SP-Stadträtinnen Keller und Allenspach: «Not kennt keine Papiere»
Die Achtung der Menschenwürde gilt für alle: Ein Gastbeitrag von den Berner SP-Stadträtinnen Barbara Keller und Lena Allenspach.

In Bern wird es wieder kälter. Für die meisten von uns bedeutet das, die dickere Jacke aus dem Schrank holen und die Heizung hochdrehen.
Für andere bedeutet es frieren. Und für einige bedeutet es Lebensgefahr.

Ausgerechnet jetzt, wo die Nächte kälter und länger werden, schliesst der Kanton Bern die Türen: Menschen ohne Aufenthaltsbewilligung sollen nicht mehr in Notschlafstellen übernachten dürfen – ausser, wenn ihr Leben akut bedroht ist. Und selbst dann nur für eine Nacht.
Ein Entscheid gegen Menschlichkeit
Notschlafstellen sind der letzte Zufluchtsort, wenn alles andere weggebrochen ist. Wer dort anklopft, kommt nicht freiwillig.
Es sind Menschen, die kein Zuhause haben, kein Geld, keine Sicherheit und kein soziales Netz. Der Entscheid des Kantons Berns zwingt nun genau diese Angebote, einige Menschen in Not abzuweisen – weil sie die «falschen Papiere» haben.
Im Berner Stadtrat hat die GLP nun gefordert, die Herkunft der Obdachlosen statistisch aufzulisten. Wer aus welchem Land kommt, wer bleiben darf, wer nicht in Notschlafstellen übernachten soll – diese Fragen gelten nicht nur Erwachsenen, sondern gemäss einer «Kleinen Anfrage» im Stadtrat auch unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden.

Was wie ein SVP-Vorstoss klingt, stammt nun aus der scheinbaren politischen Mitte und zeigt, wie sich rote Linien beginnen zu verschieben.
Mit solchen Forderungen wird suggeriert, Hilfe müsse zuerst nach Pass und Aufenthaltsrecht sortiert werden. Das ist nicht nur zynisch, es ist ein Angriff auf das Grundverständnis sozialer Arbeit: Hilfe muss niederschwellig, menschlich und bedingungslos sein.
Menschenwürde ist kein Privileg
Dabei ist der verfassungsmässige Auftrag klar: Unsere Bundesverfassung garantiert in Artikel 7 die Achtung der Menschenwürde – für alle Menschen. Und sie verpflichtet uns, niemanden im Stich zu lassen, der sich in akuter Not befindet.
«Zurückgehen» ist für viele keine reale Option. Manche kommen aus Kriegs- oder Krisengebieten, andere aus repressiven Staaten, aus Gewaltverhältnissen, aus Ausbeutung.
Wer glaubt, ein Bett in der Not zu verweigern, würde diese Menschen «abschrecken», irrt: Härte schafft einzig mehr Leid – und mehr Elend auf unseren Strassen.
Unsere Pflicht ist klar
Die Menschenrechte kennen keine Grenzen. Sie gelten für alle, die hier sind – unabhängig von Herkunft oder Aufenthaltsstatus. Wenn der Kanton sich aus der Verantwortung stiehlt, muss die Stadt handeln.
Eine soziale Stadt lässt niemanden erfrieren. Und langfristig muss der Kanton seine Ermächtigung anpassen.
Es kann nicht sein, dass Notschlafstellen gezwungen sind, Menschen nur mit Spendengeldern aufzunehmen. Das gefährdet die Stabilität der Angebote – und ist moralisch unhaltbar.
Zu den Autorinnen
Lena Allenspach (*1992) und Barbara Keller (*1993) sind beide für die SP im Berner Stadtrat.












