Die Schweiz hat bei der Ausfuhr von Kriegsmaterial letztes Jahr eine neue Rekordmarke gesetzt. Auch die Empfängerländer sind interessant. Ein Kommentar.
Ein Piranha-Panzer der Schweizer Rüstungsfirma Mowag wird fertiggestellt.
Ein Piranha-Panzer der Schweizer Rüstungsfirma Mowag wird fertiggestellt. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Neuer Rekord: Die Schweiz hat noch nie so viel Kriegsmaterial exportiert.
  • Für Diskussionsstoff sorgt auch die Rangliste der Top-Empfängerländer.
  • Berechtigte Aufregung oder ein Tag wie jeder andere? Ein Kommentar.

Für 955 Millionen Franken hat die Schweiz im vergangenen Jahr Kriegsmaterial exportiert. Das ist neuer Rekord. Hauptabnehmer waren Katar, Dänemark, Deutschland, Saudi-Arabien und die USA. Auch das sorgt für gehobene Augenbrauen.

Wären Sie einverstanden, wenn der Rüstungskonzern Ruag Leopard-Typ-1-Panzer an Rheinmetall liefern würde?

Was sagt dies aber über die Schweiz tatsächlich aus? Nicht viel Neues. Was sagt es aus, wenn wir erschrocken, empört und mit allgemeinem Unwohlsein reagieren? Hm, naja. Denn wirklich überraschend oder aussagekräftig sind die heute präsentierten Zahlen nicht.

Aber… diese Araber!

Gerade bei der Ausfuhr von Kriegsmaterial sind die reinen Frankenbeträge pro Jahr wenig aufschlussreich. Insbesondere, wenn dadurch die potentielle Gefährdung von Menschenrechten in Unrechtsstaaten abgeschätzt werden soll. Warum Franken und nicht Tonnen? Ob Panzer, Kampfjet-Ersatzteile, Munition oder Scharfschützengewehre geliefert werden, macht einen Unterschied.

35-Millimeter-Munition
Die rund 12'000 35 x 228 Millimeter-Geschosse aus Schweizer Produktion für die deutschen Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer dürfen laut Bundesrat nicht in die Ukraine geliefert werden. - Wikimedia Commons

Natürlich darf die Schweiz schon allein von Gesetzes wegen nicht in kriegsführende Staaten Kriegsmaterial exportieren. Führen Katar oder Saudi-Arabien Krieg? Manche sagen: Ja, direkt oder indirekt.

Dann die USA ja wohl auch? Oder ist dieser nur mittelgrosse Staat in Nordamerika, eingezwängt zwischen dem Unruheherd Mexiko und dem viel grösseren Kanada, nur zur eigenen Verteidigung bis an die Zähne bewaffnet?

Kriegsmatertial Ausfuhr Export Schweiz
Export von Kriegsmaterial in den Jahren 2018-2022: Die zehn wichtigsten Empfänger-Länder.
Kriegsmaterial Export Länder
Kriegsmaterialexporte in den letzten fünf Jahren gingen immer wieder in die gleichen Haupt-Empfängerländer.

Dass Katar und Saudi-Arabien vorne in der Statistik auftauchen würden, war bekannt: Die Debatten um die Flugabwehrgeschütze während der WM und die Waffenteile für die Saudis haben die Politik bereits beschäftigt. Deutschland und Dänemark wiederum sind seit Jahren gute Kunden.

Andere Länder, andere Massstäbe

Der Aufschrei, weil ein Rekordwert erreicht und der Nahe Osten namentlich erwähnt wird, war gleichermassen absehbar. Erstaunt sein wird niemand. Trotzdem wollen Linke sogar noch mehr Waffen ausführen: Leopard-Panzer an Deutschland, zum Beispiel. Weil das etwas anderes ist als… Piranha-Panzer für Dänemark?

Die Schweiz verfügt über 230 Leopard-2-Panzer.
Die Schweiz verfügt über 230 Leopard-2-Panzer. - Federico Gambarini/dpa

Umgekehrt wollen die Verfechter einer Neutralität in orthodoxer Lesart genau dies wiederum nicht. Weil die Occasions-Leoparden schliesslich keine Jobs schaffen helfen und keinem Rüstungsunternehmen zugutekommen? Im Gegensatz zu den Flugabwehrkanonen, die in einer stabilen Region wie links und rechts von Katar kaum die Schweizer Neutralität vom Himmel holen werden.

Alles eine Frage der Statistik

Sollte man also eher betrachten, wer über die Jahre hinweg Grosskunde der heimischen Rüstungsindustrie war? Hier fällt Saudi-Arabien tatsächlich als Emporkömmling auf. Oder warum der «Warenwert» derart ansteigt in den letzten Jahren? Werden die hochspezialisierten Systeme immer teurer und begehrter?

Kriegsmaterialexport Ausfuhr Zeitreihe
Kriegsmaterialexporte der Schweiz im langjährigen Vergleich, einerseits bezüglich Geld (oben), andererseits als Anteil der Gesamtexporte. - SECO

Wohl nicht ganz ohne Hintergedanken hat das für Kriegsmaterialausfuhrbewilligungen zuständige SECO auch eine andere Grafik beigelegt. Diese zeigt die Kriegsgewinne, ‘tschuldigung, -materialexporte im Vergleich zu den gesamten Exporten. Und siehe: Es wird weniger, nicht mehr.

Alles unter Kontrolle

Sind vielleicht die teuren Maschinen gar nicht wirklich die schlimmen Dinger? Wer weiss, es könnte ja sein, dass das Material für lediglich 32'000 Franken, das nach Israel ging, weitaus grösseres Unheil anrichtet. Ah, ganz vergessen: Israel ist ja eh auch nicht im Krieg.

Skyshield Flugabwehrsystem Flugabwehrkanonen
Das Flugabwehrsystem «Skyshield» von Rheinmetall Air Defence AG (ehemals Oerlikon Contraves). - rheinmetall-defence.com

Aber, Herr Bärlocher, werden Sie nun mit erhobenem Zeigefinger sagen: Sie haben da elegant den Elefanten im Raum verschwiegen, aber wir haben es genau gesehen in der Statistik. Dieses Botswana scheint ja ein sehr guter Kunde bei uns zu sein, ist das nicht auch ein wenig dubios?

Da kann ich Sie aber beruhigen. Botswana ist friedlich und will unsere Waffen nur zur eigenen Verteidigung; nicht umsonst nennt man es auch «die Schweiz des südlichen Afrikas». Klar, es hat Konflikte in der Region, aber was soll da schon passieren?

Wenn weiter im Norden die Panzer ausgehen, liefert eines der Nachbarländer Nachschub. Botswana liefert dann sein Schweizer Equipment pflichtschuldig im altbewährten Ringtausch-System. Aber das ist ja nichts Anrüchiges.

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