In der Advents- und Weihnachtszeit verkauft die St. Galler Strafanstalt Saxerriet jeweils kreative Arbeiten aus ihrem Kunstatelier. Der Erlös - etwa 20'000 Franken pro Jahr - fliesst bisher in Unterstützungsprojekte für die Insassen. In Zukunft schöpft der Kanton dieses Geld ab.
Kantonsrat St. Gallen
Der St. Galler Kantonsratssaal. - Keystone

Es handelt sich um eine von gut 40 Sparmassnahmen, die der Kantonsrat Ende November beschlossen hat, um die Staatskasse jährlich um 70 Millionen Franken zu entlasten. Das bürgerliche Lager aus SVP, FDP und Mitte-EVP setzte seine Sparpolitik gegen den Widerstand von Links-Grün durch und senkte die Steuern.

Das Kunstatelier, auf dessen Kosten gespart wird, gehört zu einem Programm zur Individual-Förderung der Insassen im Saxerriet. Im Atelier arbeiten meist acht bis zehn Personen, die aus gesundheitlichen oder psychischen Gründen eine besondere Betreuung erhalten, wie Direktorin Barbara Looser der Nachrichtenagentur Keystone-SDA erklärte.

Neben der Ausführung einfacher Industriearbeiten entstehen im Atelier Bilder, Skulpturen und andere kreative Arbeiten aus Holz oder Ton. Diese Kunstwerke werden zusammen mit Produkten aus der Gärtnerei - Weihnachtssterne, Kränze, Gestecke, Türschmuck - im Laden der Gärtnerei und auf Märkten verkauft.

Der Advents- und Weihnachtsverkauf im Laden ist bis zum 23. Dezember täglich ausser am Sonntag jeweils von 8 bis 11.30 Uhr und 13.15 bis 16.30 Uhr geöffnet. Der Erlös fliesst bis Ende Jahr noch in die Unterstützungskasse und kommt den Insassen der Strafanstalt zugute.

Aus dieser Kasse konnte das Saxerriet zum Beispiel einen Fitnessraum überwiegend finanzieren, wie die Direktorin erklärt. Oder es wurde ein Bewerbungs-Coaching bezahlt, um einen Insassen auf den Wiedereinstieg ins Berufsleben vorzubereiten. Ein anderes Beispiel ist das Weihnachtsgeschenk, das alle Insassen erhalten.

Neben dem Saxerriet profitieren auch das Massnahmenzentrum Bitzi in Mosnang und das Jugendheim Platanenhof in Uzwil. So konnten Mountain-Bikes angeschafft oder ein Begegnungsplatz eingerichtet werden. Weiter übernimmt die Kasse bei Bedarf Reisekosten von Saxerriet-Insassen oder Angehörigen für Besuche und Urlaube.

Trotz den vielen Verwendungszwecken, die in einem Reglement geregelt sind, hat die Unterstützungskasse rund eine halbe Million Franken angespart. Laut Looser stammen 80 Prozent der Einnahmen aus Spenden. Der Verkauf von Produkten macht rund 10 Prozent aus, hinzu kommen Bussen wegen disziplinarischen Verstössen.

Weshalb so viel Geld angehäuft wurde, konnte die neue Direktorin, die erst seit Mai im Saxerriet arbeitet, nicht sagen. Klar sei: «Wir müssen es brauchen.» Es müssten aber gute Projekte sein. Als Beispiel nannte Looser eine Reihe von Konzerten im Sommer, die im Saxerriet «sehr gut angekommen» seien.

Ein mögliches Projekt wäre auch ein Street Workout, also eine Anlage für Krafttraining im Freien. Dass das Saxerriet die Einnahmen aus dem Produkteverkauf ab 2022 dem Kanton in die allgemeine Staatskasse abliefern muss, bezeichnet die Direktorin angesichts der vorhandenen Reserve als verkraftbar.

Anders sieht dies Kantonsrätin Katrin Schulthess aus Grabs. Sie finde die Sparmassnahme auf Kosten der Saxerriet-Insassen «total daneben», sagte die SP-Politikerin auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Die Massnahme sei demotivierend und «gegen aussen ein ganz schlechtes Signal».

Es sei zu befürchten, dass in einer zukünftigen Sparrunde weiter auf Kosten der Insassen der Strafanstalt gespart werde, warnt die SP-Kantonsrätin. Dann könnte das Kunstatelier des Saxerriets vielleicht grundsätzlich in Frage gestellt werden.

Schulthess hatte im Kantonsrat bei der Beratung des Sparpakets das Wort ergriffen und die Verantwortlichen gebeten, die Abschöpfung der Einnahmen des Kunstateliers nochmals zu überdenken. Justizdirektor Fredy Fässler (SP) wies im Rat auf die gut gefüllte Unterstützungskasse des Saxerriets hin.

https://www.sg.ch/news/sgch_saxerriet/2021/11/Advents-und_Weihnachtsverkauf_2020_v2.html

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