Hertha-Coach Pal Dardai redet nach dem Klassenerhalt der Berliner und einer Party-Nacht mit Wein und Zigarren Klartext. Mit Big City kann er nichts anfangen. Eine erneute Degradierung bahnt sich an.
Trainer Pal Dardai (M.) führte Hertha BSC zum Klassenerhalt. Foto: Annegret Hilse/Reuters-Pool/dpa
Trainer Pal Dardai (M.) führte Hertha BSC zum Klassenerhalt. Foto: Annegret Hilse/Reuters-Pool/dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Mit der dicken Zigarre in der rechten Hand sass Pal Dardai im Garten des Luxus-Hotels im Grunewald.

Hin und wieder paffte er genüsslich eine kleine Dunstwolke in die Luft.

Nichts und niemand konnte dem Retter von Hertha BSC in diesem Moment etwas anhaben. Nach der glücklich zu Ende gebrachten Risiko-Mission Klassenerhalt mit seinem Herzensclub betrachtete der Ungar milde lächelnd die Bilder der Schaumwein-Party seiner Spieler. Erstaunlich entspannt reagierte er auf die sich anbahnende zweite Degradierung vom Chef- zum Jugendcoach der Berliner. Fast schien es, als hätte die Club-Ikone entsprechende Signale aus der Vereinsführung schon erhalten.

Entsprechend radikal fiel Dardais Saison-Abrechnung am Sonntag nach dem «schönen Männerabend» auf der Hotelterrasse mit seinem geliebten, aber vielleicht auch ein bisschen fremd gewordenen Arbeitgeber aus. «Es ist nicht böse gemeint, aber diese Big-City-Geschichte damals, ein Leben lang bleibt das bei uns ein bisschen negativ», sagte er zu dem von Geldgeber Lars Windhorst geprägten Begriff des Big City Clubs. «Ich habe hier gespielt, da habe ich nie gehört Big City. Wir sind ein deutscher Verein, in der Hauptstadt, in Berlin, für Berlin, das ist gut», sagte Dardai.

Alle Meriten hin oder her. Dardai weiss, dass die Philosophie der Mächtigen nicht zu ihm passt. «Was kann ein Trainer entscheiden?», fragte er nach dem so wichtigen 0:0 gegen den 1. FC Köln im ZDF-Interview rhetorisch. Und fügte an: «Seien wir ehrlich. Die Entscheidung kommt immer von oben.» Ganz anders als vor zwei Jahren, als er nach Platz elf seinen Chef-Job schon einmal verlor, weil die Berliner fatalerweise meinten, ohne ihn erfolgreicher nach Höherem streben zu können, scheint ihm die mögliche Abberufung diesmal nicht zu schmerzen.

Oben, da sitzt bei der Hertha in der kommenden Saison Fredi Bobic als Geschäftsführer Sport. Das findet Dardai, so sagt er, gut, weil er seinen früheren Mitspieler als Typen einfach mag. Doch Bobic ist noch in Frankfurt. Die Hertha-Trainerfrage wird sich offiziell womöglich nicht so schnell klären. Bis dahin muss auch Dardai verbal rumeiern.

Ob sein Vertrag als Chefcoach bis 2022 Gültigkeit hat oder sich doch nur bei nicht mehr erreichbaren 24 Punkten unter seiner Regie um eine Saison verlängert hätte, verriet der Retter nicht. «Wir werden bestimmt reden. Es ist nicht meine Aufgabe, mich hier anzubieten oder etwas zu machen. Ich mache meinen Job, dann werden wir sehen», sagte Dardai. Beim Party-Abend im Quarantäne-Hotel hatte er das Sagen: «Heute bin ich der Chef. Heute wird guter Wein getrunken, Zigarre geraucht. Die Mannschaft darf auch mehr machen als sonst.»

Bobic wird ein Signal setzen müssen, das für Aufbruch steht. Auch wenn eine Abberufung Dardais ihm und Geschäftsführer-Kollege Carsten Schmidt Sympathiepunkte bei den Fans kosten dürfte. Vor dem Olympiastadion trugen am Samstag einige Anhänger das blaue T-Shirt mit dem alles sagenden Slogan: «Danke, Pal!» Dardai bleibt mit seiner jovialen, herzlich-rauen Art einfach ein Relikt der alten Hertha. Diesen Eindruck verwischten weder die Bilder aus dem Grunewald noch die Treuebekenntnisse von Arne Friedrich. «Ich werde mich für ihn einsetzen», versprach der Sportdirektor.

Dardai hatte nach seinen gut vier Monaten im Amt keine Hemmungen, die Fehler der Vergangenheit zu benennen. Die Grossmannssucht mit den Investor-Millionen kam Hertha teuer zu stehen. «Wenn du so viel Geld hast und so viele Spieler holst, das kann nicht gut gehen», sagte Dardai. «Natürlich will ich Meister sein, aber eine realistische Zielsetzung ist das Wichtigste.» Aus einem Haufen Egoisten eine Mannschaft geformt zu haben, sei der schwierigste Job seiner Laufbahn gewesen.

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