Die EU kann schwere Menschenrechtsverletzungen fortan weltweit leichter mit Sanktionen ahnden.
Flaggen vor dem EU-Parlament
Flaggen vor dem EU-Parlament - AFP
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Das Wichtigste in Kürze

  • Neuer Sanktionsrahmen beschlossen - Asselborn sieht auch «Warnung» an Türkei.

Europas Aussenminister beschlossen am Montag einen neuen Sanktionsrahmen, der unter anderem in Fällen von Folter, Sklaverei oder bei der systematischen Einschränkung der Versammlungs- und Meinungsfreiheit greifen kann. Verantwortliche würden demnach mit Einreiseverboten und dem Einfrieren ihrer Vermögen in der EU bestraft. Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn sah darin auch eine «Warnung» an die Türkei.

Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) begrüsste den Schritt. Wer foltere oder für Menschenhandel verantwortlich sei, «soll künftig nicht mehr sorgenlos in Europa shoppen gehen können», sagte er in Brüssel.

Nach dem Beschluss können auch Gelder von Firmen, Organisationen oder sonstigen Einrichtungen eingefroren werden. Zudem sind Firmen in der EU Geschäfte mit ihnen untersagt. Der neue Sanktionsrahmen tritt am Dienstag in Kraft.

Die EU kann Menschenrechtsverletzungen bereits jetzt ahnden. Dies erfolgt aber im Rahmen von Sanktionen, die wegen Krisen oder Konflikten verhängt werden, etwa in der Ukraine-Krise.

Der neue Rechtsrahmen soll die Beschlussfassung vereinfachen und beschleunigen. Die EU hatte aus ähnlichen Gründen bereits im Jahr 2018 einen eigenen Strafrahmen gegen die Entwicklung, Verbreitung und den Einsatz von Chemiewaffen geschaffen. Im vergangenen Jahr kam ein eigenes Sanktionsregime zu Cyberangriffen hinzu.

Bei Menschenrechtsverletzungen werden nun in der im EU-Amtsblatt veröffentlichten Verordnung die Tatbestände Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Folter, Sklaverei, aussergerichtliche Hinrichtungen, das Verschwindenlassen von Menschen und willkürliche Festnahmen aufgeführt. Wenn sie «weit verbreitet» oder «systematisch» sind, sollen auch Menschenhandel, geschlechterspezifische Gewalt, die Verletzung des Versammlungsrechts oder des Rechts auf Meinungs- oder Religionsfreiheit geahndet werden können.

Asselborn verwies bei der Türkei als ein Beispiel «unter vielen» auf das Vorgehen der «Regierungsjustiz» gegen Menschenrechtsanwälte. Diese würden als Terroristen verfolgt, verhaftet und zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. «Das muss aufhören.» Er hoffe, dass das neue Sanktionsregime dazu beitragen könne.

Von Diplomaten hiess es, erste Verantwortliche könnten «im ersten Quartal 2021» auf die EU-Sanktionsliste gesetzt werden. Diskutiert wird in Brüssel auch über die Möglichkeit, das neue Sanktionsregime im Fall des chinesischen Vorgehens gegen die Demokratiebewegung in Hongkong einzusetzen. Ob es dazu kommt, ist offen. Jedem Sanktionsbeschluss müssen alle 27 Mitgliedstaaten zustimmen.

Der EU-Aussenbeauftragte Josep Borrell hatte den neuen Rechtsrahmen zu Menschenrechten auch als Gegenstück zu einem US-Gesetz angekündigt, das als Reaktion auf den Tod des Wirtschaftsprüfers Sergej Magnizki in russischer Haft geschaffen worden war. Magnizki war laut seinem Arbeitgeber, einer westlichen Investment-Firma, während der Untersuchungshaft schwer misshandelt worden. Die USA schufen daraufhin ein Gesetz, das die weltweite Sanktionierung von Menschenrechtsverstössen ermöglicht.

Der neue EU-Sanktionsrahmen gilt zunächst für drei Jahre. Danach muss er verlängert werden.

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