Wie jedes Jahr haben sich die Mitglieder der Landesregierung ein Sujet für ihre Festtagsgrüsse ausgesucht. Ein Überblick.
Viola Amherd Alain Berset
Prosit Neujahr? Nur fast: Die neue Bundespräsidentin Viola Amherd (links, mit Weisswein) stösst mit dem alten Bundespräsidenten Alain Berset (rechts, mit Rotwein) an, bei den Präsidialfeiern in Brig VS, am 21. Dezember 2023. - keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Mitglieder der Landesregierung haben eigene Festtags-Karten ausgesucht.
  • Eins muss man ihnen lassen: Die Karten überbieten einander mit Originalität.

Bei der Wahl des Sujets für Weihnachts- und Neujahrskarten verhält es sich ja ähnlich wie bei der Wahl des Geschenks für Verwandte zweiter Rangordnung. Man kann es sich einfach machen und ein paar warme Socken mit einem Kringelbändeli zusammenschnüren. Oder man kann sich etwas Originelles einfallen lassen, mit dem Risiko, dass es zu originell ist und die warmen Socken der entscheidende Beitrag zur Glückseligkeit beim Netflixen gewesen wären.

Trotz gewisser Risiken macht sich die Landesregierung jedes Jahr die Mühe, Festtagskarten auszusuchen. Der Weg des geringsten Widerstands wäre ja wohl eine behangene Tanne und für Neujahr eine Sektglas/Feuerwerk-Kombi. Aber die Damen und Herren Bundesräte wollen originell sein, obwohl sowohl Tannenkarte wie Kunst-Trumpf gleichermassen nach wenigen Tagen im Altpapier landen. Und das kam dieses Jahr folgendermassen heraus.

Bundespräsident Alain Berset: Hochfliegend und tiefgründig

Der Amtsälteste macht ja bekanntlich die Fliege. Sein Kartensujet ist aber ein Vogel, «Flügelschlag» nennt Künstlerin Ester Vonplon ihr Werk. Innen ein Zitat aus der dieses Jahr 175 Jahre alt gewordenen Bundesverfassung: «Seul est libre qui use de sa liberté» – frei ist nur, wer seine Freiheit gebraucht. Das ist irgendwie schön und stimmig, hat nichts mit Weihnachten, ein bisschen mit Neujahr und viel mit einem Abgang zu tun.

Weihnachtskarte Alain Berset Flügelschlag
"Flügelschlag" nennt sich das Werk von Ester Vonplon, welches die Frontseite der Weihnachtskarte von EDI-Vorsteher Alain Berset ziert.
«Seul est libre qui use de sa liberté»
Auf der Innenseite seiner Weihnachtskarte zitiert Berset aus der Präambel der Bundesverfassung, "… dass frei nur ist, wer seine Freiheit gebraucht…".

Ausser, dass für Ester Vonplon die Serie, aus der das Werk stammt, sich auf das «Memento mori» bezieht: Auf das Bewusstsein, dass man sterben wird, die Vergänglichkeit allen Seins. Die Bilder auf unbelichteten, über hundertjährigen Fotopapieren, auf die Vonplon Objekte legte und langzeitbelichtete. Pilze, Blumen, Moos, Flechten – und offenbar auch einen toten Vogel. Guten Rutsch!

Bundespräsidentin Viola Amherd: Geh ins Licht

Apropos Vogel: Viola Amherd ist ja ein Wandervogel. Insofern erstaunt es kaum, dass die Walliserin ein Schweizer Bergpanorama im Sonnenaufgang ausgesucht hat. Das Bild steht gut ausgeleuchtet im Eingangsbereich des VBS – die Karte ist also ein Bild von einem Bild. In welches Viola Patricia Amherd viel hineininterpretieren kann.

Weihnachtskarte Viola Amherd Bergpanorama
Kein Bild, sondern das Foto eines Fotos welches im Eingangsbereich des VBS steht, verschickt die neue Bundespräsidentin Viola Amherd.
Amherd Zuversicht Verbundenheit Weitsicht
Das Bergpanorama versinnbildlicht für die Walliserin Zuversicht, Verbundenheit und Weitsicht.
Viola Amherd Weihnachtskarte
Dazu gibt uns Viola Amherd ein Zitat des preussischen Schriftstellers, Staatsmanns und Bildungsreformers Wilhelm von Humboldt mit auf den Weg.

