Rund um die Politikfinanzierung in der Schweiz ranken sich viele Mythen. Ein Gastbeitrag zum «Chrampf», finanzielle Unterstützung für den Wahlkampf zu erhalten.
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Corina Liebi ist GLP-Stadträtin in Bern. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Für Politiker ist es schwierig, Geld für den Wahlkampf zu erhalten.
  • Das liegt daran, dass die Hürde für politische Spenden in der Schweiz sehr hoch ist.
  • Ein Gastbeitrag der Berner GLP-Stadträtin Corina Liebi.
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Als Politikerin werde ich immer wieder gefragt, wie viel Geld man eigentlich von der Partei für den Wahlkampf erhält. Das bringt mich immer sehr zum Schmunzeln, denn wer sich mit Politik etwas auskennt, weiss, die Situation ist gerade umgekehrt. Als Kandidatin bezahle ich nämlich Geld an die Partei, wenn man auf einer Liste nominiert wird.

Böse Zungen behaupten, man kann sich so einen Listenplatz kaufen. Darum geht es aber nicht, zumindest nicht bei der Grünliberalen Partei Schweiz, denn die Reihenfolge der Kandidaten auf den Listen wird nicht nach der Höhe des Listenbeitrags, sondern nach transparenten Kriterien vergeben: Politische Mandate, Entwicklungspotential, Engagement innerhalb der Partei, regionale Verankerung, Jugendförderung und vieles mehr ist dafür ausschlaggebend.

Doch wofür bezahlt man eigentlich Geld an die Partei? Ganz einfach, um sich an den Overhead-Kosten für den Wahlkampf zu beteiligen. Das heisst, zusätzlich zu den Auslagen für meinen persönlichen Wahlkampf muss ich mich auch finanziell am Wahlkampf der Partei beteiligen.

Spitzenkandidierende auf der Hauptliste der Grünliberale Partei Kanton Bern bezahlen dafür rund 3500 Franken. Man kann jetzt sagen, das ist doch unfair, da leistet man schon mega viel für die Partei und bezahlt dann zusätzlich zu den Wahlkampfauslagen nochmals obendrauf ohne Garantie, gewählt zu werden. Nun ja, das ist halt das Berufsrisiko eines jeden Politikers. Das ist auch mit der Grund, warum wir alle auf Wahlkampfspenden angewiesen sind.

«Ä rise Chrampf»

Seit Kurzem sind in der Schweiz neue Transparenzvorschriften in Kraft. Im Hinblick auf die eidgenössischen Wahlen 2023 musste also erstmals offengelegt werden, welche Kandidierenden Einzelspenden über 15'000 Franken für den persönlichen Wahlkampf erhalten haben. Die «Hauptstadt» hat sehr schön aufgearbeitet, wer eben solche deklariert hat. Schaut man sich die Liste genauer an, fällt auf, dass diese Spenden in den meisten Fällen für den allgemeinen Wahlkampf der Partei oder Kandidierende, die zur Wiederwahl antreten oder sich für eine Ständeratskandidatur bewerben, bestimmt waren.

Ich bin jetzt mal ganz offen und ehrlich. Auch als Spitzenkandidierende mit guten Ausgangschancen «isches ä rise Chrampf», Wahlkampfspenden einzuwerben. Einerseits liegt das sicherlich daran, dass es mir extrem unangenehm ist, andere Menschen um Geld für meinen Wahlkampf zu fragen. Andererseits habe ich auch schon sehr viele negative Erfahrungen gemacht, wenn ich jemanden persönlich angeschrieben habe, um um eine mögliche Wahlkampfspende zu bitten. Ein «20er-Nötli» für den Sponsorenlauf des lokalen Sportvereins gibt man vielleicht noch gern, sobald es sich aber um die Politik dreht, sitzt das Portemonnaie bei vielen leider nicht mehr ganz so locker.

Haben Sie schon einmal eine politische Spende getätigt?

Um meinen Wahlkampf für die städtischen Wahlen 2020 in Bern zu finanzieren, habe ich ein Crowdfunding auf die Beine gestellt. Ein riesiger Aufwand für ein für mich sehr ernüchterndes Outcome. Ich hatte mich bewusst dafür entschieden, eine bekannte Spendenplattform zu wählen, auch wenn ich zehn Prozent vom eingeworbenen Geld an die Unternehmung abdrücken musste, weil ich dachte, dadurch könnte ich Menschen ausserhalb meiner Bubble dazu bewegen, für meine Kampagne zu spenden.

Long story short: Es hat eine einzige Person eine Spende getätigt, die ich nicht kannte, und zwar in der Höhe vom unglaublichen einen Franken. Zwar konnte ich mein Spendenziel in der Höhe von 5000 Franken erreichen, das war aber auf meine harte Arbeit zurückzuführen.

Ich hatte nämlich in Whatsapp alle meine Kontakte persönlich angeschrieben, ob sie nicht etwas spenden würden. So kamen dann doch noch einige «20er- und 50er-Nötli» für meine Kampagne zusammen. Aber das hätte ich auch alles ohne Crowdfunding-Plattform und vor allem ohne Gebühren hinkriegen können.

Hürde für politische Spende extrem hoch

Aber wo liegt denn genau das Problem, wenn viele andere Crowdfunding-Projekte auf der gleichen Plattform enorm erfolgreich sind? Ich persönlich glaube, es liegt tatsächlich daran, dass die Hürden für politische Spenden in der Schweiz extrem hoch sind.

Viele kleinere und mittlere Unternehmen möchten als politisch neutral angesehen werden und müssten daher, wenn überhaupt, Kandidierende aus verschiedenen Parteien unterstützen, um sich «politische Neutralität» auf die Fahne schreiben zu können. Das liegt meist in der Angst begründet, aufgrund eines politischen Bekenntnisses Kunden zu verlieren.

Wiederum andere spenden seit Jahren an die gleichen, etablierten Parteien und Kandidierenden und sind nicht bereit, Newcomer zu unterstützen. Zudem spüre ich in der Bevölkerung ein generelles Misstrauen gegenüber der Politikfinanzierung. Viele haben das Gefühl, das Spenden von Geld bedinge irgendeine Form der Gegenleistung und man möchte sich nicht in diesem Filz verstricken. Und dann kommt noch dazu, dass man – verständlicherweise − nur jenen Menschen Geld gibt, die die gleichen politischen Werte teilen und noch viel wichtiger, die man persönlich kennt.

Als Kandidatin ist es also nicht ganz einfach, finanzielle Unterstützung zu erhalten, egal wie viele Stunden man in den eigenen Wahlkampf steckt. Ich bin daher extrem dankbar für all die Menschen, die mir seit Jahren immer mal wieder einen finanziellen Zustupf gewähren, sodass ich mich weiterhin politisch engagieren kann. Denn auf einen grünen Zweig kommt man – entgegen der allgemeinen Annahme − mit der Politik definitiv nicht.

Zur Autorin: Corina Liebi ist Berner Stadträtin und kandidiert im Oktober für die GLP für den Nationalrat.

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