Britische Opposition einigt sich auf gemeinsames Vorgehen gegen «No Deal»-Brexit
In Grossbritannien wächst der Druck auf Premierminister Boris Johnson und gegen einen Brexit ohne Abkommen mit der EU. Sechs Oppositionsparteien brachten bei einem Treffen am Dienstag ihre Entschlossenheit zum Ausdruck, einen EU-Austritt ohne entsprechendes Abkommen auf jeden Fall zu verhindern.

Das Wichtigste in Kürze
- Brexit-Parteichef Farage drängt Premier Johnson zu «klarem Schnitt».
Sie hätten «produktive und detaillierte» Gespräche geführt, teilten die Parteichefs in einer gemeinsamen Erklärung mit. Der Chef der EU-feindlichen Brexit-Partei, Nigel Farage, fordert von Johnson hingegen einen «klaren Schnitt» und einen EU-Ausstieg ohne Abkommen.
Die Teilnehmer des Oppositionstreffens stimmten in der Dringlichkeit überein, gemeinsam «praktische Wege» zur Verhinderung eines «No-Deals» zu finden, «darunter mögliche Gesetzesvorhaben und ein Misstrauensvotum», hiess es in der gemeinsamen Erklärung. Die sozialdemokratische Labour-Partei, die Schottische Nationalpartei, die Liberaldemokraten, die Wales-Partei Plaid Cymru, die Grünen und die EU-freundliche Change UK einigten sich zudem darauf, weitere Treffen abzuhalten.
Labour-Chef und Oppositionsführer Jeremy Corbyn hat für nächste Woche ein Misstrauensvotum gegen Johnson angekündigt. Er werde «alles Notwendige» tun, um einen EU-Austritt ohne Abkommen zu verhindern, schrieb er am Dienstag in einem Gastbeitrag im «Independent». Der Regierungschef «schmeichele» sich bei US-Präsident Donald Trump ein, um ein Freihandelsabkommen nach dem Brexit abzusichern.
«Ein Brexit ohne Abkommen ist in Wirklichkeit ein Brexit mit Trump-Abkommen», warnte Corbyn. Ein solcher Vertrag werde «nicht die Souveränität zurückbringen, sondern uns der Gnade Trumps und grosser US-Unternehmen ausliefern».
Andere Teile der britischen Opposition bevorzugen eine Gesetzesinitiative, nach der die Regierung Brüssel um eine erneute Verschiebung des bisher für den 31. Oktober vorgesehenen Brexit bitten müsste. Die Chefin der Liberaldemokraten, Jo Swinson, sagte dem Sender BBC nach dem Treffen, es sei nicht diskutiert worden, wer eine mögliche Interimsregierung leiten würde. Sie bestand aber darauf, dass es nicht Corbyn sein könne.
Premierminister Johnson telefonierte am Dienstag mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, ohne dass sich beide Seiten annäherten. Eine britische Regierungssprecherin sagte, Johnson habe betont, dass es ohne eine Änderung an der umstrittenen Grenzregelung für Nordirland kein Brexit-Abkommen geben werde.
Juncker bekräftigte nach Angaben der EU-Kommission seinen Standpunkt, dass Änderungsvorschläge mit dem ausgehandelten Vertrag «kompatibel» sein müssten. Johnsons EU-Beauftragter David Frost reist am Mittwoch zu Gesprächen über ein mögliches Abkommen nach Brüssel, wie eine EU-Sprecherin mitteilte.
Die britische Politik ist nach wie vor tief gespalten, ob und wie Grossbritannien die EU verlassen soll. Brexit-Parteichef Farage drängte Johnson zu einem EU-Austritt des Landes ohne Abkommen. Vor Parteimitgliedern in London sagte er mit Blick auf die nächsten Parlamentswahlen, sollte Johnson auf einem Austrittsvertrag bestehen, «werden wir mit Ihnen um jeden einzelnen Sitz kämpfen».
Farage, einer der führende Köpfe hinter der Brexit-Kampagne vor dem Referendum 2016, warnte Johnson vor Verhandlungen mit Brüssel und forderte einen «Brexit des klaren Schnitts». Der einzige Weg für die konservativen Tories, eine Wahl zu gewinnen, sei «mit unserer Unterstützung», mahnte Farage. «Wir könnten ihre schlimmsten Feinde oder ihr bester Freund sein.»
Das britische Parlament kommt nächste Woche erstmals nach der Sommerpause wieder zusammen. Johnsons Tories verfügen im Unterhaus nur über eine hauchdünne Mehrheit von einer Stimme. Gegen mögliche Pläne für eine Suspendierung des Parlaments durch den Premierminister formierte sich am Dienstag Widerstand im Unterhaus. Rund 160 Abgeordnete unterzeichneten eine Erklärung, in der sie Johnson vor der Umgehung des Unterhauses warnten. Ein solcher Schritt würde eine «historische Verfassungskrise» auslösen, warnten sie.
Johnson hat angekündigt, sein Land zum 31. Oktober notfalls auch ohne Austrittsabkommen mit Brüssel aus der EU zu führen. Im Falle eines ungeregelten Brexit werden massive Auswirkungen auf Handel, Verkehr und Versorgung befürchtet.