Anna Luna Frauchiger kandidiert am 13. Februar für den Zürcher Gemeinderat. Die SP-Politikerin schildert ihre Überzeugungen im Gastbeitrag.
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Anna Luna Frauchiger kandidiert als Kandidatin der SP im Kreis 9 für den Gemeinderat Zürich. - zvg
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Das Wichtigste in Kürze

  • Anna Luna Frauchiger ist SP-Mitglied und kandidiert für die Zürcher Gemeinderatswahlen.
  • Sie setzt sich für einen sozialgerechten Klimaschutz ein.
  • Sie hätte auch bei den Grünen landen können und erklärt im Gastbeitrag, wieso nicht.

Die Gesellschaft akzeptiert immer mehr, dass auch junge Menschen mitbestimmen wollen in der Politik – vor allem das hat die Klimastreik-Bewegung seit 2019 für mich als junge politische Aktivistin verändert.

Nicht nur die Klimastreiks politisieren die Jugend, sondern auch der feministische Streik und nun die Corona-Krise. Es erstaunt deshalb nicht, dass für die kommenden Gemeinderatswahlen in Zürich viele Kandidaturen von Jüngeren eingingen. So wie meine eigene, für die SP im Kreis 9.

Als Aktivistin habe ich Billigflugplakate überklebt, demonstriert gegen Femizide, gegen das WEF und gegen die fundamentalistische Hetze vom «Marsch fürs Läbe». Ich habe hunderte Unterschriften gesammelt für Initiativen wie die 99%-Initiative und Referenden – zuletzt gegen den europäischen Grenzschutz Frontex – und mich vor Bundesgericht für die Initiative für «Züri Autofrei» eingesetzt. Doch worauf wir mit unseren Aktionen auf der Strasse aufmerksam machen, dafür möchten wir uns auch in Parlamenten einsetzen und mitbestimmen können.

JUSO statt junge Grüne

Als ich 2016 der JUSO und SP beitrat, existierte die «Klimajugend» noch nicht – und die Jungen Grünen besassen noch kein solches Momentum wie heute. Die JUSO war die sichtbarste Jungpartei – die Partei, die ändern will, was sie störte.

Heute werde ich als ehemalige Co-Präsidentin der JUSO Stadt Zürich allerdings häufig mit derselben Frage konfrontiert: Wieso ich denn bei der JUSO aktiv sei – und nicht bei den Jungen Grünen? Dass ich bei den Jungsozialist*innen landete und nicht bei den Jungen Grünen war keineswegs Zufall und wäre auch heute nicht anders.

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Anna Luna Frauchiger setzt sich für sozialgerechten Klimaschutz ein. - zvg

Weil die Zusammenhänge grösser sind: In der Nacht auf den 13. Juli letzten Jahres kam es in Zürich zu einem Jahrhundert-Sturm. Am Tag nach dem Unwetter spazierte ich durch Albisrieden: Ich sah umgeknickte Bäume mitten auf dem Trottoir; in unserem Garten lag ein Liegestuhl, den der Wind von einem umliegenden Balkon gerissen hatte; die Strassen waren übersät von abgebrochenen Ästen, Blättern und Trümmern. Die Stimmung war düster, beinahe apokalyptisch. An diesem Tag hätte ich nur noch weinen können.

Die Klimakrise war angekommen, hier bei uns in Zürich. Und ich dachte an die 30 Millionen Menschen weltweit, die bereits aufgrund von Folgen der Klimakrise ihre Heimat verlassen mussten. Es ist also auf keinen Fall so, dass die Klimakrise und deren Auswirkungen mich nicht bewegen würden. Im Gegenteil. Die Situation jagt mir Angst ein.

CO2-Gesetz war sozialgerecht

Der Tag nach dem grossen Sturm machte mich unter anderem deshalb so traurig, weil die Stimmbevölkerung nur einige Tage zuvor das CO2-Gesetz abgelehnt hatte. Ich fühlte mich machtlos. Das CO2-Gesetz enthielt nämlich genau das, was für mich eine soziale Umweltpolitik bedeutet: Das CO2-Gesetz war nicht nur klima-, sondern auch sozialgerecht. Es hätte für Umverteilung gesorgt – von den Besserverdienenden, die mit ihren grossen Autos, energie-ineffizienten Einfamilienhäusern und weiten Reisen stärker zur Klimaverschmutzung beitragen, hin zu den Schwächeren in unserer Gesellschaft.

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Die SP-Politikerin kandidiert im Kreis 9 für den Züricher Gemeinderat. - zvg

Für eine solche Klimapolitik will ich einstehen. Ich will anerkennen, dass die Klimakrise eng verknüpft ist mit sozialen Ungleichheiten, weltweit. Dass die Länder im globalen Süden als erste betroffen sein werden von steigenden Meeresspiegeln und Extremwetterereignissen – und ihnen nicht dieselben Ressourcen und Schutzmassnahmen zur Verfügung stehen wie uns in der Schweiz. Ich will anerkennen, dass die Grossbanken UBS und Credit Suisse mehr CO2-Emissionen verursachen als die gesamte Schweizer Bevölkerung und Industrie zusammen.

Regelungen statt Kampagnen

Deshalb brauchen wir keine Sensibilisierungskampagnen wie diejenige der Stadt Zürich, die auf ihre Klimaziele aufmerksam machen. Es macht mich wütend, wenn ich auf einem Plakat im Tram lese: «Nichts wegwerfen. Ausser alte Gewohnheiten».

Denn was es wirklich braucht, sind nicht neue Gewohnheiten – sondern endlich gesetzliche Vorschriften und Regelungen. Wir können noch lange Klimastreikende dafür verurteilen, wenn sie einen Flug buchen – weil sie sich eine überteuerte Zugreise nicht leisten können. Oder Menschen zum Veganismus bewegen wollen, wenn das Poulet im Coop nur 3.45 Franken pro 100 Gramm kostet.

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Frauchiger erklärt, weshalb sie Jungsozialistin und nicht Grüne ist. - zvg

Die Klimakrise ist kein individuelles Problem. Und wir dürfen nicht Individuen dafür verantwortlich machen, sie zu lösen. Sondern wir müssen Zusammenhänge sehen. Verstehen, dass es der Wunsch nach immer mehr Wachstum und Profit ist, der unserer Erde so grossen Schaden zugefügt hat.

Die Klimakrise ist das drängendste Problem unserer Zeit, aber sie ist nicht die einzige Krise, die uns Junge beschäftigt. Soziale Ungleichheit, Corona-Krise, Patriarchat – die Zukunft sieht nicht rosig aus. Doch die Probleme hängen zusammen.

Deshalb bin ich Jungsozialistin und nicht junge Grüne. Und deshalb möchte ich in den Gemeinderat. Um auf lokaler Ebene als junge Frau endlich für Veränderungen sorgen zu können. Weil die Gesetze von heute in einigen Jahren uns junge Menschen betreffen.

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