Andrea Knellwolf (Die Mitte) fordert die volle Beteiligung der Schweiz an Erasmus+. Denn die aktuelle Übergangslösung bringe viele Einschränkungen mit.
Aussenaufnahme Neubau Biozentrum
Aussenaufnahme vom Neubau des Biozentrums in Basel. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Grosse Rat von Basel-Stadt hält seine nächste Sitzung am 10. April 2024.
  • Entschieden wird unter anderem über die Einreichung einer Standesinitiative zu Erasmus+.
  • Andrea Knellwolf (Die Mitte) fordert die erneute Teilnahme am Programm.
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In der nächsten Sitzung des Grossen Rats von Basel-Stadt am 10. April wird unter anderem über das Programm Erasmus+ diskutiert. Dem Rat liegt ein Antrag auf Einreichung einer Standesinitiative zur gesicherten Teilnahme der Schweiz an Erasmus+ vor.

Das Anliegen scheint auf grosse Unterstützung zu stossen. Fina Girard (GAB), Jöel Thüring (SVP), Sandra Bothe (GLP), Michela Seggiani (SP) und Catherine Alioth (LDP) sprechen sich alle für den Antrag aus. Auch von Seiten der Mitte steht man dem Anliegen positiv gegenüber, sagt Andrea Knellwolf (Die Mitte) im Interview.

Nau.ch: Befürworten Sie eine Teilnahme der Schweiz am Erasmus+-Programm?

Andrea Knellwolf: Diese Frage kann ich mit einem klaren Ja beantworten. Die Schweiz beteiligt sich seit 2014 am Programm Erasmus+ im Status eines Drittstaates. Die aktuelle Übergangslösung bringt eine grosse Anzahl an Einschränkungen für die Universität Basel und die Fachhochschule Nordwestschweiz sowie die Berufsschulen mit und ist daher nicht zufriedenstellend.

Andrea Knellwolf Die Mitte
Andrea Knellwolf sitzt für Die Mitte im Grossen Rat von Basel-Stadt. - zVg

Zwar ermöglicht die «Schweizer Lösung» mit Bundesmitteln Mobilitäts-, Austausch- und Kooperationsaktivitäten, die mit Erasmus+ kompatibel sind. Die Nicht-Assoziierung an Erasmus+ birgt für den Schweizer Bildungs-, Forschungs- und Innovationsbereich aber Langzeitrisiken. Aufgrund der Übergangslösung verlieren die Schweizer Hochschulen an Sichtbarkeit und Einfluss auf europäischer Ebene.

Zudem ist der aktuelle Status Quo mit einem grossen administrativen Mehraufwand verbunden. Um Swissuniversities zu zitieren: «Bis 2014 hatten Schweizer Studierende ein Generalabonnement für den europäischen Austausch. Jetzt stehen wir beim Billettautomaten Schlange und müssen jedes Billett einzeln aushandeln.»

«Von wesentlicher Bedeutung für die Internationalisierung der Universität Basel»

Nau.ch: Welche Vorteile ergäben sich durch eine Zusammenarbeit für den Universitätsstandort Basel?

Knellwolf: Erasmus ist von wesentlicher Bedeutung für die Internationalisierung der Universität Basel und die Entwicklung eines internationalen Profils. Eine hohe Mobilität auf allen Bildungsstufen ist von zentraler Bedeutung in Studium, Lehre und Weiterbildung. Erasmus+ bietet die Gelegenheit, voneinander zu lernen, einander zu verstehen, Toleranz und gegenseitigen Respekt zu pflegen. Für Studierende, Lehrende und Personal der Universität Basel bietet das Programm die einzigartige Chance, fachliche Kompetenzen zu erweitern und sprachliche sowie interkulturelle Erfahrungen zu sammeln.

