Prognose für Eigenmietwert-Abstimmung ist komplex
Soll der Eigenmietwert weiter bestehen? Darüber entscheidet die Schweiz am 28. September. Eine Prognose der Abstimmung ist äusserst komplex.

Das Wichtigste in Kürze
- Die Schweiz stimmt am 28. September über die Abschaffung des Eigenmietwerts ab.
- Wie die Abstimmung ausgeht, kann kaum prognostiziert werden.
- Ausschlaggebend wird wohl sein, wie viele Gegner der Abschaffung sich mobilisieren lassen.
Am 28. September stimmt die Schweiz über die Abschaffung des Eigenmietwerts ab. Es ist eine Abstimmung, die im Interesse vieler Wohneigentümer liegt: Schliesslich können die meisten von ihnen stark profitieren.
Wird der Eigenmietwert abgeschafft, so entfallen Steuern für Personen mit Eigenheim. Diese insgesamt etwa 1,8 Milliarden Franken müssten neu durch die gesamte Schweizer Bevölkerung kompensiert werden. Die Steuern werden also von Wohneigentümern auf Mieter umgelagert.
Obwohl die Wohneigentümer in der Schweiz mit 35,8 Prozent die Minderheit der Haushalte stellen, dürfte die Abstimmung knapp werden. Nicht nur sind nicht alle Mieter stimmberechtigt: Sie zeigen grundsätzlich auch eine niedrigere Stimmbeteiligung.
Eigenheimbesitzer engagieren sich politisch mehr
«Wohneigentümer sind an der Urne eine Macht», bestätigt Raiffeisen Chef-Ökonom Fredy Hasenmaile dem «Tagesanzeiger». Das zeigen auch Berechnungen von Raiffeisen beruhend auf Umfragedaten aus den Vox-Analysen.
Demnach sollen in den letzten fünf Jahren rund 58 Prozent der Wohneigentümer an den Abstimmungen teilgenommen haben. Die Stimmbeteiligung lag damit deutlich höher als in der Gesamtbevölkerung, wo sie nur 49 Prozent betrug.
Grund dafür ist wohl, dass sich Eigenheimbesitzer und Personengruppen mit einer hohen Stimmbeteiligung häufig überschneiden. Eigenheimbesitzer sind oft ältere Personen, genossen meist bessere Bildung und ziehen weniger um: Umstände, die zu einem grösseren politischen Engagement führen.
Hinzu kommt: Auch wenn theoretisch 64,2 Prozent der Haushalte in der Schweiz Mieter sind – nicht alle von ihnen sind auch stimmberechtigt.
So sind gerade Ausländer deutlich öfter Mietende als Besitzer eines Eigenheims. Sei es, weil sie nicht planen langfristig zu bleiben oder weil sie schlechtere Karten beim Erwerb eines Eigenheims haben. Ausserdem werden viele Eigenheime vererbt und kommen somit gar nie auf den Markt.
Ausreisser auf beiden Seiten wahrscheinlich
Es sind jedoch auch Kräfte im Spiel, die für eine Durchsetzung der Mieterinteressen sprechen: Etwa sind in den Kantonsregierungen von Bergregionen viele gegen einen Systemwechsel, da sie Steuerausfälle befürchten.
Möglicherweise wird dies die Stimmabgabe der Ansässigen beeinflussen, so Politgeograf Michael Hermann.
Ausserdem werden laut den Raiffeisen-Ökonomen nicht alle Eigenheimbesitzer geschlossen für die Abschaffung des Eigenmietwerts stimmen. Denn: Einige Eigentümer profitieren nur wenig oder sogar gar nicht von einer Abschaffung. Hinzu kommen moralische Beweggründe.
Ähnlich wird es aber wohl auch auf Seiten der Mietenden Ausreisser geben. So beispielsweise Personen, die zukünftig ein Eigenheim erwerben möchten oder erben werden.
Befürworter von Eigenmietwert müssen für einen Sieg «aufgeschreckt» werden
Am 28. September dürfte das Engagement der Eigentümer noch verstärkt werden: Schliesslich sind sie direkt von den Änderungen betroffen – den Mietenden trifft das Abstimmungsergebnis nur indirekt.
«Wenn die anderen nicht aufgeschreckt werden», könnten die Wohneigentümer durchaus gewinnen, meint Hermann gegenüber dem «Tagesanzeiger». «Es kann sein, dass sich der ältere Mittelstand wie bei der 13. AHV-Rente etwas gönnt, auch wenn es viele nicht nötig haben.»
Würden jedoch die Mietenden, die Bergregionen und die Baubranche in einem emotionalen Abstimmungskampf mobilisiert, so sei ein «Nein» wahrscheinlicher.