Streit und Chaos statt neuer Harmonie: Der Bundesparteitag der AfD ist inmitten bitterer Auseinandersetzungen vorzeitig beendet worden.
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Das Wichtigste in Kürze

  • Parteichef Chrupalla: Nerven liegen «ein bisschen blank».

Die Delegierten zeigten am Sonntag der erst am Vortag gewählten Doppelspitze aus Tino Chrupalla und Alice Weidel die Grenzen ihrer Macht auf: In einer Debatte um eine Europa-Resolution verweigerten sie sich lange den Vorschlägen des Spitzen-Duos, ehe sie den Text schliesslich doch wie von Chrupalla gewünscht an den Bundesvorstand überwiesen.

Die Hoffnung vieler Parteianhänger auf eine Konsolidierung der AfD nach langem internen Streit erfüllte sich auf dem Parteitag nicht. Stattdessen gingen die Delegierten im Streit auseinander: Angesichts der aufgeheizten Stimmung im Saal beantragte ein Delegierter am späten Nachmittag die Beendigung des Parteitags - 55,65 Prozent der Delegierten stimmten zu. Mehrere richtungsweisende Vorlagen für die Neustrukturierung und inhaltliche Positionierung blieben dadurch liegen.

Chrupalla sprach von einem «sehr kontroversen Tag». Er hoffe dennoch, dass die AfD nach der Neuwahl ihrer Spitze ein «Aufbruchssignal» nach aussen tragen könne. Es sei «klar, dass nach drei Tagen die Nerven ein bisschen blank liegen», sagte er. Daraus könne aber «kein Skandal» gemacht werden.

Der Streit hatte sich an einer EU-kritischen Resolution unter dem Titel «Europa neu denken» entzündet. Besonders scharf wurde vor allem von Delegierten aus dem Westen kritisiert, dass der Antrag eine Annäherung an Russland fordert, ohne den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine zu erwähnen. In der Vorlage war lediglich von einem «Ukraine-Konflikt» die Rede.

AfD-Rechtsaussen Björn Höcke warb für den Text; Weidel und Chrupalla plädierten dafür, ihn angesichts des Widerstands vieler Delegierten in der vorliegenden Form nicht zu beschliessen. Ein entsprechender erster Antrag Chrupallas wurde allerdings mit 210 zu 208 Stimmen abgelehnt. Der Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk kritisierte daraufhin, die neue Doppelspitze werde bereits einen Tag nach ihrer Wahl «demontiert».

Im Laufe der gut zweistündigen, hitzig geführten Debatte konnte sich die Parteiführung erst spät mit ihrem Vorschlag durchsetzen, die Vorlage zur weiteren Beratung in den Bundesvorstand zu verweisen. Chrupalla holte sich als Rückendeckung die Vorsitzenden von fünf Landesverbänden auf die Bühne. Auch Weidel und der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland stellten sich demonstrativ neben und hinter Chrupalla, als er erneut für Überweisung an den Bundesvorstand warb.

Zahlreiche Delegierte zeigten sich in ihren Redebeiträgen entsetzt über den Verlauf der Debatte. «Mit jeder Minute blamieren wir uns weiter», sagte ein Delegierter. Ein anderer sagte: «Das macht uns lächerlich vor den Medien, vor dem Wähler und vor uns selbst.» Ein weiterer äusserte die Befürchtung, «dass wir den Weg in die Auflösung gehen».

Durch das vorzeitige Ende des Parteitags konnten mehrere Vorlagen nicht behandelt werden. Unter anderem sollten die Delegierten eine Resolution zum Ukraine-Krieg verabschieden, ausserdem gab es Anträge für den Aufbau AfD-freundlicher Medien. Auch die von Höcke angestrebte Kommission für eine Strukturreform in der Partei wurde nicht mehr behandelt. Chrupalla sagte, damit werde sich als erstes der neue Bundesvorstand befassen.

Chrupalla war am Samstag als Parteichef bestätigt worden - allerdings mit einem schwachen Ergebnis von lediglich 53,45 Prozent der Delegiertenstimmen; Weidel bekam bei ihrer ersten Wahl zur Parteivorsitzenden 67,3 Prozent.

Auch der gesamte Bundesvorstand der AfD wurde neu gewählt. Dabei konnten die radikaleren Kräfte vom rechten Rand der AfD ihre Macht ausbauen. Das als gemässigter geltende Lager räumte seine Niederlage ein; von ihm unterstützte Kandidaten setzten sich bei der Neubesetzung des Parteivorstands nicht durch.

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