Sicherheitskonferenz offenbart Entfremdung zwischen Europa und den USA

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Deutschland,

Die Sicherheitskonferenz in München hat die Entfremdung zwischen den USA und Europa deutlich zutage treten lassen.

Pence und Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz
Pence und Merkel auf der Münchner Sicherheitskonferenz - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Bündnispartner bei zahlreichen wichtigen politischen Fragen über Kreuz.

Zwar legten die Verbündeten am Samstag auf der Konferenz Bekenntnisse zur Nato und zur weiteren transatlantischen Zusammenarbeit ab. Doch offenbarten sich Meinungsverschiedenheiten in beinahe allen wichtigen politischen Fragen - von der Sicherheits- und Verteidigungspolitik bis hin zur Handels- und Energiepolitik.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach die Differenzen mit den USA in ihrer Rede offen an. Sie erwähnte die drohenden Sonderzölle auf Importautos, den einseitigen Rückzug der USA aus Syrien und die Kündigung des Atomabkommens mit dem Iran. Merkel warnte vor einem Zerfall der multilateralen Staatenordnung: Diese müsse reformiert werden, «aber ich glaube, wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen.»

Besonders deutlich wurde die transatlantische Entfremdung beim Streit um das deutsch-russische Pipeline-Projekt Nord Stream 2. US-Vizepräsident Mike Pence richtete eine offene Warnung an Deutschland: «Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen.»

Weiter sagte Pence: «Wir danken allen unseren europäischen Partnern, die sich klar gegen Nord Stream 2 positioniert haben, und rufen die anderen auf, dies ebenfalls zu tun» - eine direkte Spitze gegen Deutschland. In einem bilateralen Treffen mit Merkel wiederholte Pence später nach eigenen Angaben seine «Bedenken» gegen Nord Stream 2.

Merkel verteidigte hingegen das deutsch-russische Projekt: «Es ist richtig und wichtig, dass Europa in gewisser Weise die Hoheit über seine Gasversorgung und die Diversität seiner Gasversorgung behält.» Sie hielte es für falsch, «bewusst Russland auszuschliessen». Geostrategisch könne Europa kein Interesse daran haben, alle Beziehungen nach Russland zu kappen.

Wenn es künftig «bezahlbar» sei, spreche alles dafür, «dass wir auch amerikanisches Gas kaufen», sagte Merkel. Dies sei bis vor kurzem noch gar nicht möglich gewesen. Sie bezog sich damit auf den möglichen Export von Flüssiggas (LNG) aus den USA.

US-Präsident Donald Trump kritisiert seit Monaten den Ausbau der Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland und droht sogar mit Sanktionen. Die Pipeline-Gegner warnen vor einer noch grösseren Abhängigkeit von russischen Gaslieferungen.

Streit gibt es auch weiter bei der Nato-Lastenverteilung. Pence wiederholte in seiner Münchner Rede die Forderung der USA nach höheren Verteidigungsausgaben der Nato-Partner. Zum Ärger Trumps liegen viele europäische Staaten trotz verstärkter Bemühungen, darunter auch Deutschlands, weit unter dieser Zielmarke.

Bekenntnisse zur Nato zogen sich durch nahezu alle Redebeiträge von Frankreichs Aussenminister Jean-Yves Le Drian über Grossbritanniens Verteidigungsminister Gavin Williamson und Polens Aussenminister Jacek Czaputowicz am Freitag bis hin zu Merkel, die die Nato als «Stabilitätsanker in stürmischen Zeiten» bezeichnete.

Merkel wurde für ihre Rede im Plenum mit Ovationen bedacht. In scharfem Kontrast dazu stand die Stille am Freitagabend, als Pence bei einer Preisverleihung im Bayerischen Landtag die Grüsse Trumps überbrachte.

Dissens gab es auch in der Syrien- und Iran-Politik: Zwar verfolgten die USA und Europa in der Region das gleiche Ziel - nämlich «die schädlichen Wirkungen des Iran einzudämmen», sagte Merkel. Der angekündigte einseitige US-Abzug aus Syrien sowie Washingtons Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran drohe aber genau das Gegenteil zu erreichen.

Ähnlich verwundert äusserte sich Le Drian. Es bleibe ein «Geheimnis», weshalb Washington in Syrien ein Machtvakuum zulassen wolle, das ausgerechnet der Iran füllen könnte.

Pence' Kritik an den Bemühungen Deutschlands, Frankreichs und Grossbritanniens das Atomabkommen zu retten, stiess ebenfalls auf Widerspruch. Der Vizepräsident hatte die Europäer aufgefordert, das Abkommen aufzugeben.

Merkel erteilte den US-Forderungen eine Abfuhr in Frageform: Ob es hilfreich sei, «das einzige noch bestehende Abkommen aufzukündigen»? «Oder helfen wir der Sache mehr, wenn wir den kleinen Anker, den wir noch haben, halten und daraus vielleicht auf anderen Gebieten Druck zu machen?»

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