Bern: Obdachlose ohne Bleiberecht? Heilsarmee widerspricht SRF
Ein «Schweiz aktuell»–Bericht zu Berner Notschlafstellen sorgte für grossen Wirbel – auch in der Politik. Die Heilsarmee publizierte nun eine «Richtigstellung».

Das Wichtigste in Kürze
- 2024 waren etwa 70 Prozent der Obdachlosen im Berner Passantenheim keine Schweizer.
- Dies deckt ein Bericht der SRF-Sendung «Schweiz aktuell» diese Woche auf.
- Die Heilsarmee, die das Passantenheim betreibt, hält den Beitrag für irreführend.
- Nationalität und Aufenthaltsstatus seien dort verwechselt worden, so die Organisation.
Am Donnerstag publizierte das SRF in seiner Sendung «Schweiz aktuell» Zahlen, die es in sich hatten: Nur 29,5 Prozent der Obdachlosen, die 2024 das Berner Passantenheim aufsuchten, waren Schweizer.
Das Passantenheim ist eine von fünf Notschlafstellen in der Stadt und mit seinen 60 Betten die mit Abstand grösste.
Politisch sorgten diese Werte aus einer internen Belegungsstatistik für Wirbel. Denn: Der Kanton verlangt seit neustem, dass nur noch Menschen mit legalem Aufenthaltsstatus Betten in staatlich finanzierten Notschlafstellen bekommen sollen.
Heilsarmee: «Der von ‹Schweiz aktuell› erweckte Eindruck ist falsch!»
Nun hat sich die Betreiberin des Passantenheims, die Heilsarmee, in die Debatte eingeschaltet. Den Bericht von SRF hält die Organisation für irreführend.
«Der von ‹Schweiz aktuell› erweckte Eindruck ist falsch!», schreibt die Heilsarmee in einer Mitteilung.

Über 85 Prozent der Übernachtungen dort seien 2024 Menschen zugutegekommen, die in der Stadt und Region Bern aufenthaltsberechtigt sind.
Konkret wirft die Hilfsorganisation dem Beitrag vor, er hätte Staatsangehörigkeit mit Aufenthaltsstatus verwechselt.
«Nur bei einem kleinen Teil der Gäste im Passantenheim Bern handelt es sich um Menschen ohne gültige Aufenthaltsbewilligung.» Diese würden in akuten Notfällen für kurze Zeit aufgenommen, dies gemäss Artikel 12 der Bundesverfassung.
Ebenso wird festgehalten, dass seit Anfang 2025 die Datenerhebungen zu Bewohnerinnen und Bewohnern in der Notschlafstelle angepasst wurden.
Das SRF veröffentliche im selben Bericht noch weitere, ähnliche Zahlen. Diese betrafen die FINTA-Notschlafstelle, die sich primär an Frauen, aber etwa auch an nonbinäre oder Transgender-Personen richtet.
Hier bietet die Heilsarmee ebenso Kontra. Die genannten Werte seien «nicht aussagekräftig». Es handele sich bei der Institution um ein Pilotprojekt, welches gerade mal fünf Monate in Betrieb sei. «Belastbare Zahlen werden erst zu einem späteren Zeitpunkt vorliegen.»
Kritik kommt von der GLP
In der Berner Politik ist diese Angelegenheit längst ein Thema. Hiesige Notschlafstellen gelten als überbelegt.
Stadträtin Corina Liebi von der GLP interpretiert die Daten aus der internen Belegungsstatistik anders. Bei «Schweiz aktuell» sagt sie: «Wenn man Personengruppen in den Notschlafstellen hat, die dort eigentlich nicht hingehören, dann haben wir ein Problem.»

Aus ihrer Sicht könne die Situation nicht entschärft werden, indem die Stadt einfach nur «immer mehr Geld nachschiebt».
Die Leitern des städtischen Sozialamtes, Claudia Hänzi, erklärt dazu, dass man Schutz und Obdach in einer individuellen Notlage leiste. Sie beruft sich dabei auch auf Artikel 12 der Bundesverfassung. Das sei ein Menschenrecht und der Inhalt dessen politisch nicht verhandelbar.
Rückführung bei EU-Bürgern eigentlich möglich
Theoretisch ist bei Personen aus EU-Staaten eine Rückführung in die Heimat möglich, so Alexander Ott, Chef der Berner Fremdenpolizei. Das Sozialamt sei jedoch noch nie diesbezüglich an die Fremdenpolizei herangetreten, sagt Ott gegenüber dem Sender.
Amtsleiterin Hänzi sagt dazu bloss: «Wir haben keinen fremdenpolizeilichen Auftrag. Wir leisten Nothilfe und gewähren Schutz und Obdach.»

Wenn jemand ein Bleiberecht habe, werde im Rahmen der ausländerrechtlichen Bestimmungen gehandelt. Wenn nicht, dann gebe es die Notfallhilfe. Nochmals betont Hänzi aber in diesem Zusammenhang: «Wir haben keinen fremdenpolizeilichen Auftrag.»
Grünliberalen-Antrag scheitert klar
Die GLP forderte derweil diese Woche im Stadtparlament detailliertere Daten bezüglich Aufenthaltsdauer und Herkunft der Menschen in Notschlafstellen.
Vonseiten des Stadtrats wurde dieser Antrag jedoch deutlich abgelehnt.












