien habe Revue passieren lassen, habe ich wirklich begriffen, was wir geschafft haben.
Vor allem die Art und Weise war grossartig. Auswärts beim FCZ haben wir einen 0:1-Rückstand gedreht und 3:1 gewonnen. Und dass wir dann den Titel im Penaltyschiessen im Wankdorf holen, war noch die Krönung.

Nau.ch: Über 10'000 Fans sind zu euren Spielen gekommen, wie haben Sie die Euphorie erlebt?
Waeber: Wenn ich reinlaufe und so viele Zuschauende sehe, ist das mega schön. Ich schätze es sehr, dass uns viele Leute unterstützt haben. So macht es natürlich noch viel mehr Spass. Und das noch mit dem Titel zu krönen, ist überragend.
Nau.ch: Nach dem Titel musste YB mit Luyet, Beney oder Strode schwerwiegende Abgänge verkraften. Kann man diese überhaupt kompensieren?
Waeber: Diese Spielerinnen kann man natürlich nicht eins zu eins ersetzen. Aber wir haben Spielerinnen mit viel Potenzial, die in diese Rolle wachsen können. Unser Kader ist immer noch sehr gut.
Nau.ch: Der Erwartungsdruck bei YB ist mit dem Titel gestiegen. Beeinflusst das die Zielsetzung?
Waeber: Schlussendlich kommt es auf die Playoffs an. Du kannst auch als Sechstplatzierter in den Final einziehen und den Titel holen.
Klar, wollen wir mit YB wieder um Titel spielen. Als Meisterin kann man die Ambitionen nicht runterschrauben.

Nau.ch: Befürworten Sie den Playoff-Modus?
Waeber: Es ist ein zweischneidiges Schwert: Für die Zuschauenden ist es sicher attraktiver, allerdings wird die Konstanz der Saison zu wenig belohnt. Du kannst als Quali-Sieger mit zwei schlechten Spielen im Viertelfinal ausscheiden.
Nau.ch: Sie haben YB als Kapitänin zum Titel geführt. Wie gross war die Enttäuschung über die Nicht-Nomination für die EM?
Waeber: Ich wusste von Beginn weg, dass es sehr schwierig wird. Die Chancen waren eher gering, zumal die Konkurrenz auf meiner Position riesig ist. Ich habe eine gute Saison gespielt, aber am Ende entscheidet die Trainerin. Aber es bleibt natürlich mein grosses Ziel, für die Schweizer Nati zu spielen.

Nau.ch: Wie haben Sie das Turnier miterlebt?
Waeber: Die Euphorie war sehr, sehr gross – auch dank der starken Leistungen der Nati. Die vielen Leute an den Fanmärschen haben auch mich überrascht. Die ganze Nation stand hinter einem Team, das war überragend.
Nau.ch: Welchen nachhaltigen Effekt erhoffen Sie sich davon?
Waeber: Ich hoffe, dass die Clubs mehr für den Frauenfussball machen und dass mehr Zuschauende in die Stadien kommen. Ob das wirklich der Fall sein wird, werden wir bald sehen.
Nau.ch: Können viele Spielerinnen in der Schweiz vom Fussball leben?
Waeber: In den Top-Klubs gibt es sicher ein paar Spielerinnen, die davon leben können. Aber der Lohn-Gap ist sicherlich sehr gross.

Nau.ch: Können Sie sich vorstellen, dass in Zukunft ein Grossteil der Spielerinnen in der Women's Super League vom Fussball leben kann?
Waeber: Ich hoffe es natürlich. Die WEURO 2025 kann viel bewirken in Sachen Sponsoren und Zuschauende. Aber das wird sich noch zeigen.
Nau.ch: Welche Klischees über den Frauenfussball nerven Sie am meisten?
Waeber: Dass es zu langsam sei. Dass Frauen weniger athletisch sind als Männer, ist klar. Der Vergleich ist okay, aber der Körper ist halt ein anderer. Wir haben an der EM gesehen, wie schnell und attraktiv Frauenfussball ist.
Nau.ch: Was würden Sie jungen Spielerinnen, die von einer Profi-Karriere träumen, mit auf den Weg geben?
Waeber: Am wichtigsten ist es, mit Spass und Leidenschaft dabei zu sein. Bei Misserfolgen sollte man nicht gleich den Kopf in den Sand stecken. Zudem sollte man sich immer wieder Ziele setzen und diese hartnäckig verfolgen.