Gleisarbeiter der SBB müssen im Gebüsch pinkeln
Bei den Baustellen der Gleisarbeitenden der SBB mangelt es an Pausenräumen und WCs. Der Personalverband schlägt Alarm.

Das Wichtigste in Kürze
- «Auf vielen SBB-Baustellen fehlen Toiletten und Pausenräume», kritisiert Transfair.
- Gleisarbeitende machen deshalb keine Pausen und verrichten ihre Notdurft im Gebüsch.
- Die SBB kündigt Massnahmen an.
Wenn Pendlerinnen und Pendler schlafen, wird auf den Schienen hart gearbeitet. Spätabends bis frühmorgens verlegen die Gleisbauerinnen und -bauer Schienen, bauen Weichen und halten Signalanlagen instand.
Die Arbeit ist ein Knochenjob – Pausen sind für viele Gleisbauer der SBB aber ein süsser Traum. Auch der Gang auf eine Toilette liegt nicht drin.
«Auf vielen SBB-Baustellen fehlen Toiletten und Pausenräume», kritisiert Transfair, der Personalverband für den Service Public in einer Mitteilung. Arbeiter von SBB Infrastruktur müssten deshalb ihre Notdurft in der freien Natur verrichten. Und weil Pausenräume fehlten, arbeiteten die Angestellten durch, so der Personalverband.
Rottenwagen verschwanden
Ein Sandwich bei Nacht und Regen am Bahndamm zu essen, mache keinen Spass, schreibt der Verband weiter. «Noch weniger Freude macht es, die Notdurft hinter den Büschen verrichten zu müssen.»
Werner Rüegg ist Regionalsekretär der Region Ost bei Transfair. Das Problem der fehlenden Pausen- und Toilettencontainer bestehe schweizweit auf Gleisbaustellen der SBB, sagt er zu Nau.ch.
Noch vor einigen Jahren verpflegten sich Gleisarbeitenden in sogenannten Rottenwagen. Dort befand sich auch ein WC. Die Wagen standen auf den Abstellgleisen. Ende 2020 traten die letzten Rottenköchinnen in den Ruhestand.

«Aber die Frage bleibt offen, was die SBB nun für die Verpflegung und den Zusammenhalt ihrer Bauteams tut.» Dies schrieb die Gewerkschaft des Verkehrspersonals (SEV) 2021 anlässlich des Endes der jahrzehntelangen Einrichtung.
«Zeitfenster wird immer kleiner»
Anfangs habe die SBB noch Baustellencontainer zur Verfügung gestellt, sagt Werner Rüegg. «Aus Budget- und Platzgründen verschwanden diese aber schleichend.» Da es immer weniger freie Gleise gebe, sei der Platz für die Container knapp geworden.
Die Gleisbauarbeiter leisten 8,5- bis 9,5-Stunden-Schichten. In der Hälfte der Schicht steht ihnen eine Pause von 30 Minuten zu.
Dafür bleibe aber kaum Zeit, sagt Werner Rüegg. «Heute ist auf dem Schienennetz fast 24 Stunden Betrieb – das Zeitfenster für die Gleisarbeiten wird immer kleiner.»
Das Personal hat sich zähneknirschend an die Umstände gewöhnt. «Viele Angestellte sind aber nicht richtig zufrieden, weil auch die Dienste immer strenger werden», sagt Rüegg.
Auch warnt er: «Wenn Angestellte keine Pause machen können, kann dies irgendwann zu einem Sicherheitsproblem werden.» Mit der Erschöpfung steige die Fehlerquote.
«Für Frauen nochmals schwieriger»
Die fehlenden Klo-Angebote sorgen zusätzlich für Frust. Auch Frauen arbeiteten auf dem Gleisbau, betont der Regionalsekretär. Männer könnten in der Pause wenigstens noch «im Gebüsch verschwinden». «Für Frauen ist der Toilettengang nochmals schwieriger.»

Transfair hat bei der verantwortlichen Abteilung der SBB bereits interveniert. Der Verband verlangt eine «schnelle Verbesserung der unhaltbaren Zustände».
So soll die SBB sanitäre Einrichtungen und Pausenräume einplanen. «Die SBB anerkennt die Problematik und will verschiedene Massnahmen ergreifen», teilt der Verband mit.
Bis September hat die SBB laut dem Verband versprochen, die Verantwortlichen zu sensibilisieren. Transfair werde genau hinschauen, sagt Werner Rüegg. «Denn jetzt muss etwas passieren – hier geht es um Menschen», fordert er.
SBB habe Massnahmen beschlossen
Die SBB bestätigt, dass es Verbesserungspotenzial gibt. Eine gute Verfügbarkeit von Toiletten und Pausenräumen sei essenziell für die Mitarbeitenden auf den Baustellen, sagt Mediensprecher Moritz Weisskopf. Dessen seien sie sich bewusst.
Auf den meisten Baustellen funktioniert die Organisation dieser Räumlichkeiten laut Weisskopf gut. «Aber es gibt auch manche, bei denen das noch nicht der Fall ist. Das nehmen wir ernst.»
Die SBB gibt an, bereits entsprechende Massnahmen beschlossen zu haben. Die im Bereich der Arbeitsstellenplanung und -leitung involvierten Stellen würden nochmals geschult und sensibilisiert. «Damit Pausen und Infrastruktur künftig noch besser geplant werden.»
Die Arbeitszeiten und das Einhalten der Pausenregelungen richten sich laut Weisskopf nach dem Arbeitszeitgesetz (AZG). «Dessen Einhaltung wird regelmässig überprüft und die geltenden Regelungen werden gezielt geschult.» Dies auch im Kontext der Arbeitssicherheit, die für die SBB höchste Priorität habe.