Die Familie Checheliuk wurde vom IKRK aus dem Stahlwerk Asowstal während des Ukraine-Kriegs evakuiert. Nun erhebt sie gegen die Organisation schwere Vorwürfe.
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Die ukrainische Familie Checheliuk ist vor dem Ukraine-Krieg geflohen und lebt jetzt im Kanton Aargau. - Screenshot SRF

Das Wichtigste in Kürze

  • Viele Ukrainer wurden aus dem von Russland besetzten Mariupol evakuiert.
  • Bei IKRK-Evakuierungen wurden einige Menschen aber zuerst in ein Russen-Lager gebracht.
  • Laut einer Ukrainer-Familie sei deswegen seither ein Familienmitglied in Gefangenschaft.
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Ukrainische Soldaten wehrten sich im Ukraine-Krieg lange gegen die Einnahme der Stadt Mariupol durch russische Truppen. Dabei verschanzten sie sich im Ukraine-Krieg zusammen mit Zivilisten in dem Stahlwerk Asowstal.

So auch die beiden Töchter Alina und Marianna der Familie Checheliuk, die zuvor von ihren Eltern getrennt wurden. Das erzählt die vor dem Ukraine-Krieg in den Aargau geflohene Familie der «SRF Rundschau».

Dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) gelingt es, Ende April 2022 erste Evakuierungen von Zivilisten aus dem Stahlwerk auszuhandeln. Auch für Marianna und Alina Checheliuk: «Internationale Vertreter sagten, sie würden uns nach Saporischschja bringen», sagt Alina.

Evakuierte werden im Ukraine-Krieg stundenlang untersucht

Doch unter Aufsicht des IKRK machen sie bei der Evakuierung zuerst einen Umweg. Sie werden stattdessen in ein russisches Lager in besetztem Gebiet gebracht. Dort werden die Evakuierten untersucht und befragt: «Wir mussten uns nackt ausziehen. Sie suchten nach Tattoos und Abdrücken auf unserer Haut von Waffen oder Militäruniformen», erklärt Alina.

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Marianna Checheliuk wurde bei der Evakuierung aus Mariupol während des Ukraine-Kriegs von russischen Soldaten festgenommen. - Screenshot SRF

Vertreter des IKRK sind dabei, als diese Untersuchungen stundenlang durchgeführt werden. «Die Soldaten, die uns kontrolliert haben, waren ganz besessen von Mariannas Job als Polizistin. Sie gaben ihr Stift sowie Papier und sagten, sie solle alle Leute aufschreiben, die sie aus Mariupol kenne: Staatsanwälte, Richter, ihre Chefs, ihre Kollegen – sie wollten Namen und Telefonnummern.»

Danach werden die Schwestern getrennt, russische Soldaten nehmen Marianna gefangen. Alina wendet sich an die IKRK-Vertreter vor Ort: «Ich sagte ihnen: ‹Ihr habt uns garantiert, dass ihr uns an einen sicheren Ort bringt.› Sie antworteten, dass sie nichts tun könnten. ‹Mach dir keine Sorgen, morgen werden die Russen sie bestimmt gehen lassen›, sagten sie.»

«IKRK und UN sind gegen Russland machtlos»

Seither hat die Familie Marianna nicht mehr gesehen. «Wir hatten grosse Hoffnung in das IKRK und die UN, dass sie unsere Kinder ins ukrainische Gebiet bringen. Doch wie sich herausstellte, sind sie gegen Russland machtlos», erklärt Vater Vitalii. «Sie haben ihr Versprechen gebrochen und unsere Kinder auf russisches Gebiet gebracht.»

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Alina und Marianna Checheliuk bei ihrer Evakuierung aus dem Stahlwerk Asowstal in Mariupol.
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In dieses von russichen Soldaten aufgestellte Zeltlager wurden die beiden Schwestern mit anderen Evakuierten gebracht.
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Trotz IKRK-Aufsicht wurden die Schwestern dort getrennt.
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Die Familie versucht seither verzweifelt herauszufinden, in welchem Gefängnis Marianna festgehalten wird.

Die für die Asowstal-Evakuierungen zuständige IKRK-Operationsleiterin Mariateresa Cacciapuoti erklärt: «Der Abfahrtsort, der Ankunftsort und der Transit wurden zwischen den Parteien festgelegt und vereinbart. Wir kannten zwar den Rahmen dieser Vereinbarungen, hatten aber nicht Zugang zu allen Details.» Das IKRK müsse zum Wohle der Menschen, die es unterstütze, einige Kompromisse eingehen.

Marianna Checheliuk wird anschliessend in ein russisches Straflager gebracht, dann verlegt. Ihre Familie weiss aber nicht, wohin. Das IKRK hat ihre Gefangenschaft bis heute nicht bestätigt. Obwohl die Familie die Organisation regelmässig kontaktiere, rufe nie jemand zurück.

Mutter schickt Briefe an alle Gefängnisse

«Ich verstehe, dass die Menschen auf Neuigkeiten von ihren Liebsten warten», sagt Cacciapuoti. «Wir können nicht auf die russische oder ukrainische Seite gehen und ein Gefängnis betreten. Der Zugang muss von den betroffenen Kriegsparteien gewährt werden. Wir fordern sie weiterhin auf, uns vollständigen und bedingungslosen Zugang zu ihren Kriegsgefangenen zu geben.

Glauben Sie, dass der Ukraine-Krieg bald endet?

Mariannas Mutter schreibt ihr regelmässig Briefe. Doch da sie nicht weiss, wohin sie die Post adressieren soll, schickt sie die Briefe an alle Gefängnisse in Russland. Sie hofft, dass einer ihre Tochter erreicht.

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