Neue Stromtarife verwirren Schweizer – Chaos droht
2026 wird Strom kompliziert: Zum Teil wird der Niedertarif gestrichen, andere Stromwerke verwirren mit Sommer, – und Winterstrom.

Das Wichtigste in Kürze
- 2026 fällt bei vielen Stromanbietern der Niedertarif weg, neu gilt ein Standardtarif.
- In Wil SG gilt nächstes Jahr ein Modell mit vier verschiedenen Tarifen.
- Die Stiftung für Konsumentenschutz warnt: Viele verstehen die neuen Regeln nicht.
Generationen von Schweizerinnen und Schweizer sind mit diesem Wissen aufgewachsen: Gewaschen wird erst am Abend oder am Wochenende, weil dann ist der Strom günstiger, dank Niedertarif.
Dieses Wissen wird sich nächstes Jahr in Teilen der Schweiz verändern. Denn der Niedertarif ist nicht mehr der, der er einmal war.
Verabschiedung vom Niedertarif
Wer bei den Elektrizitätswerken des Kantons Zürich (EKZ) angeschlossen ist, muss auf den Niedertarif ganz verzichten. Stattdessen gibt es einen Standardtarif, pro Quartal.

Heisst: Es spielt keine Rolle mehr, ob die Waschmaschine am Tag oder in der Nacht läuft: Der Tarif bleibt gleich.
«Der neue Einheitstarif ist in allen Quartalen günstiger als der aktuelle Niedertarif», betonen die EKZ. Es gibt dementsprechend keinen Vorteil mehr, die Waschmaschine ab 20 Uhr laufen zu lassen.
Netz rund um die Uhr belastet
Der Grund für die Umstellung: «Das Netz ist heute rund um die Uhr ähnlich belastet. Die frühere Nachtüberkapazität existiert nicht mehr.»
Mit dem neuen Energie-Einheitstarif soll zudem verhindert werden, dass viele Geräte gleichzeitig genau beim Wechsel vom Hoch- auf den Niedertarif eingeschaltet werden.
Doch: Ab 2026 dürfen Stromversorger auch dynamische Tarife einführen. Sie interpretieren diese Spielräume sehr unterschiedlich.
Wil sorgt für Verwirrung
In der Stadt Wil SG herrscht ein regelrechtes Tarif-Chaos. Ganze vier Modelle kommen für die Konsumentinnen und Konsumenten zur Anwendung: Nieder-, Hoch-, Winter- und Sommertarif.

Dazu verschiebt sich in Wil der Niedertarif von 20 auf 21 Uhr: Erste Anwohner fragen sich in Facebook-Gruppen bereits: «Sollen wir jetzt erst ab 21 Uhr waschen?» Antworten von den Stadtwerken Wil gibt es trotz mehreren Anfragen bisher nicht.

Konsumentenschutz warnt vor Missverständnissen
Diese komplexen Modelle mit Sommer-, Winter-, Hoch-, und Niedertarif sieht der Konsumentenschutz kritisch: «Eine Tarifstruktur mit vier Dimensionen ist für viele schwer verständlich und wirkt schnell überladen. Je komplexer das Modell, desto grösser das Risiko von Missverständnissen.»

Ein Risiko besteht, dass Haushalte trotz neuem Einheitstarif weiter nachts waschen oder laden. In der irrigen Annahme, damit Geld zu sparen. Dieses «Phantom-Sparverhalten» sei wahrscheinlich, solange die Informationen nicht verständlich transportiert würden.
Entscheidend sei die Kommunikation: «Die Informationen sind nicht für alle Konsumentinnen und Konsumenten verständlich, gerade ältere Menschen, die mit dem bisherigen Niedertarif vertraut sind. Es braucht klare, einfache und alltagstaugliche Infos per Brief.»
Der Verband erklärt die Unterschiede
Der Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen VSE sagt dazu: «Die Ausgangslage ist je nach Netzgebiet und Infrastruktur verschieden. Ein ländliches Netz hat andere Voraussetzungen als ein städtisches.»
Auch die Energie-Beschaffung spiele eine Rolle – manche Versorger haben eigene Kraftwerke, andere kaufen mehr am Markt zu.
Mehrere Werke kippen ihre alten Modelle: Neben den Elektrizitätswerken im Kanton Zürich schaffen auch die Aargauer AEW und die CKW in der Zentralschweiz den Niedertarif ab.
Sie setzen auf Einheitstarife. In Wil sorgt dagegen ein kompliziertes Vierer-Modell für Diskussionen. Ein einheitlicher Weg für die ganze Schweiz existiert aber nicht.
Blick in die Zukunft
Die Zukunft dürfte für Konsumentinnen und Konsumenten nicht einfacher werden: Ab nächstem Jahr sind auch dynamische Stromtarife möglich, bei dem sich der Preis alle 15 Minuten ändert.
EKZ bietet dieses Modell auf Wunsch an. Wer davon profitieren will, braucht aber ein Energiemanagement-System und einen Smart Meter, also einen digitalen Stromzähler, im Haushalt.
Mit dem Energiemanagement-System schalten sich Geräte automatisch zu den günstigen Zeiten ein.

Der Konsumentenschutz warnt: «Ein solches Modell setzt technisches Verständnis, digitale Infrastruktur und hohe Aufmerksamkeit voraus. Für viele Konsumentinnen und Konsumenten ist es kaum alltagstauglich.»