Neuer CSU-Vorstoss zur Wahlrechtsreform verärgert die Opposition
Im seit Monaten andauernden Streit um die Wahlrechtsreform kommt ein neuer Vorstoss aus der CSU.

Das Wichtigste in Kürze
- Obergrenze von 690 Bundestagsabgeordneten vorgeschlagen.
Der CSU-Politiker Michael Frieser sprach sich in der «Rheinischen Post» für eine Obergrenze von 690 Bundestagsabgeordneten aus, lehnte es aber ab, darüber hinaus gehende Direktmandate wegfallen zu lassen. Aus der Opposition kam prompt Gegenwehr: Die Grünen nannten den Vorschlag «dreist», die FDP warf der CSU «Verschleierungstaktik» vor.
Die Bundestagsfraktionen ringen seit vielen Monaten um eine Reform des Wahlrechts. Während von FDP, Grünen und Linken seit Langem ein gemeinsamer Reformvorschlag vorliegt, mit dem die Zahl der Wahlkreise verringert würde, gibt es in der Koalition bisher keine gemeinsame Linie.
Ziel der Reformbemühungen ist es, dass der Bundestag mit derzeit bereits 709 Abgeordneten nach der nächsten Wahl nicht noch grösser wird. Als Regelgrösse sind eigentlich nur 598 Abgeordnete vorgesehen. Die viel höhere Zahl kommt durch die Überhangmandate zustande, die Parteien bekommen, wenn sie mehr Direktmandate erringen - und durch Ausgleichsmandate, die im Gegenzug die anderen Parteien bekommen.
Die SPD schlug zuletzt vor, die Regelgrösse bei 598 Abgeordneten zu belassen, die Maximalgrösse aber auf 690 festzulegen. Darüberhinaus gehende Überhangmandate sollten nicht mehr berücksichtigt werden. Die CSU und Teile der CDU wollten dagegen eine Maximalgrösse von 598. Weil auf Überhang- und Ausgleichsmandate verzichtet würde, würden jene Parteien profitieren, die viele Direktmandate erringen - derzeit die Unionsparteien.
«Ein denkbarer Kompromiss wäre, sich auf eine Grenze von beispielsweise 690 Abgeordneten zu einigen», sagte nun der CSU-Politiker Frieser der «Rheinischen Post» vom Samstag. Das SPD-Modell, wobei Direktmandate unter Umständen keine Berücksichtigung fänden, würde laut dem Justiziar der Unionsfraktion aber «das Wahlrecht pervertieren» und der Verfassung widersprechen. «Wir wollen alle Sitze jenseits einer Grenze anteilig auf die Parteien verteilen und von deren Sitzzahl wieder abziehen.»
Aus der Opposition kam scharfer Widerspruch. «Das ist kein ernstzunehmender Vorschlag für eine Wahlrechtsreform», sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Hasselmann, der Nachrichtenagentur AFP. «Er ist nicht verfassungsgemäss und würde zu erheblichen Verzerrungen des Zweitstimmenergebnis einer Bundestagswahl führen.»
Hasselmann warf den Christsozialen vor, eigennützig zu denken. «Erst blockiert die CSU monatelang jede Wahlrechtsreform, um dann einen Vorschlag zu machen, bei dem sie der Profiteur eines solchen Vorschlags wäre», sagte sie AFP. «So dreist muss man erstmal sein.»
Der parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, nimmt den Vorschlag ebenfalls nicht ernst. «Solange kein konkreter Entwurf auf dem Tisch liegt, halte ich das für eine blosse rhetorische Verschleierungstaktik», sagte er AFP. «Immerhin hat die CSU bislang jede faire Lösung zur Vermeidung eines XXL-Bundestags blockiert.»
Buschmann betonte, dass die Zeit dränge: «Die Aufgabe von Union und SPD ist es, so schnell wie möglich einen konkreten Gesetzentwurf vorzulegen, so wie wir es längst getan haben. Denn das Zeitfenster für eine Wahlrechtsreform ist fast schon zu.»