Nämlich: Zuversicht, dass man die Herausforderungen meistert; Verbundenheit, weil auf mehrere Schultern verteilte Verantwortung leichter fällt; Weitsicht, um früh genug die Entscheidungen mit langfristiger Wirkung zu treffen.

Dazu stellt Amherd ein Zitat des Gelehrten und Staatsmanns Friedrich Wilhelm Christian Carl Ferdinand von Humboldt. Ebenfalls zum Thema «Zuversicht». Er muss recht haben, immerhin heisst er «von» und nicht nur «am».

Wirtschaftsminister Guy Parmelin: Bodenständig

«Für Bundesrat Parmelin strahlt dieses Winterbild aus der Schweiz eine gewisse Zuversicht aus», teilt sein Departement WBF mit. Gewiss, gewiss – aber ein Baum ist halt kein Bergpanorama. Parmelin wünsche der Bevölkerung diesen Optimismus (also den mit «gewisser Zuversicht»), auch mit dem Spruch: «Sich immer auf die Verheissungen des folgenden Tags freuen.»

Guy Parmelin Weihnachtskarte
Wirtschaftsminister Guy Parmelin erfreut die Weihnachtskarten-Adressaten mit einem Winterbild aus der Schweiz.
Weihnachtskarte Guy Parmelin
Auf der Innenseite erinnert uns Bundesrat Parmelin daran, dass man sich immer auf die Verheissungen des Folgetags freuen solle.
Schreitbagger Siloballen Misthaufen Parmelin
Bei genauer Betrachtung sind im benebelten Hintergrund der Weihnachstkarte von Guy Parmelin auch weitere landwirschaftliche Symbole wie Siloballen und Misthaufen zu sehen.

Gemacht haben das Foto Mitarbeiter des landwirtschaftlichen Forschungszentrums des Bundes Agroscope. Diese wissen natürlich noch besser als Weinbauer Guy Parmelin, wie die Landwirtschaft wirklich aussieht: romantisch-verklärt und ästhetisch auf den ersten Blick. Auf den zweiten offenbaren sich im Nebel die Schwerarbeit mit dem blauen Schreitbagger, die weder ökologischen noch besonders naturnahen Plastik-Siloballen und der Alptraum jedes Städters: der Misthaufen.

Das ist immerhin ein Fortschritt, denn bereits letztes Jahr versandte Parmelin einen Baum im Schnee, aber ohne bäuerliches Drumrum und nullkommagarkeinen tierischen Nitratüberschuss.

Aussenminister Ignazio Cassis: Elefantös originell

Gleich selbst als Künstler betätigt, oder zumindest die Idee dazu geliefert, hat sich Bundesrat Cassis zusammen mit seinem Kommunikations-Chef Nicolas Bideau. Am Rande einer Sitzung des Uno-Sicherheitsrats habe man darüber diskutiert: über die grafische Umsetzung eines Cassis liebgewordenen indischen Sprichworts.

Weihnachtskarte Ignazio Cassis
Ein Bilderrätsel verschickt Aussenminister Ignazio Cassis zu Neujahr: Was sollen die grauen Kreise bedeuten?
Weihnachtskarte Ignazio Cassis
Die Lösung: Grau ist der sprichwörtliche Elefant, der einem die Sicht versperrt. In der Karte als halbtransparentes Einlegeblatt.
Weihnachtskarte Cassis ohne Elefant
Ohne den Elefanten ist bei Cassis' Karte nun die Sicht frei auf verschiedene Weltregionen wie Europa, China oder die australische Ostküste.

«Wenn man nur noch grau sieht, dann soll man den Elefanten wegtreiben», lautet dieses. Also sieht man auf der Karte nur graue Kreise, ehe man den «Elefanten» – ein innenliegende halbtransparente Folie – «wegtreibt». Nun erkennt man die US-Ostküste, die Region um Peking oder Zentralafrika. Kleiner Schönheitsfehler an der ganzen Allegorie: Die Welt sieht man auch ohne Elefant immer noch nicht, wenn man weiterhin einen Emmentaler-Tunnelblick hat.

Finanzministerin Karin Keller-Sutter: Party mit Spassvögeln

Noch mehr gefiederte Festtagsbotschafter! Bundesrätin Keller-Sutter mag offenbar die Cartoons von Lawrence Grimm. Dieser heisst bloss so, ist aber mindestens so unterhaltsam wie Wilhelm und Jacob. Und schon wieder werden wir zuversichtlich gestimmt: «Die Karte zeigt einen Punkt der Ruhe zum Jahreswechsel und strahlt eine heitere Zuversicht aus», heisst es im Begleitschreiben. «Beides können wir nach diesem Jahr sehr gut gebrauchen.»

