Nach der von Wahlbetrugsvorwürfen begleiteten Parlamentswahl in Kirgistan haben Demonstranten den Regierungssitz in Bischkek besetzt.
Protest gegen das Ergebnis der Parlamentswahl in Bischkek
Protest gegen das Ergebnis der Parlamentswahl in Bischkek - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • In Kirgistan haben Demonstranten offenbar den Regierungssitz gestürmt.
  • Die Protest-Teilnehmer befreiten zudem Ex-Staatschef Atambajew aus dem Gefängnis.

Die kirgisische Sektion des US-Senders Radio Free Europe veröffentlichte am Dienstag auf ihrer Website Fotos, auf denen Protest-Teilnehmer im Haupt-Regierungsgebäude zu sehen waren. Kritikern von Präsident Sooronbai Scheenbekow gelang es nach Augenzeugen-Angaben zudem, den inhaftierten Ex-Staatschef Alsambek Atambajew aus dem Gefängnis zu befreien.

Ein Aktivist, der an der Besetzung des Regierungssitzes beteiligt war, sagte der Nachrichtenagentur AFP, rund 2000 Demonstranten hätten die Barrieren zu dem Gebäude überwunden, in dem das Parlament und die Präsidentschaftsverwaltung ihren Sitz haben.

«Niemand hat versucht, es zu schützen, als die Menge eingedrungen ist», sagte der Augenzeuge. Bevor die Demonstranten das Gebäude betreten hätten, hätten sie die Nationalhymne gesungen.

Demonstranten befreien Ex-Präsident

Nach der Besetzung des Haupt-Regierungsgebäudes gelang es Demonstranten nach Augenzeugen-Berichten auch, das Gebäude des Komitees für nationale Sicherheit zu stürmen, in dem Ex-Präsident Atambajew eine elfjährige Haftstrafe wegen Korruption und Verbindungen zur Mafia absass.

Der Aktivist Adil Turdukow sagte AFP, regierungskritische Protest-Teilnehmer hätten Atambajew «ohne Gewalt und ohne Nutzung von Waffen» aus seiner Zelle befreit.

Atambajew war von 2011 bis 2017 Präsident. Nach seiner Festnahme im August vergangenen Jahres hatte es heftige Ausschreitungen in Kirgistan gegeben. Anhänger Atambajews kritisierten das Vorgehen gegen den Ex-Präsidenten als politisch motiviert.

Schwere Zusammenstösse in Bischkek

Auch am Montagabend hatte es in Bischkek schwere Zusammenstösse zwischen Demonstranten und Polizisten gegeben. Einen Protest am Ala-Too-Platz lösten die Sicherheitskräfte gewaltsam auf. Die Beamten setzten Schall- und Blendgranaten sowie Tränengas gegen die Demonstranten ein, die Scheenbekows Rücktritt forderten.

Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden mindestens 120 Menschen verletzt, etwa die Hälfte von ihnen Sicherheitskräfte. Die Oppositionspartei Ata Meken teilte mit, auch Oppositionsführer Schanar Akajew sei durch ein Gummigeschoss verletzt worden.

Die wichtigen Oppositionsparteien Bir Bol und Ata Meken waren bei der Parlamentswahl am Sonntag laut der zentralen Wahlkommission an der Sieben-Prozent-Hürde gescheitert. Sie warfen Scheenbekow unehrliche Wahlen vor und riefen zum Protest auf. Geschafft hatten den Einzug ins Parlament vier Parteien, von denen drei Scheenbekow nahestehen.

«Glaubwürdige» Berichte über Stimmenkauf

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa sprach von «glaubwürdigen» Berichten über Stimmenkauf. Zugleich erklärten die Wahlbeobachter, die Abstimmung sei gut organisiert gewesen. Zudem hätten die Kandidaten einen fairen Wahlkampf führen können.

Das überwiegend muslimische Kirgistan mit seinen sechs Millionen Einwohnern gilt als das demokratischste Land in Zentralasien, zugleich aber auch als politisch besonders instabil.

Ausschreitungen nach Parlamentswahl in Kirgistan
Bereitschaftspolizei zerstreut Demonstranten während einer Kundgebung gegen die Ergebnisse einer Parlamentsabstimmung. Nach der Parlamentswahl in dem zentralasiatischen Land Kirgistan ist es zu Ausschreitungen mit der Polizei gekommen. - dpa

Der Ala-Too-Platz war in der Vergangenheit Schauplatz politischer Auseinandersetzungen, die in den Jahren 2005 und 2010 zum Sturz von zwei autoritären Präsidenten führten. Am Montag hatte ein Oppositionspolitiker den Demonstranten zugerufen, er werde «20'000 bis 30'000 Menschen versammeln», um die Regierung «friedlich zu stürzen».

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