Die Reform der Alters- und Hinterlassenenversicherung wird rege diskutiert. Ein Frauenkomitee hält diese für verfrüht und unfair.
Alters- und Hinterlassenenversicherung
Medienkonferenz des Frauenkomitees zur Reform der Alters- und Hinterlassenenversicherung. - Keystone
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Das Wichtigste in Kürze

  • Gegen die Erhöhung des Frauen-Rentenalters engagiert sich ein neues Komitee.
  • Prominente Vertreterinnen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gehören dazu.
  • Zuerst solle eine tatsächliche Gleichstellung in der Arbeitswelt stattfinden.

Eine tatsächliche Gleichstellung gäbe es in der Arbeitswelt noch nicht. Diese solle vor der Erhöhung des Frauenrentenalters erreicht werden.

Die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre würde mit der Reform AHV 21 erfolgen. Diese Reform spare auf Kosten der Frauen, so ein Komitee von Frauen am Montag vor den Medien in Bern. Das Frauenkomitee besteht aus Frauen der Wirtschaft, Wissenschaft, Landwirtschaft und Politik.

Immer noch werden Frauen oft benachteiligt

Frauen seien heute in der Rente finanziell deutlich schlechter gestellt als Männer. Sie erhielten über alle drei Säulen hinweg 37 Prozent respektive jährlich fast 20’000 Franken weniger Rente.

Frauenstreik
Frauenstreik - keystone

Frauen arbeiteten öfter aus familiären Gründen Teilzeit und häufiger in Tieflohnbranchen. Ausserdem leisteten sie mehr unbezahlte Arbeit und verdienten jährlich rund 100 Milliarden weniger am Arbeitsmarkt als Männer. Sie würden deshalb von der beruflichen Vorsorge schlechter oder gar nicht versichert, argumentierten die Vertreterinnen des Frauenkomitees.

Ständerätin Maya Graf (Grüne/BL) forderte daher: Vor einer Erhöhung des Frauenrentenalters solle eine Reform der beruflichen Vorsorge (BVG) mit der Abschaffung des fixen Koordinationsabzugs erfolgen. Ausserdem solle die Lohngleichheit durchgesetzt werden.

Nur so seien Frauen in der beruflichen Vorsorge anteilsmässig gleich gut versichert. Dies stellte die Co-Präsidentin von Alliance F laut Medienmitteilung fest. Alliance F beschloss im März Stimmfreigabe zur AHV-Reform.

Knackpunkt: Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Zur Verbesserung der Rentensituation der Frauen braucht es nach Ansicht dieses Nein-Komitees zur AHV 21 aber noch mehr. Für Nationalrätin Min Li Marti (SP/Zürich) verschärfe sich die Situation von Frauen weiter. Das aufgrund der mangelnden Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie einem Steuermodell, das Zweitverdienende bestraft. Die Alters- und Hinterlassenenversicherung solle mit der Reform einseitig auf dem Buckel der Frauen saniert werden.

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Min Li Marti an der Medienkonferenz zur Reform der Alters- und Hinterlassenenversicherung - Keystone

Bevor das Rentenalter der Frauen erhöht werde, brauche es zuerst eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ausserdem brauche es eine konsequente Umsetzung der Lohngleichheit und die Einführung der Individualbesteuerung. So lässt sich Min Li Marti, die im Vorstand von Alliance F ist, in der Medienmitteilung zitieren.

Eine echte Gleichstellung in der Arbeitswelt bedeute, dass Frauen auf allen beruflichen Ebenen, insbesondere in Kaderpositionen, endlich angemessen vertreten seien. Dies hält das Frauenkomitee weiter fest. Es brauche eine juristisch verbindliche Durchsetzung der Lohngleichheit und Sanktionsmöglichkeiten.

Weibliche Altersarmut

Die Erhöhung des Rentenalters bedeute eine unfaire Reform auf Kosten der Frauen, stellte auch Steuerexpertin Danielle Axelroud fest. Dies, solange notwendige Verbesserungen nicht erzielt und eine tatsächliche Gleichstellung nicht realisiert seien. Unbezahlte Haus- und Pflegearbeit werde nämlich nach wie vor weitgehend von Frauen geleistet. Diese Arbeit werde aber nur bei der Berechnung der AHV-Renten berücksichtigt, nicht bei der BVG.

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Die Reform der Alters- und Hinterlassenenversicherung führt zu Diskussionen. - Keystone

Altersarmut ist laut den Frauenkomitee heute weiblich. Elf Prozent der Neurentnerinnen seien bei Eintritt in die Rente direkt auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Bei den Männern seien es sieben Prozent. Die Hälfte aller Frauen, die 2019 in Rente gegangen seien, hätten mit weniger als 1770 Franken AHV auskommen müssen.

Ein Viertel der Frauen erhalte bei ihrer Pensionierung nur die Alters- und Hinterlassenenversicherung und keine zweite oder dritte Säule. Das sagte Biobäuerin und Pflegefachfrau Nadia Graber. Gerade bei Bäuerinnen sei dies ein grosses Thema. Dies weil die soziale Absicherung für mitarbeitende Ehefrauen oder Partnerinnen, Mütter und Stiefmütter gesetzlich noch immer nicht geregelt sei.

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