Schnell wird in «Luchadoras» deutlich, wie gefährlich die mexikanische Stadt Ciudad Juárez gerade für Frauen ist. Umso beeindruckender sind die Kämpferinnen, um die es in dem Film geht.
«Baby Star» bei einem Lucha-Kampf im Film «Luchadoras». Foto: ---/missingFILMs /dpa
«Baby Star» bei einem Lucha-Kampf im Film «Luchadoras». Foto: ---/missingFILMs /dpa - dpa-infocom GmbH
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Das Wichtigste in Kürze

  • Die Wüste in der Grenzregion zwischen Mexiko und den USA ist ein symbolträchtiger Ort der schaurigen Sorte.

Sie steht für Gefahren, für das jähe Ende von Träumen, für Verschwinden, für den Tod.

Sie ist ein Ort, wo immer wieder menschliche Überreste entdeckt werden. In einer Szene des neuen Films «Luchadoras» erobern die Hauptfiguren, zumindest vorübergehend, die Wüste für sich.

Mit bunten Masken und Kostümen schreiten sie in dem Dokumentarfilm von Paola Calvo und Patrick Jasim selbstbewusst über die Sanddünen. Die Frauen sehen darin aus wie Superheldinnen - verkleidet sind sie allerdings deshalb, weil sie Lucha-Libre-Kämpferinnen sind. Dass sie sich in dem von Macho-Gehabe geprägten Kampfsport - der mexikanischen Variante des Wrestling - behaupten, lässt sie umso mehr wie Superheldinnen wirken. Und das in einer der gefährlichsten Städte der Welt, besonders für Frauen: Ciudad Juárez.

Der Filmititel «Luchadoras» (Kämpferinnen) beschreibt die Protagonistinnen in doppeltem Sinne: Sie kämpfen im Ring wie auch ausserhalb - ums Überleben, um ein besseres Leben für ihre Kinder. Die Hauptfiguren sind drei Kämpferinnen, die nur mit ihren Lucha-Namen vorgestellt werden: Lady Candy, Baby Star und Mini Sirenita.

Die Filmemacher hatten einen Kontakt vor Ort: eine Jugendfreundin von Jasim, Kathrin Zeiske, die in Ciudad Juárez lebt und als Luchadora unter dem Namen Miss Kath auftritt. Calvo und Jasim, die sich vom Filmstudium in Berlin kennen, nahmen sich Zeit, ihre Protagonistinnen zu finden und kennenzulernen, bevor sie im Jahr 2019 zu drehen begannen. Dadurch sei eine sehr intime Nähe zu ihnen entstanden, erzählt Co-Regisseurin Calvo der Deutschen Presse-Agentur.

Das macht sich bemerkbar in Szenen, wo die Kamera in besonders emotionalen Momenten ganz nah an den Frauen dran ist: etwa, als Lady Candy immer wieder auf ihrem Handy ein Video ihrer Tochter abspielt, die sie seit Monaten nicht gesehen hat, und dabei weint.

Der Vater der beiden Töchter von Lady Candy hat sich mit den Kindern in die texanische Stadt auf der anderen Seite der Grenzbrücke, El Paso, abgesetzt. Sie hatte sich von ihm getrennt, weil er sie ihren Erzählungen nach schlug. Nun bemüht sich die 23-Jährige um ein US-Visum, um ihre Kinder sehen zu können. Das koste 3200 Peso, und Termine gebe es frühestens in vier oder fünf Monaten, wird ihr gesagt. Das sind ungefähr 140 Euro - die Hälfte dessen, was sie monatlich verdient. Lady Candy lässt sich, um das Geld zusammenzubekommen, auf einen Kampf mit besonderen Bedingungen ein.

«Luchadoras» spielt vor einer Kulisse von Gewalt und Angst. Ciudad Juárez, wo etwa 1,5 Millionen Menschen leben, galt eine Zeitlang als gefährlichste Stadt der Welt und hat noch immer eine sehr hohe Mordrate. In den 1990er und 2000er Jahren gab es dort Hunderte Frauenmorde. Vermisstenplakate mit Bildern junger Frauen sind auch heute allgegenwärtig. Wie an so vielen Orten in Mexiko herrscht weitgehend Straflosigkeit.

In dem Film ist zu sehen, wie der Dreh einer Szene abgebrochen wird, weil mutmassliche Gangster angefahren kommen und das Treiben aus der Distanz beobachten. Das war nicht einmal die brenzligste Erfahrung, die sie in Ciudad Juárez gemacht haben, erzählt Co-Regisseur Jasim.

In einer Szene bitte Mini Sirenita einen Bekannten, sie von zu Hause zu einem Kampf zu fahren. Dieser sträubt sich, weil in ihrem Viertel «getötet und begraben» werde. Warum sie dann noch nicht umgebracht worden sei, will die Kämpferin wissen. «Sie haben dich übersehen», erwidert der Bekannte, und die kleinwüchsige Mini Sirenita lacht.

Es sei den Filmemachern wichtig gewesen, die Frauen in Ciudad Juárez nicht als blosse Opfer darzustellen, betont Calvo. Der Film solle zeigen, «dass sie auch stark sind, dass sie nicht nur Opfer sind, dass sie sich dagegen wehren, dass sie eine bessere Welt haben wollen und dafür kämpfen.»

Gekämpft wird viel in «Luchadoras» - nicht zuletzt im buchstäblichen Sinne. Atmosphärisch dichte, musikalisch untermalte Aufnahmen aus dem Ring bringen nahe, wie körperlich brutal und anspruchsvoll Lucha Libre ist - ungeachtet der Frage, wie viel davon choreographiert ist. Calvo beschreibt den in Mexiko beliebten Sport als spontanen Tanz. «Wichtig ist», sagt sie und könnte damit auch das Leben in Ciudad Juárez meinen: «die Kraft zu haben, wieder aufzustehen.»

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