Weihnachtskarte Karin Keller-Sutter
Finanzministerin Karin Keller-Sutter setzt bei den Festtagswünschen weniger auf «Weihnachten» als auf «Neujahr» und Fantasiefiguren des Cartoonisten Lawrence Grimm. - zvg

Ja gut, kommt jetzt bitz drauf an, wer «wir» ist. Nicht jeder hat grad eine Grossbank zum Discountpreis verkauft, äh, gerettet. Aber beim kurzen Innehalten zum Jahreswechsel, da sind «wir» gerne mitgemeint. Und schliesslich sehen sowohl die ein- wie die ausfliegenden Piepmätze gleichermassen heiter aus – da sind wohl keine finanzministerinnenäquivalente Piepen-Piepmätze dabei.

Umwelt-undsoweiter-Minister Albert Rösti

Noch mehr Schnee wie bei Parteikollege Parmelin, aber immerhin keine Zuversicht, sondern «festliche Stimmung» will Bundesrat Rösti vermitteln. Nämlich mit der «winterlichen Szenerie» der Grossbaustelle für die Ersatzstaumauer Spitallamm an der Grimsel im Berner Oberland. Klar, «festlich» liegt im Auge des Betrachters, aber Albert Rösti ist eigentlich Agrar- und nicht Bauingenieur mit festlichem Kran-Fetisch.

Weihnachtskarte Albert Rösti
Bundesrat Albert Rösti erinnert mit seiner Weihnachtskarte alle daran, wofür sein Departement Uvek steht: Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.
Niagara Falls Postkarte
Ein exemplarisches Beispiel einer "Large-letter postcard", wie sie seit den 1940er-Jahren beliebt wurden.

Ganz originell (und besonders festlich) auch die Idee, die Buchstaben «U», «V», «E» und «K» zum Thema passendes Bild darzustellen. Nur ist es leider nicht mehr 1940 und auf der Grimsel hat es keine Niagara-Fälle.

Noch-Justizministerin Elisabeth Baume-Schneider sieht doppelt

Sozusagen grenz-wertig ist die Auswahl von Bundesrätin Baume-Schneider ausgefallen. Ihr Sujet stammt aus der Reihe «Horizons Doubles» des Künstlers Emmanuel Wüthrich. Dieser ist zwar Jurassier (wie Baume-Schneider) mit Deutschschweizer Herkunft (wie Baume-Schneider). Er hat immer wieder Ausstellungen im «Musée jurassien des arts» in Moutier, das allerdings noch bis 2026 zum Kanton Bern gehört.

Da wollen wir mal nicht noch zusätzlich Öl ins Feuer giessen, aber: Doppel-Horizonte? Oder ist das eine Anspielung auf den selbstgewählten neuen Horizont Baume-Schneiders, die nach nur einem Jahr ins EDI wechselt? Zufall oder nicht: Emmanuel Wüthrich beschäftigt sich in seiner Kunst mit der Thematik der Migration (wie Baume-Schneider).

Weihnachtskarte Elisabeth Baume-Schneider
Dieses Bild aus der Reihe "Horizons Doubles» des Künstlers Emmanuel Wüthrich hat Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider ausgesucht.
Elisabeth Baume-Schneider Neujahr Horizonte
Nicht nur doppelte, sondern generell neue Horizonte wünscht uns die ex-Justiz- und Neo-Innenministerin für 2024.

Das klingt alles ganz ausgezeichnet, nur fehlt jetzt noch der Bezug zum eigentlichen Anlass, den Festtagen. Diesen liefert die Bundesrätin auf der Karten-Innenseite nach. Und lässt das ganze originelle Festtagskarten-Haus gleich wieder zusammenbrechen. Auf zu «neuen Horizonten», heisst es da, und zwar, man glaubt es kaum: mit «Zuversicht» (wie Amherd, Parmelin und Keller-Sutter).

Oh, Tannenbaum… Aber ob mit unbestimmter, heiterer oder wenigstens gewisser Zuversicht: Wir wünschen allen ebenfalls frohe Festtage und sind in gespannter Erwartung weiterer bäumiger, festlicher, tierischer oder banaler Bundesrats-Karten.

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