Das sind die neuen EU-Verträge der Schweiz
Nach monatelanger Wartezeit sind die EU-Abkommen, die der Bundesrat ausgehandelt hat, nun öffentlich. Eine Übersicht.

Das Wichtigste in Kürze
- Die EU hat die Verträge mit der Schweiz veröffentlicht.
- Der Teufel liegt in den Details der Hunderten von Seiten.
- Ein Überblick, worum es in den einzelnen Dokumenten eigentlich geht.
Noch bevor der Bundesrat auch nur schon seine heutige – ausnahmsweise später angesetzte – Sitzung begonnen hat, kommt ihm die EU zuvor: Die Verträge zwischen der Schweiz und der EU wurden auf der Website der EU-Kommission veröffentlicht.
Es handelt sich um ein Hauptdokument und insgesamt 13 Anhänge, die jeweils Teilbereiche wie Strom oder den Luftverkehr behandeln. Hier ein erster Überblick, bevor sich die Politik dann mit den Details befasst und darüber debattiert.
Hauptdokument
Das Hauptdokument ist das einzige, das bislang nur auf Englisch verfügbar ist. Es gibt einen Überblick über das Basispaket, die Struktur der einzelnen Verträge und deren Grundlagen.

Zum Basispaket gehören demnach: Die Abkommen zum Binnenmarkt, zur Landwirtschaft, zur Kooperation und ein Protokoll zur parlamentarischen Zusammenarbeit. Zu einigen dieser Abkommen gibt es zusätzliche Erklärungen, in denen beide Seiten ihre gemeinsamen Absichten oder Ziele festhalten.
Zudem gibt es eine Vereinbarung, dass die Schweiz und die EU künftig auf höchster politischer Ebene regelmässig miteinander sprechen: der sogenannte «hochrangige Dialog».
Auftakt: Personenfreizügigkeit
Das wohl umstrittenste Thema wird gleich im ersten Anhang abgehandelt, auf nicht weniger als 199 Seiten. Augenfällig ist: Unter den einleitenden Erwägungen und Hinweisen befindet sich auch ein expliziter Hinweis auf die direkte Demokratie in der Schweiz. Deren Grundsätze, sowie auch die des Föderalismus, sollen gewahrt werden.
Besonders viel Aufmerksamkeit geschenkt wird wohl dem neuen Artikel 14a: Dieser regelt die Schutzklausel, bei der ein Schiedsgericht entscheiden soll.

Aber auch der Artikel 10: «Verfahren bei Auslegungs- oder Anwendungsschwierigkeiten». Darin kommt auch der Gerichtshof der Europäischen Union ins Spiel. Dieses soll vom Schiedsgericht angerufen werden, wenn es um die Auslegung von unionsrechtlichen Begriffen geht. Falls nicht, entscheidet das Schiedsgericht selbst.
Verkehr
Der Anhang 2 ist «nur» 104 Seiten lang und regelt den Luftverkehr. Unter anderem wird auch hier ein «Gemischter Ausschuss» definiert. Dieser kann zwar Beschlüsse fällen, ist sonst aber eher organisatorisch tätig.

Anhang 3 behandelt analog dann den Güter- und Personenverkehr auf Schiene und Strasse. Dieses gilt nur im grenzüberschreitenden Verkehr und regelt den Einzug von Gebühren wie der Schwerverkehrsabgabe.
Handel zwischen der Schweiz und der EU
Im «Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen», dem Anhang 4, werden Berichte, Bescheinigungen, Zulassungen und Kennzeichen geregelt. Wie der Titel sagt, sollen diese gegenseitig anerkannt werden.
Der Handel mit landwirtschaftlichen Erzeugnissen wird in Anhang 5 geregelt. Der Schweiz werden Ausnahmen zugestanden bei Gentech-Produkten, beim Tierwohl und Hormon-Fleisch.
Gentech-Saatgut darf also weiterhin nicht eingeführt werden. Die Schweiz darf auch weiterhin Produkte wie Froschschenkel verbieten.
Strommarkt
Im Abkommen zur Elektrizität soll der Schweizer und der EU-Strommarkt verbunden und auf gleichberechtigte Stufe gestellt werden. Was das konkret heisst – ob die Marktmacht dann auch wirklich gerecht verteilt ist – liegt wohl in den Details vergraben. Jedenfalls wird auch hier die direkte Demokratie explizit als Faktor erwähnt.

Gesundheit
Gleiches gilt für Anhang 7, dem Abkommen zur Gesundheit. Darin geht es um die Zusammenarbeit beim Kampf gegen die Verbreitung schwerer Krankheiten, deren Erforschung und Warnsysteme.
Die berüchtigte «Kohäsionsmilliarde»
Der Anhang 8 regelt den «regelmässigen finanziellen Beitrag der Schweiz zur Verringerung der wirtschaftlichen und sozialen Ungleichheiten in der Europäischen Union». Früher hiess das mal Kohäsionsmilliarde, mittlerweile ist der Betrag aber höher.
Dies ist wohl eines der Dokumente, bei denen die vielen Verweise auf andere Dokumente kritisiert wurden. Die Berechnung des fälligen Betrags wird im Anhang I (des Anhangs 8) geregelt, wobei die Methode dazu dann in Anlage 1 steht. Geregelt ist indes auch die Aufschlüsselung, wie das Geld nachher verteilt wird.
Teilnahme an EU-Programmen
In den Anhängen 9 und 10 stehen die Bedingungen, unter denen die Schweiz an EU-Programmen teilnehmen kann. Dabei geht es um das Forschungsprogramm «Horizon Europe», von dem die Schweiz ausgeschlossen worden war.

Aber auch um Kernfusion, Bildung, Jugend, Kultur… und nicht zuletzt in Anhang 10 um den Weltraum.
Wir reden miteinander
Die Anhänge 11 und 12 behandeln die parlamentarische Zusammenarbeit und den eingangs erwähnten «hochrangigen Dialog». In letzterem soll die Weiterentwicklung der bilateralen Beziehungen Thema sein. Dies ist eigentlich kein Abkommen, sondern eine «gemeinsame Erklärung».
«Schreckliche» 13: Die Unionsbürgerschaft
Ein weiteres problematisches Thema hat man sich für den Schluss aufgespart: Den Anhang 13 zur Unionsbürgerschaft. Diese hat keine Entsprechung in der Personenfreizügigkeit.
Geregelt werden müssen deshalb Themen wie Sozialhilfe, Meldepflichten und Anerkennung von Qualifikationen. Mit nur 14 Seiten gehört dieser Anhang zu den kürzesten.