Ein Software-Fehler in der App der SBB lässt Kunden zu viel bezahlen. Beim Bahnbetreiber weiss man eigentlich Bescheid. Der Konsumentenschutz ist sauer.
SBB App
Die SBB-App auf einem Handy. - SBB

Das Wichtigste in Kürze

  • Die SBB-App ermöglicht die Integration von SwissPass und Tarifverbundsabonnements.
  • Wer ein Abonnement besitzt, zahlt für gefahrene Strecken jedoch oft den doppelten Preis.
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Achtung, Abzocke! Wer ein ÖV-Abonnement bei einem Tarifverbund abschliesst und in der App der SBB ein Ticket kauft, zahlt oft den doppelten Preis.

So zeigt es das Beispiel eines Nau.ch-Lesers. L.M.* hat in Bern ein Libero-Abo für die Stadt-Berner Zonen 100 und 101. Dieses ist auf seiner SBB-App hinterlegt.

Für eine Reise nach Biel löste M. ein entsprechendes Ticket über die App. An erster Stelle wird ihm ein Billett für 9.20 Franken vorgeschlagen. Das sind mehr als zwei Franken zu viel.

Die im Libero-Abo bereits bezahlten Zonen der Stadt Bern schlägt die App nämlich nochmals obendrauf.

Nur Kunden, die hier runterscrollen, werden auf den Eintrag «Libero Anschlussbillett» für sieben Franken aufmerksam gemacht. Bei diesem bezahlt man die bereits gelösten Stadt-Zonen nicht mehr zusätzlich.

SwissPass Smartphone
Wer ein Tarifverbundsabonnemment wie etwa ein Libero-Abo besitzt, riskiert, in die Kostenfalle zu tappen.
RBS Bahnhof
So werden beim Billette-Kauf in der SBB-App vorhandene Abonnemente oft gar nicht berücksichtigt.
SBB Kondikteurin Smartphone Swisspass
Wer von innerhalb des Abo-Geltungsbereichs nach ausserhalb des Abo-Geltungsbereichs reist und nicht aufpasst, zahlt für die im Abo enthaltene Strecke doppelt.

«Jahrelang habe ich für mein Ticket zu viel gezahlt», berichtet Nau.ch-Leser M. entsetzt. Erst kürzlich sei ihm aufgefallen, dass er in der App ein Anschlussbillett lösen könne. Dass dies nicht automatisch geschehe, könne er nicht nachvollziehen.

«Die App weiss ja, dass ich ein Abonnement habe. Sonst würde es mir das Anschlussbillett gar nicht erst vorschlagen.»

Konsumentenschutz: «Geht darum, dass Kunden in Falle tappen!»

Auch beim Konsumentenschutz sorgt der fehlende Automatismus für Kopfschütteln. Geschäftsführerin Sara Stalder sagt: «Das ist schon sehr kundenunfreundlich. Das alles könnte problemlos technisch verhindert werden.»

Stalder vermutet eine fiese Trickserei. Sodass «unaufmerksame Kundinnen und Kunden in die Falle tappen.»

Fahren Sie viel mit dem ÖV?

Auf Anfrage von Nau.ch erklärt SBB-Mediensprecher Reto Schärli: «Das Problem der Anschlussbilletts ist bekannt.»

Hintergrund sei, dass Tarifverbunde die Anschlussbillette unterschiedlich berechnen. «Daraus ergibt sich eine hohe Komplexität (...) bei der Softwareentwicklung.»

SBB und Alliance SwissPass: Problemlösung «keine hohe Priorität»

Aufgrund veränderter Prioritäten – auch mit Hinblick auf Corona – könne derzeit kein Umsetzungszeitpunkt genannt werden. Schärli und auch die Medienstelle der «Alliance SwissPass» beteuern, dass sie nur wenige Kundenrückmeldungen zum Problem erhalten. Offenbar bemerken viele den Fehler gar nicht.

swisspass
Kondukteurinnen der SBB kontrollieren die Billettes der Fahrgäste. - Keystone

«Es ist nicht üblich, dass man zuerst alles prüfen muss, um sicherzugehen, das günstigere Ticket zu erhalten», sagt Konsumentenschützerin Stalder.

Brisant: Es gibt noch einen Missstand, zu dem sowohl Alliance SwissPass als auch Libero auf Anfrage schweigen: Im Webshop ist es ohne weiteres möglich, zwei identische Abonnemente für den gleichen Zeitraum für denselben Kunden zu erwerben.

Wird dieser Fehler erst nach zwei Wochen bemerkt, lässt sich das überflüssige Abo nicht ohne Weiteres zurückgeben: Am Libero-Schalter der SBB muss ein Rückgabegrund wie etwa «Unfall» oder «Todesfall» angegeben werden. Je nach Rückgabegrund fallen in jedem Fall Gebühren von mindestens drei Franken an.

*Name der Redaktion bekannt

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