Schweizer Stromhändler sollen Ukraine-Krieg ausgenutzt haben
Die Aufsicht kritisiert überzogene Preise und ein intransparentes System. Für die Versorger zahlte sich der angespannte Markt im Ukraine-Krieg doppelt aus.

Das Wichtigste in Kürze
- Elcom kritisiert überhöhte Strompreise 2022 trotz fehlender realer Knappheit.
- Händler nutzten hohe Zahlungsbereitschaft lokaler Versorger im ausgetrockneten Markt aus.
- Stromkonzerne wie Axpo und Alpiq weisen Vorwürfe mit Verweis auf Marktlage zurück.
Im Sommer 2022 steigen die Strompreise in der Schweiz infolge des Ukraine-Kriegs massiv – zeitweise um fast 800 Prozent. Die Energieunternehmen Alpiq und Axpo beantragen Staatshilfe.
Die Eidgenössische Elektrizitätskommission (Elcom), die Strommarktaufsicht des Bundes, zeigt nun in einem Bericht:
Der Preisanstieg lässt sich nicht nur durch den Ukraine-Krieg, Gasengpässe und Ausfälle französischer AKW erklären. Sondern auch durch das Verhalten von Stromhändlern in einem «ausgetrockneten» Markt. Darüber berichtet die «NZZ».
Laut Elcom ist der Markt zwar angespannt gewesen, die Preise aber «überbewertet» und aus fundamentaler Sicht «schwer nachvollziehbar».
Elcom-Sprecherin Antonia Adam nennt keine konkreten Händler. Aufgrund der Marktstruktur scheint aber klar: Es geht um die Handelsabteilungen von Axpo, Alpiq und BKW.
Händler nutzen hohe Zahlungsbereitschaft aus
Diese weisen ihre zentrale Rolle nicht zurück, begründen die Preisentwicklung aber mit der aussergewöhnlichen Marktlage. Axpo-Sprecherin Bianca Landert spricht von einem «perfekten Sturm».
Im Zentrum der Kritik steht der Terminmarkt, insbesondere der Handel mit Strom für das Jahr 2023.
Lokale Energieversorger mussten bis Ende August 2022 Strom für ihre Grundversorgung einkaufen.
Da sie die Kosten auf die Endkunden abwälzen können, war ihre Zahlungsbereitschaft hoch – selbst bei Rekordpreisen. Diese Situation nutzten die Händler laut Elcom aus.
Ein zentrales Indiz für künstlich überhöhte Preise sei, dass die Schweizer Strompreise Anfang September 2022 über jenen Frankreichs lagen. Was der üblichen Marktlogik widerspricht.
Zudem stiegen die Preise für Grundlaststrom stark an. Hingegen blieben jene für Spitzenlaststrom, der bei drohender Knappheit teurer sein müsste, vergleichsweise niedrig.
Daraus schliesst die Elcom: Es wurde keine reale Knappheit erwartet, der Markt sendete aber falsche Signale.
Stromkonzerne weisen Kritik zurück
Die Stromkonzerne widersprechen. BKW-Sprecherin Fiona Hasler verweist auf das Risiko eingeschränkter Stromimporte.
Alpiq-Sprecherin Aline Elzingre-Pittet betont, die Preise spiegelten auch geopolitische Entwicklungen.
Axpo-Sprecherin Landert erklärt die Preisunterschiede mit der begrenzten Grundlastfähigkeit flexibler Kraftwerke.
Ein weiteres Problem laut Elcom: Die offizielle Strombörse EEX war 2022 weitgehend ausgetrocknet. Händler wickelten Geschäfte direkt untereinander ab, Preise wurden oft per Umfrage festgelegt. Ein Verfahren, das laut Elcom zu Verzerrungen führt.
So entstand ein Informationsgefälle zulasten der rund 600 lokalen Versorger, denen die entspanntere Lage bei den Peak-Produkten nicht bewusst war.
Das Fazit der Elcom: Der Schweizer Strommarkt habe in der Krise versagt. Besonders die geringe Marktliquidität und der fehlende Wettbewerb hätten den Preisanstieg verschärft.
Elcom-Sprecherin Antonia Adam fordert daher eine stärkere Einbindung in den europäischen Binnenmarkt sowie eine vollständige Marktöffnung.
Ein heikler Punkt bleibt: Alpiq und Axpo profitierten 2022 vom überhitzten Markt, liessen sich aber gleichzeitig vom Staat absichern. Beide Unternehmen wollten sich dazu nicht äussern.