Droht nach dem Köniz-Urteil nun im ganzen Kanton ein Tempo-30-Chaos?
Demnächst gelten landesweit neue Tempo-30-Regeln. Der bernische Grosse Rat wollte mit weiteren Bewilligungen zuwarten. Doch daraus wird nun nichts.

Das Wichtigste in Kürze
- Gemeinden drängen auf Tempo-30-Bewilligungen, kurz vor den nationalen Regeländerungen.
- Eigentlich hatte der Grosse Rat ein Moratorium beschlossen.
- Weil Köniz rekurrierte, bewilligt der Kanton weitere 30er-Zonen auf Durchgangsstrassen.
Beim Tempo 30 scheiden sich die Geister: Gemeinden wollen, der Grosse Rat steht auf die Bremse, beim Kanton kommt es sehr darauf an, wen man fragt.
Denn gerade eben hat das Rechtsamt der Bau- und Verkehrsdirektion (BVD) das Tiefbauamt zurückgepfiffen. Obwohl dieses ebenfalls in der BVD angesiedelt ist.
Bewilligungen trotz baldiger Regel-Änderung
Das Rechtsamt hat der Gemeinde Köniz recht gegeben: Sie darf an der Kreuzung Morillon-/Kirchstrasse nun doch Tempo 30 einführen. Obwohl der Grosse Rat ein Tempo-30-Moratorium beschlossen hatte.

Weil in absehbarer Zeit die Tempo-30-Regeln ändern werden, betont SVP-Grossrat Samuel Krähenbühl: «Es gibt auf Bundesebene einen glasklaren Beschluss mit der Motion Schilliger.»
Die Motion von FDP-Nationalrat Schilliger verlangt ein Tempo-30-Verbot auf verkehrsorientierten Strassen innerorts.
Die Motion von SVP-Grossrat Krähenbühl verlangte, mit Bewilligungen zuzuwarten, bis das Strassenverkehrsgesetz revidiert ist.
Domino-Effekt bei Tempo 30
Doch daraus wird nun nichts. Nachdem sich Köniz mit seinem Projekt durchgesetzt hat, hat dies auch Konsequenzen für andere Gemeinden.
Der Kanton deblockierte bereits einen Antrag der Stadt Bern für Tempo 30 an der Morillonstrasse und der Bern- und Bethlehemstrasse.

Am 17. November verfügte das Tiefbauamt, dass Koppigen im Bereich Kirche/Schule Tempo 30 einführen darf. Also spezifisch auf der verkehrsorientierten Hauptstrasse.
Dem Moratoriums-Entscheid des Grossen Rates scheint somit die Wirkung entzogen.
SVP-Krähenbühl nicht begeistert von «Schreibtischtätern»
«Ich bin nicht gerade begeistert!», kommentiert Grossrat Samuel Krähenbühl. «Es ist ein weiteres Beispiel, wie heutzutage die Gewaltenteilung nicht mehr respektiert wird», so Krähenbühl weiter.
«Da muss ich mich schon fragen, was wir eigentlich im Rathaus machen, wenn sich ein paar Schreibtischtäter darüber hinwegsetzen.»

Die Vernehmlassung zu den neuen nationalen Tempo-30-Regeln dauert noch bis zum 5. Dezember. Verkehrsminister Albert Rösti will statt dem Strassenverkehrsgesetz lediglich zwei Verordnungen ändern. Deshalb könnten die Einschränkungen bezüglich verkehrsorientierten Strassen bald schon in Kraft sein.
Konolfingen pocht auf Tempo 30
Schaffen Gemeinden auf den letzten Drücker nun noch Tatsachen? «Ja, das ist leider zu befürchten», prophezeit SVPler Krähenbühl.
Doch genau darum sei es in seiner Motion ja gegangen: Einen Marschhalt zu machen.
Wie Recherchen des BärnerBär zeigen, liegt der Grosse Rat aus Unterlangenegg wohl nicht so falsch.
Auf einen Bescheid wartet man unter anderem in der Gemeinde Konolfingen. Sie plant mit den Nachbargemeinden Niederhünigen und Freimettigen eine Tempo-30-Zone.
«Das Tempo-30-Projekt ist uns nach wie vor ein Anliegen», bestätigt die zuständige Konolfinger Gemeinderätin Jasmin Brühlhart (GLP). «Wir sind in Kontakt mit dem Oberingenieurkreis II und werden umgehend nachdoppeln.»
Auch SVPler unter den Tempo-30-Turbos?
Oft sind es allerdings Gemeindevertreter aus Krähenbühls eigener Partei, die Tempo-30-Zonen voranbringen wollen.
In Köniz ist dies SVP-Gemeinderat Christian Burren. Noch vor dem Moratorium setzte sich in Uetendorf SVP-Gemeindepräsidentin Trudi Mösching für Tempo 30 auf der Dorfstrasse ein. Möschings Vorgänger hatte sich noch dagegen gewehrt – bis er, Albert Rösti, in den Bundesrat gewählt wurde.
Von parteiintern zwei gegensätzlichen Tempo-30-Lagern will SVP-Grossrat Krähenbühl aber nichts wissen. In Uetendorf sei das Projekt aufgegleist worden, als das Präsidium vakant war.
Und in Köniz seien die politischen Mehrheitsverhältnisse anders. «Ob in Köniz alle nur begeistert sind, wage ich zu bezweifeln.»
«Die überwiegende Meinung in der SVP – und darüber hinaus – ist eine andere», gibt sich Krähenbühl überzeugt. Und dann komme noch etwas dazu: «Vor der eigenen Haustüre will niemand viel Verkehr.» Zumindest dies wird wohl, ob mit oder ohne Moratorium und neuen Regeln, auch so bleiben.








