Während der Corona-Pandemie haben esoterische Kreise Aufwind erhalten. Eine Bewegung, die seither boomt: die Hexerei.
Hexe
Immer mehr Schweizerinnen hexen – zum Beispiel diese Bernerin. - Tiktok/@steandherword

Das Wichtigste in Kürze

  • Immer mehr Schweizerinnen identifizieren sich als Hexen.
  • Junge leben das vor allem auf Social Media aus, Ältere treffen sich in Gruppen.
  • Der Trend hat indirekt mit Corona zu tun – denn seither boomt Esoterik.
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Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation, Gaza – die vergangenen Jahre waren geprägt von Krisen. Während die Corona-Auswirkungen im Alltag deutlich spürbar waren, drückten andere Konflikte über die Nachrichten aufs Gemüt.

Das wirkt sich auch auf die Weltanschauung der Menschen aus. Bekannt ist: «Es gibt Daten, die belegen, dass in Krisenzeiten auch die Anfälligkeit für religiösen Fundamentalismus wächst», sagt Bildungssoziologe Carsten Quesel.

Diesmal sieht es aber anders aus. Statt Religion boomen seit Corona andere Bewegungen: Esoterik und Hexerei. Was steckt dahinter?

Regel-Liebhaber kamen während Corona auf ihre Kosten

Sektenexperte Georg Otto Schmid von der Informationsstelle Relinfo erklärt bei Nau.ch, dass Freikirchen seit der Pandemie nicht gewachsen seien.

Das heisst nicht, dass die Aussage von Quesel nicht gilt. Aber: «Sie trifft zu auf zahlreiche Krisen der Vergangenheit, die von einem Zusammenbruch staatlicher Ordnung geprägt waren.» In solchen Zeiten gibt es weniger Regeln. Da seien fundamentalistische Bewegungen attraktiv, weil «sie detaillierte Verhaltensvorschriften bieten».

Corona, die Krise, die wir in der Schweiz am meisten spürten, war anders. «Statt einem Zusammenbruch staatlicher Strukturen erlebten wir recht strikte Führung durch die Behörden.»

Bist du religiös?

Heisst: «Menschen mit Vorliebe für klare Regeln kamen voll auf ihre Kosten. Einen Grund, sich fundamentalistischen Gruppen anzuschliessen, gab es nicht.»

Die Pandemie aktivierte genau die gegenteilige Gruppe. «Verunsichert wurden diejenigen, die Eingriffe von aussen ohnehin kritisch sahen. Diese Menschen sind gehäuft in spirituell und politisch alternativen Kreisen anzutreffen», sagt Schmid.

«Sie suchten eine passende Erklärung für die Kränkung, die die Corona-Massnahmen für sie bedeuteten. Und fanden sie in Verschwörungstheorien.» Statt Kirchen oder Sekten profitierten also Personen, die solche Theorien anbieten. «Etwa Geistheiler Sananda oder Christina von Dreien.»

Junge hexen auf Tiktok, Ältere in der Gruppe

Die Esoterik brummt also – ein Teil davon ist die Hexenbewegung. «Sie ist heute sowohl für junge als auch für ältere Menschen attraktiv», beobachtet der Experte. Jugendliche und junge Frauen sähen in der Hexe eine selbstbestimmte Frau, das kommt dort gut an.

Das zeigt sich auch auf Tiktok, wo sich die Generation Z gerne aufhält. Unter «Witchtok» (Deutsch: Hex-Tok) gibt es ganze 6,3 Millionen Beiträge, darunter auch Videos aus der Schweiz.

Tiktok
Viele Hexen tummeln sich auf Tiktok, oder «Witchtok».
Witchtok
Auf Witchtok gibt es über sechs Millionen Beiträge.
Hexen
Doch auch bei der älteren Generation ist Hexen beliebt – der Trend hat in den letzten 20 Jahren zugenommen, sagt ein Experte. (Archivbild)
Hexen
Allgemein boomen esoterische Weltanschauungen, gerade seit Corona. (Archivbild)
Coronavirus
Frauen neigen eher zum hexen, Männer fühlen sich eher von der Staatsverweigerer-Szene angezogen.

Im Netz sind junge Hexen eher aktiv, in Gruppen versammeln sie sich laut Schmid seltener. Das heisst aber nicht, dass es keine Hexen-Gemeinschaften gibt: «Ganz im Gegenteil», sagt der Experte. «Insbesondere Hexen in der Mitte des Lebens und darüber schliessen sich gerne zu Coven zusammen.»

Dabei handelt es sich um Gemeinschaften, in denen Hexen ihre Feste feiern, unter anderem die Walpurgisnacht. «Dieser Trend hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren verstärkt. Heute existieren an zahlreichen Orten in der Schweiz Hexengruppen.»

Radikale Influencer locken Junge an

Die Hexenbewegung lockt vor allem Frauen. Doch es zeichnen sich noch weitere Geschlechterunterschiede ab, wie Susanne Schaaf von der Informationsstelle Infosekta sagt. «In esoterischen Angeboten mit Fokus auf Gesundheit finden sich mehr Frauen. In Staatsverweigerer-Kreisen hingegen eher Männer.»

Neben Esoterik nennt sie auch Multi-Level-Marketing-Systeme zu Tradingprodukten «mit ihren oft überrissenen Aussichten» aufs schnelle Geld: «Hier finden sich vor allem junge Menschen, oft junge Männer.»

Auch Hexerei boomt bei den Jungen. Sind sie etwa anfälliger für esoterische oder radikale Weltanschauungen?

Glaubst du an Magie?

Grundsätzlich nicht. Anfällig seien vor allem Menschen in schwierigen Lebenssituationen mit wenig Ressourcen, sagt Schaaf. Aber das sind Herausforderungen, die genau die Jugendphase oft mit sich bringt.

«Identitätssuche, den Platz in der Gesellschaft finden, eigene Vorbilder und Peers suchen, Dinge ausprobieren, und so weiter», zählt sie auf.

«Viele Gruppen und Influencer inszenieren sich gekonnt auf Social Media und erreichen ihr junges Zielpublikum. Für junge Menschen ist es nicht immer einfach, all diese Behauptungen und Versprechen in einen realistischen Kontext zu setzen.» Aber das könne man auch über Erwachsene sagen.

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