Erasmus+ Lehre
Nebst Studierenden würden auch Personen in Lehrberufen von Erasmus+ profitieren, sagt Andrea Knellwolf. - keystone

Zudem bildet das Erasmus-Programm mit all seinen Facetten das Herzstück des Internationalisierungsprozesses der Universität Basel. Erasmus fördert nicht nur die Mobilität, sondern auch die universitäre Zusammenarbeit. Die Universität Basel könnte sich bei einer Teilnahme der Schweiz am Erasmus-Programm dauerhaft als Mitglied an der Initiative «Europäische Hochschulen» beteiligen.

Seit 2022 ist die Universität als «assoziierte Partnerin» am Projekt der Europäischen Hochschule EPICUR beteiligt. Dieses Netzwerk von neun europäischen Universitäten bietet gemeinsame Kurse zu sozial relevanten Themen sowie innovative Unterrichtsformate an. Weiter werden mit EPICUR gemeinsame strukturelle Elemente geschaffen, die das gemeinsame Ausbildungsangebot nachhaltig erweitern.

Nau.ch: Können zum jetzigen Zeitpunkt Schätzungen zu den entstehenden Kosten abgegeben werden? Für welchen Teil müsste der Kanton Basel-Stadt aufkommen?

Knellwolf: Schätzungen zum jetzigen Zeitpunkt sind schwierig. Die Finanzierung der aktuellen Schweizer Lösung findet im Rahmen der BFI-Botschaft 2021−2024 statt. Die Förderung von internationalen Mobilitäts- und Kooperationsaktivitäten in der Bildung ist für die Periode 2021–2024 sichergestellt, unabhängig davon, ob und ab wann eine Assoziierung möglich ist.

Die weitere Finanzierung in der darauffolgenden Periode ist Teil der BFI-Botschaft 2025–2028. Bei einer Assoziierung an Erasmus+ müssten die Mittel im Rahmen einer zusätzlichen Finanzierungsbotschaft des Bundes beantragt werden.

«Die aktuelle Vorlage des Bundes ist geprägt von Budgetkürzungen»

Der Bundesrat hat Anfang Juni 2023 die Vernehmlassung zur BFI-Botschaft 2025–2028 eröffnet. Die BFI-Botschaft enthält die Finanzierung aller Massnahmen des Bundes zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation. Die aktuelle Vorlage des Bundes ist geprägt von Budgetkürzungen.

Guy Parmelin BFI
Bundesrat Guy Parmelin spricht an einer Medienkonferenz zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation 2025–2028. - keystone

Für die Qualität des Bildungssystems ist es aber unabdingbar, dass die Kantone in den gemeinsam finanzierten Bereichen auf eine solide und verlässliche Finanzierungspolitik des Bundes zählen können. Mit der 2007 eingegangenen partnerschaftlichen Trägerschaft der Universität Basel verfolgen die Regierungen des Kantons Basel-Stadt und des Kantons Basel-Landschaft das Ziel, den international hochstehenden Standard der Universität zum Wohl der gesamten Region aufrechtzuerhalten und in wesentlichen Zukunftsbereichen auszubauen.

Die internationale Kooperation ist dabei eines der erklärten Ziele. Der Hochschulbereich wird deshalb im Rahmen gemeinsamer Trägerschaften und im engen Dialog mit den Bundesbehörden gesteuert und finanziert.

«Schweizerische Mitwirkung bei Horizon Europe und Erasmus+ ist von zentraler Bedeutung»

Nau.ch: Im Antrag wird auch das Rahmenprogramm Horizon Europe erwähnt. Sollte die Schweiz Ihrer Meinung nach zum Forschungsprogramm zurückkehren?

Knellwolf: Zwischen Erasmus+ und Horizon Europe bestehen gegenseitige Verknüpfungen und wertvolle Synergien. Die Schweiz hat derzeit nur beschränkten Zugang zum weltgrössten Forschungs- und Innovationsförderprogramm Horizon Europe. Die schweizerische Mitwirkung bei Horizon Europe und Erasmus+ ist für den Bildungs- und Wirtschaftsstandort Nordwestschweiz von zentraler Bedeutung.

