Hans-Peter Portmann (FDP): «Ich musste eine berufliche Auszeit nehmen»
Vor allem linke Politikerinnen und Politiker legen im Parlament Pausen ein. Aber auch FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann musste schon kürzertreten.

Das Wichtigste in Kürze
- Hans-Peter Portmann politisiert seit elf Jahren im Nationalrat.
- «2017 spürte ich, dass meine Batterien leer waren», sagt er nun.
- Die politische Arbeit zu sistieren, kam für ihn aber nicht infrage.
Nau.ch: Nach zehn Jahren nimmt SP-Nationalrätin Mattea Meyer eine Auszeit. Sie sind ein Jahr länger im Nationalrat. Was ging Ihnen da durch den Kopf?
Portmann: Selbstverständlich ist die Arbeitsbelastung im Parlament gross, vor allem in Kombination mit der beruflichen Tätigkeit. Den Arbeitsaufwand nur für das Parlament schätze ich auf 50 bis 70 Prozent.
Ist man wie in Mattea Meyers Fall zugleich noch Co-Präsidentin einer Partei, steigt die Arbeitsbelastung. Das ist auch beim Co-Präsidium der FDP nicht anders. Zudem sind Susanne Vincenz-Stauffacher und Benjamin Mühlemann beide daneben voll berufstätig. Der Umgang mit der Arbeitsbelastung ist individuell.
Nau.ch: Wie meinen Sie das?
Portmann: Es gibt Menschen, die sehr effizient sind. Sie können sich schnell durch neue Themen und Dossiers arbeiten. Andere brauchen mehr Zeit.
Im Gegensatz zur Arbeit in einem Unternehmen haben Parlamentarierinnen und Parlamentarier einen Wählerauftrag. Wir müssen die Arbeit so einteilen, dass wir dem Wählerauftrag gerecht werden.
Nau.ch: Wie klappt das, ohne in ein Burnout zu rutschen?
Portmann: Man kann zur Einsicht kommen, dass eine oder andere Amt zu viel angenommen zu haben und gewisse Ämter abgeben. Ich bin auch schon an meine Grenzen gekommen.
Nau.ch: Was ist passiert?
Portmann: 2017 spürte ich, dass meine Batterien leer waren. Ich habe einen Arbeitgeber, der Verständnis dafür hatte. Ich nahm eine berufliche Auszeit von drei Monaten, damit sich mein Körper erholen konnte. Als gewählter Parlamentarier war es mir aber wichtig, die politische Arbeit nicht zu sistieren.
Nau.ch: Wie merkten Sie, dass Sie eine Auszeit brauchten?
Portmann: Ich schlief nachts nicht mehr und spürte, dass mein Körper reagierte. Dies äusserte sich zum Beispiel darin, dass ich manchmal Atemnot hatte. Mir wurde klar, dass ich in ein Burnout falle, wenn ich weiter wie bisher mache. Ich ging frühzeitig zu einem Facharzt.
Nau.ch: Heute arbeiten Sie neben Ihrem Amt als Nationalrat wieder zu 100 Prozent als Direktor einer Schweizer Privatbank. Warum reduzierten Sie Ihr Pensum nicht?
Portmann: Weil ich auch gelernt habe, Nein zu sagen bei gewissen Anfragen. Unter der Woche halte ich mir zudem mindestens einen Tag frei, an dem ich nichts Neues annehme.
Nau.ch: Fiel es Ihnen schwer, mehr auf sich zu schauen?
Portmann: Wenn man jung ist, hat man das Gefühl, man könne alles. Auch fühlt man sich geehrt, als Nationalrat so gefragt zu sein. Erst mit der Zeit merkte ich, wie viel Energie dies kostet.
Ich hatte aber kein Problem, dazu zu stehen. Ich verheimliche solche Dinge nicht. Es gibt genug Menschen, die Anzeichen einer Erschöpfung nicht wahrhaben wollen. Und diese landen dann mit einem Herzinfarkt auf der Intensivstation.
Nau.ch: Als bürgerlicher Politiker sind Sie in Sachen Auszeit eine Ausnahme.
Portmann: Nicht ganz. Die heutige Zürcher Gesundheitsministerin Natalie Rickli war die erste Politikerin, die offen zu ihrem Burnout stand. Vielleicht hat es mit dem beruflichen Hintergrund zu tun, dass Auszeiten in bürgerlichen Kreisen weniger vorkommen.
Politikerinnen und Politiker aus der Privatwirtschaft haben Erfahrung mit erfolgsorientierten Führungsaufgaben und Zielsetzungen. Sie haben gelernt, strukturiert vorzugehen und sind deshalb sehr belastungsfähig.

Nau.ch: Braucht es mehr Prävention zum Schutz vor Burnouts im Parlament?
Portmann: Viele Politikerinnen und Politiker kämpfen um einen Sitz im Parlament. Dabei muss viel klarer sein, was man mit einem solchen Amt auf sich nimmt. Man muss sich in komplexe Themen einarbeiten. Dazu kommt, dass die Bevölkerung heute ihren Politikerinnen und Politikern gegenüber den Respekt verloren hat.
Nau.ch: Wie äussert sich das?
Portmann: Für gewisse Leute sind wir zum Fussabtreter geworden. Vor allem für solche, die selber psychische Probleme haben und sich als Versager empfinden. Das sehe ich jeweils in entsprechenden E-Mails, die ich erhalte.
Nicht alle Politiker können die Attacken aus der Bevölkerung locker wegstecken. Vor allem Leute, die ein politisches Amt wollen, müssen sich klar damit auseinandersetzen, was sie damit alles auf sich nehmen. Zudem ist es auch nicht so, dass wir Millionen verdienen.

Nau.ch: Wie viel verdienen Sie?
Portmann: Unsere Spesenentschädigungen sind lächerlich. Vieles in unserer Arbeit müssen wir damit finanzieren. Damit meine ich nicht nur die Hotelunterkünfte und die persönlichen Mitarbeitenden.
Viele Beiträge fliessen auch in die Parteifraktion, die Ortspartei und den Wahlkampf. Pro Jahr beträgt die Entschädigung rund 100'000 bis 120'000 Franken. Ende Jahr bleiben noch zwischen 40'000 und 50'000 Franken für den eigenen Sack.
Portmann: Nein, die Entschädigungen sollen bleiben, wie sie sind. Was ich mir wünsche, ist, mehr Wertschätzung der Bevölkerung für unsere Arbeit. Dahinter steckt nicht Geld, sondern viel Ideologie.
Hans-Peter Portmann
Hans-Peter Portmann (62) ist Direktor der Privatbank LGT Schweiz. Seit 2015 amtet er für den Kanton Zürich im Nationalrat. Zudem ist er Präsident von fünf Parlamentarischen Gruppen und in über zehn solchen Gruppen Mitglied. Unter anderem ist er Präsident der Parlamentarischen Gruppe Schweiz-Kuba und Mitglied der Parlamentarischen Gruppe Schweiz-USA. Zuvor war er 19 Jahre im Zürcher Kantonsrat.



















