Claude Longchamp: Daran scheitern Juso-Initiative & Service Citoyen
Zu Erbschaftssteuer und Service Citoyen gibt es wohl zweimal Nein. Politologe Claude Longchamp zu klarer Kante gegen Kommunismus und überzeugbaren Männern.
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Das Wichtigste in Kürze
- Die zwei am 30. November zur Abstimmung stehenden Initiativen werden wohl abgelehnt.
- Die Juso-Initiative gelte als «kommunistisch» sagt Politologe Claude Longchamp.
- Der Service Citoyen habe Stärken, sei aber zu wenig konkret ausgearbeitet.
In den Umfragen scheint der Abstimmungssonntag vom 30. November ein klarer Fall zu werden: Sowohl zur Zukunfts-Initiative der Juso mit ihrer Erbschaftssteuer wie auch zum Service Citoyen wird es ein Nein geben.
Im Detail gibt es aber entscheidende Unterschiede zwischen den beiden Initiativen. Beziehungsweise, wie diese in der Bevölkerung, bei Parteien und Verbänden wahrgenommen werden. Der Politologe Claude Longchamp bespricht im Nau.ch-Talk die Gründe für die zwei sehr ungleichen Neins des Stimmvolks.
50 Prozent Unterschied zwischen politischen Nachbarn
Das markanteste und auffälligste Resultat der Umfragen zur Juso-Erbschaftssteuer sei der deutliche Unterschied zwischen Mehrheit und linker Minderheit, so Longchamp. «Wenn es jetzt 20 oder 30 Prozent gewesen wären … aber 50 Prozent zwischen politischen Nachbarn?» Er könne sich nicht erinnern, so etwas schon einmal gesehen zu haben.

In der Tat liegt die Zustimmung zur Zukunfts-Initiative bei Grünen und SP bei über 70 Prozent. Bei den Grünliberalen aber bereits bei 24 Prozent, bei allen anderen Parteien noch tiefer.
Bei der Juso-Initiative handle es sich um eine linke Diskussion, stellt Politologe Longchamp fest. «Dort ist man knallhart, streng und schon fast stur dafür.» Darüber hinaus gebe es aber keinerlei Ausstrahlung in die Gesellschaft oder in andere Parteien. «Und das ist eigentlich für eine Initiative fatal.»
Unternehmer zeigen klare Kante gegen «kommunistisches Projekt»
Auffallend ist bei der Zukunfts-Initiative. Die Gegnerschaft formierte sich schon vor einem Jahr und der Widerstand hält auch jetzt noch an. Trotz Aussichtslosigkeit an der Urne doppelte man auch diese Woche noch nach, etwa mit einem Mega-Transparent an einem Baukran.

«Ich denke, es gab vor einem Jahr eine recht grosse Diskussion innerhalb der Wirtschaftsverbände und Unternehmer: Man muss jetzt dieser Juso mal den Tarif durchgeben», sagt Claude Longchamp. Der Tenor im bürgerlichen Lager: «Das ist ein kommunistisches Projekt, das ist eine kommunistische Partei.»
Der Eindruck der Wirtschaftsverbände: «Das passe gar nicht zur SP, die vor ihrer Jungpartei kusche und Angst habe, diese zu massregeln.»

Bei der Juso bleibe die Hoffnung, das Thema Erbschaftssteuer wieder einmal gesetzt zu haben. Aber 50 Prozent seien für Schweizer Verhältnisse undenkbar.
«Im Parlament hat man ja sogar noch Varianten diskutiert, bis zur Variante ‹ein Prozent›.» Doch selbst dafür gab es keine Mehrheit. «Das zeigt: Neue Steuern sind im jetzigen Umfeld ein Tabu.»
Service Citoyen: Projekt mit Stärken und Risiken
Ein anderes Bild zeigt sich bei der Initiative für einen Bürgerdienst für alle Schweizerinnen und Schweizer, genannt «Service Citoyen». Sympathien gibt es bei allen Parteien, aber eine Ja-Mehrheit ausschliesslich bei der GLP.
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In einer SWOT-Analyse mit Stärken und Schwächen einerseits und Chancen und Risiken andererseits käme er zum Schluss: «Das ist ein Projekt mit Stärken», sagt Claude Longchamp. «Eine gute Idee, die lanciert wurde, die einige Probleme adressiert.»
Darunter den Personalmangel und die nicht realisierte Gleichstellung. Im Zuge der Diskussion ums höhere Rentenalter für Frauen habe man einen nächsten, unkonventionellen Schritt machen wollen.

Doch die Risiken der Initiative seien offensichtlich: Die Armee befürchte eine Schwächung, Finanzpolitiker wollen nicht zwei Milliarden Franken zusätzlich ausgeben. «Für Versicherungen und Löhne der 30'000 Frauen, die jährlich dienstpflichtig würden», mahnt Politologe Longchamp.
Der Widerstand kam auch von links, wo man Missbrauch bei der Gleichstellungspolitik witterte: «Solange die sozialen Ungleichheiten nicht behoben sind – bei den Löhnen der Frauen – solange gibt es kein Entgegenkommen.»
Riesige Konsequenzen, aber zu wenig konkret
Also sei das Projekt im Parlament flächendeckend an die Wand gefahren worden. Nur der Support der Kleinparteien GLP, EVP und Piraten sei geblieben, aber: «Der grosse gesellschaftliche Block konnte nicht einbezogen werden.» Hier sieht der Politologe den kritischsten Moment.

Ein solches Projekt müsse konkreter ausgearbeitet werden, fordert Longchamp: «Die Chancen sind da, aber es hat riesige Konsequenzen für sehr viele Leute, auf deren Lebensplanung, deren Karriereplanung.» Also wolle man wissen: Was bekomme ich dafür, wo werde ich eingesetzt, wie wird das organisiert.
Diesbezüglich sieht Claude Longchamp das «grosse Leck» in der Service-Citoyen-Initiative. Wenn man dann von links und rechts angegriffen werde, sei es einfach, zwischen Stuhl und Bank zu fallen.
Frauen für Frauen, Männer fürs Portemonnaie
In den Umfragen fällt auf, dass die Frauen schon immer mehrheitlich gegen den Service Citoyen waren. Die Männer dagegen konnte das Initiativkomitee zu Beginn zumindest teilweise ins Boot holen. Dass die Frauen den Männern inzwischen ins Gewissen geredet hätten, glaubt Longchamp aber eher weniger.
«Ob jede Frau ihren Mann wieder aus dem Boot geholt hat, da zweifle ich etwas daran.» Sein Eindruck sei eher, dass zu Beginn die Gleichheits-Diskussion eine gewisse Anziehungskraft hatte. «Namentlich im bürgerlichen Lager.»
Während der Kampagne habe sich das bürgerliche Lager dann hinter dem finanziellen Argument gesammelt. Nun sagten auch bürgerliche Männer, das sei ihnen zu teuer, glaubt Longchamp. «Eher als die Frauen, die damit drohten: Du musst dann die Kinder hüten, während ich für den Umweltschutz schauen muss.»












