Bürgerliche warnen: «Politiker sind empfindlicher geworden»
SP-Nationalrätin Mattea Meyer nimmt eine Auszeit. Bürgerliche wollen verhindern, dass die Arbeit im Parlament als Burnout-Falle verteufelt wird.

Das Wichtigste in Kürze
- SP-Nationalrätin Mattea Meyer ist nicht die einzige Politikerin, die eine Pause einlegt.
- Politiker sollten die Belastung nicht zur Show machen, sagt ein Mitte-Nationalrat.
- Ein SVP-Nationalrat stellt seit der Pandemie in der Politik eine gewisse Müdigkeit fest.
Der Sitz von SP-Nationalrätin Mattea Meyer bleibt in der Wintersession leer. Am Sonntag kündigte sie eine Auszeit an. «Ich fühle eine grosse Erschöpfung», teilte sie mit. In den letzten Tagen habe sie realisiert, dass sie rechtzeitig die Notbremse ziehen müsse.
Die Co-Präsidentin der SP und zweifache Mutter ist nicht die einzige Nationalrätin, die eine Auszeit nimmt.
2022 verschrieb der Arzt SP-Nationalrätin Jacqueline Badran eine Auszeit. Anfang 2023 zog sich SP-Nationalrat Cédric Wermuth, der auch als Co-Präsident der Partei amtet, für zwei Monate zurück. Er erholte sich mit seiner Familie in Vietnam und auf den Philippinen.
Vivienne Huber appelliert an Verantwortung
SP-Nationalrätin Anna Rosenwasser setzt ihre Kräfte gezielt ein, um nicht in ein Burnout zu geraten. Während der Sessionen schaufelt sie sich Zeit für Pausen frei, um durchzuatmen.
Auf Instagram informiert sie ihre Follower regelmässig über ihre Befindlichkeit. Sie steht offen dazu, wenn ihr an einem Tag zum Beispiel «alles zu viel» geworden ist. Hin und wieder kündigt sie eine Pause auf Social Media an, um ihre Kräfte zu sammeln.
Bei manchen rechten Politikerinnen und Politikern sorgt der bedachte Umgang mit den eigenen Ressourcen für Naserümpfen.
Vivienne Huber, Delegierte der Jungen SVP, wünscht Mattea Meyer auf der Plattform X «gute Besserung». Zugleich übt sie Kritik.

«Doch Solidarität hat dort Grenzen, wo die Öffentlichkeit eine Auszeit finanzieren muss», schreibt die 24-Jährige weiter.
In der Privatwirtschaft sei eine längere Pause entweder unbezahlt oder führe zu einer Neubesetzung. Wer ein öffentliches Amt übernehme, trage Verantwortung.
«Und wenn der Auftrag nicht erfüllbar ist, muss auch die Frage nach der Tragbarkeit des Mandats erlaubt sein.»
«Nicht zu stark nach aussen tragen»
Mitte-Nationalrat Martin Candinas hat Verständnis für Mattea Meyers Rückzug. «Natürlich fühlt man mit und bedauert, dass es so weit gekommen ist», sagt er zu Nau.ch.
Gleichzeitig mache man sich selber auch Gedanken: «Wie weit entfernt man selber von einer solchen Situation noch ist.» Er habe Respekt vor Meyers Schritt. «Nicht alle schaffen es, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen.»

Die Auszeiten von Nationalräten sollen laut Candinas die Arbeit im Parlament aber nicht als Burnout-Falle verteufeln.
«Wir müssen aufpassen, dass wir die Belastung nicht zu stark gegen aussen tragen. Schliesslich sind wir alle freiwillig in der Politik tätig.» Das Volk solle nicht einen falschen Eindruck bekommen.
«Wir sollten uns nicht zu wichtig nehmen»
Der Mitte-Nationalrat setzt sich bewusst Grenzen.
«Auch ich habe ab und zu genug und verzichte auf Veranstaltungen, sagt er. «Ich teile das nicht auf Social Media mit.»
Komme es so weit, dass man Auszeiten über das Wochenende mitteilt, ziehe man sich als Politiker ins Lächerliche. «Wir sollten uns auch nicht zu wichtig nehmen.»
Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssten sich laut Candinas für Abwesenheiten nicht rechtfertigen. «Denn arbeitsscheu ist hoffentlich niemand, der in der Politik ist.»
Nationalrat kämpft mit Absagen
Vor dem Trend zu Mimosen-Shows warnt auch SVP-Nationalrat Roland Rino Büchel. Er stellt seit der Pandemie in der Politik eine gewisse Müdigkeit fest. «Die Politiker sind fraglos empfindlicher und weniger belastbar geworden», sagt er zu Nau.ch.
Besonders merkte er dies, als er im Vorfeld der Abstimmung zum Eigenmietwert Podien organisieren wollte.
«Es war schwierig, Politikerinnen und Politiker von linker Seite zu finden», sagt er. Alle Angefragten hätten abgesagt. «Am Schluss mussten wir die Podien ohne diese Stimmen durchführen.»
Büchel hält für wichtig, dass Politikerinnen und Politiker nahe beim Volk um die besten Argumente ringen.
«Das bedeutet, auch wieder im ‹Rössli›, im ‹Leuen› und an der Chilbi zu diskutieren.» Er beobachte jedoch, dass Parlamentarierinnen und Parlamentarier immer weniger bereit dazu seien.
«Dabei sind echte Argumente von echten Menschen in Zeiten von KI und Co. wichtiger denn je.»












