Merkel will EU in Ratspräsidentschaft nach innen und aussen stärken

Das Wichtigste in Kürze
- Kanzlerin mahnt Westbindung an: «Wir sind nicht neutral».
Die Folgen der Pandemie würden die «gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik auf unbestimmte Zeit massgeblich prägen», sagte Merkel am Mittwoch in einer aussenpolitischen Grundsatzrede in Berlin. Deutschland wolle dazu beitragen, dass Europa «nach innen gestärkt» werde und «nach aussen als Stabilitätsanker» fungieren könne.
In der Aussen- und Sicherheitspolitik sieht Merkel die EU vor der Aufgabe, mehr Eigenständigkeit bei gleichzeitiger Verankerung im westlichen Bündnis zu entwickeln. «Wir sollten nie vergessen, dass Europa nicht neutral ist», sagte die Kanzlerin. Wenn Europa «seine Werte auf der Welt behaupten» wolle, müsse es sein «Schicksal in die eigenen Hände nehmen und als verlässlicher Partner der westlichen Interessengemeinschaft agieren», mahnte die Kanzlerin.
Offen sprach Merkel die Schwierigkeiten im Verhältnis zu den USA unter Präsident Donald Trump an - und legte zugleich ein Bekenntnis zur transatlantischen Freundschaft ab: Die Vereinigten Staaten seien «der wichtigste Partner Europas», sagte sie. Zwar sei die Zusammenarbeit «derzeit schwieriger, als wir uns das wünschen würden» - etwa in der Klima- und Handelspolitik und in internationalen Organisationen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie.
Sie sei aber «zutiefst überzeugt», dass die transatlantischen Beziehungen ein «zentraler tragender Pfeiler unserer Aussen- und Sicherheitspolitik» seien, sagte Merkel weiter. «Diesen Pfeiler nicht nur zu erhalten, sondern auch zu stärken, ist in unserem ureigensten Interesse». Europa brauche «Partner und Verbündete», um mit «gemeinsamen Kräften» den Herausforderungen der Zeit gerecht zu werden.
Unverhohlene Kritik übte Merkel an Russland. Dieses habe in der Aussenpolitik «fundamentale Regeln des Rechts verletzt», kritisierte die Kanzlerin. Als Beispiele nannte sie die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim und die russische Unterstützung für die «Marionettenregime» in den abtrünnigen Gebieten der Ostukraine. Wenn hier weiterhin Fortschritte aus den Minsker Friedensvereinbarungen ausblieben, müsse Europa seine Sanktionen aufrecht erhalten, warnte Merkel.
Grundlage für bessere Beziehungen zu Russland könne nur «das Verständnis dafür sein, dass in den internationalen Beziehungen nicht das Recht des Stärkeren gilt, sondern die Stärke des Rechts». Russland müsse ein Bekenntnis abgelegen zu gemeinsamen Leitlinien wie der Schlussakte von Helsinki und der Europäischen Menschenrechtskonvention. «Diesen Kanon hat Russland wiederholt verletzt.»
Merkel hielt ihre Rede auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung. Wegen der Coronapandemie sprach sie per Videoschaltung. Deutschland tritt seine halbjährige EU-Ratspräsidentschaft am 1. Juli an.
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