Dieses Programm ermöglicht Schweizer Akteurinnen und Akteuren aus Forschung und Innovation die Integration in ein kompetitives und internationales Umfeld. Gleichzeitig fördert es den Aufbau von Partnerschaften, Kooperationen und Netzwerken. Dies sind unabdingbare Voraussetzungen für Forschung und Entwicklung, von denen nicht nur Hochschulen, sondern auch Forschungsabteilungen vieler Unternehmen profitieren können.

Beerdigung Horizon 2020
Studierende beerdigen symbolisch das Forschungsabkommen Horizon 2020 vor dem Bundeshaus im Februar 2014 in Bern. (Archivbild) - keystone

Die Schweiz riskiert ihre wissenschaftliche Stärke zu verlieren, wenn sie beim europäischen Forschungs- und Innovationsförderprogramm Horizon Europe nicht assoziiert wird. Betroffen vom Ausschluss sind nicht nur arrivierte Forschende, sondern besonders die Talente, die sich überlegen, ob sie nach Basel kommen oder ihre Laufbahn in einem Land fortsetzen, das voll an Horizon Europe assoziiert ist und in dem man sich um europäisch evaluierte ERC Grants bewerben kann. Die aktuellen Übergangslösungen orientieren sich zwar so weit wie möglich an den europäischen Ausschreibungen, eine gleichwertige Mitwirkung der Schweiz ist nicht gewährleistet.

«Wirtschaftswachstum der letzten Jahre in der Region Basel ist massgeblich auf die bilateralen Abkommen zurückzuführen»

Nau.ch: Was erhoffen Sie sich künftig für die Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und Europa?

Knellwolf: Das überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum der letzten Jahre in der Region Basel und in der Schweiz ist massgeblich auf die bilateralen Abkommen zurückzuführen. Durch den freien grenzüberschreitenden Austausch von Waren und Dienstleistungen mit der EU sowie durch die einfache Rekrutierung von Fachleuten dank der Personenfreizügigkeit, konnten Produktionssteigerungen erreicht werden, die zum Konjunkturaufschwung beitrugen. Als Folge davon wurden zahlreiche neue Arbeitsplätze in der Region Basel geschaffen und bestehende gesichert.

Soll die Schweiz wieder bei Erasmus+ mitmachen?

Als kleines und offenes Land ist die Schweiz mitten in Europa eng mit seinen Nachbarn verflochten – sozial, kulturell, ökonomisch und politisch. Gefestigte Beziehungen zum wichtigsten Partner sind für die Schweiz und die Region Basel von besonderer Bedeutung. Dies wurde in jüngster Zeit deutlich und unterstreicht auch die zentrale Bedeutung geregelter institutioneller Beziehungen für die zukünftigen Beziehungen der Schweiz zur EU.

Die trinationale Grenzregion Basel kann hier einen wichtigen Beitrag zum besseren Verständnis für den Handlungsbedarf und den -möglichkeiten in den bilateralen Beziehungen Schweiz-EU leisten und zur Lösungsfindung beitragen. Auf regionaler Ebene finden die europäischen Themen und Herausforderungen grenzüberschreitend im Alltag statt, es werden hierzu am Oberrhein pragmatische Lösungen gesucht und konkrete Projekte realisiert.

Für die Bevölkerung in der Schweiz sind geregelte Beziehungen und Rechtssicherheit im Verhältnis mit der EU von essenzieller Bedeutung. Wie die Schweiz ihr Verhältnis zu Europa gestaltet, ist eine der wichtigsten politischen Fragen, die wir in den nächsten Jahren klären müssen. Ich erhoffe mir daher einen breit abgestützten, konstruktiven Dialog in der Schweiz zur Frage zukunftsfähiger und nachhaltiger Beziehungen zur EU.

Zur Person: Andrea Knellwolf (57) ist für die Mitte im Grossen Rat von Basel-Stadt tätig. Sie arbeitet als Zuständige für Community Relations und wohnt in Basel.

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