Kräftemessen zwischen Paschinjan und der Opposition in Armenien

Das Wichtigste in Kürze
- Neue Proteste von Regierungsgegnern in Eriwan.
Mehrere tausend Menschen beteiligten sich am Freitag an Demonstrationen, bei denen der Rücktritt Paschinjans gefordert wurde, weil ihm die Niederlage im jüngst ausgetragenen Krieg gegen Aserbaidschan zur Last gelegt wird. Der frühere Regierungschef Wasgen Manukian rief die Armenier auf, sich den Protesten anzuschliessen.
Am Donnerstag war ein offener Machtkampf zwischen der Regierung und dem Militär ausgebrochen, nachdem Paschinjan den Streitkräften einen Putschversuch vorgeworfen hatte. Zehntausende seiner Anhänger gingen daraufhin auf die Strasse, auch die Opposition mobilisierte tausende Anhänger. Nachdem sie über Nacht vor dem Parlament campiert hatten, zogen die Regierungsgegner am Freitag mit armenischen Flaggen durch die Strassen.
«Das Volk muss auf die Strasse gehen und seinen Willen äussern, damit Blutvergiessen verhindert wird», sagte der frühere Regierungschef Manukian, den die Opposition sich als Nachfolger Paschinjans wünscht. «Entweder wir werden sie los», fügte Manukian unter Hinweis auf Paschinjan und seine Verbündeten hinzu, «oder wir werden Armenien verlieren».
An den Demonstrationen der Opposition beteiligte sich der 68-jährige Grigor Airapetjan, nach dessen Ansicht «die Zeit von Nikol abgelaufen ist». Er verwies darauf, dass in dem Krieg gegen Aserbaidschan «viele junge Leute» getötet worden seien und dass «die Souveränität des Landes geschwächt» worden sei. Die 32-jährige Astghik Manukian fragte, wer in Zukunft ein Land respektieren werde, «dessen Führer kapituliert hat und öffentlich beleidigt wurde».
Paschinjan hat sich einerseits zu Gesprächen mit der Opposition bereit gezeigt, andererseits aber mit der Festnahme all jener gedroht, die Gesetze verletzen. Frankreich forderte beide Seiten am Freitag zum Dialog auf. Regierung und Opposition müssten die Demokratie erhalten, erklärte der französische Aussenminister Jean-Yves Le Drian.
Paschinjan steht wegen des im November vereinbarten Waffenstillstandsabkommen mit Aserbaidschan seit Wochen in der Kritik. Das Abkommen zwischen den verfeindeten Nachbarstaaten beendete die mehrwöchigen schweren Kämpfe in der Kaukasusregion Berg-Karabach, hatte für Armenien aber bedeutende Gebietsverluste zur Folge. Während der Kämpfe wurden nach Angaben beider Seiten etwa 6000 Menschen getötet.
Die Armee hatte Paschinjan aufgefordert, dem Waffenstillstandsabkommen zuzustimmen. Armenien büsste die Stadt Schuscha ein. Paschinjan hatte die militärische Niederlage zuletzt auf die Ineffizienz des russischen Raketenabwehrsystems Iskander zurückgeführt. Daraufhin erklärte die Militärführung, er sei «nicht mehr in der Lage, die erforderlichen Entscheidungen zu treffen». Paschinjan hielt dem bei der Demonstration seiner Anhänger mit einem Megaphon in der Hand entgegen, die Armee müsse «dem Volk und der gewählten Regierung gehorchen».