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Gaza-Krieg: Schweizer spenden trotz Hungerkrise kaum noch für Gaza

Riccardo Schmidlin
Riccardo Schmidlin

Bern,

Die durch Israel verursachte Hungersnot im Gaza-Krieg spitzt sich weiter zu. Schweizer NGOs sammeln Geld – doch ihnen sind die Hände grösstenteils gebunden.

Gaza-Krieg
Der Gaza-Krieg führt zu einer Hungerkrise in Gaza. Besonders betroffen sind viele Kinder. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweizer Spenden für Gaza sind zurückgegangen.
  • NGOs können nur eingeschränkt im Gazastreifen helfen.
  • Der Spendenrückgang ist auch auf Israels Blockade zurückzuführen.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt vor der dramatischen Hungerkrise mit «alarmierenden Ausmassen» im Gazastreifen. Im Juli 2025 sind laut WHO 63 Menschen an Unterernährung gestorben, darunter viele Kinder.

Fast jedes fünfte Kleinkind in Gaza-Stadt ist akut unterernährt. Die Lage verschärfte sich seit der Totalblockade durch Israel im März 2025. Humanitäre Hilfe gelangte während Monaten nicht mehr in die Region.

Trotz der Wiedererlaubnis von Hilfslieferungen am Wochenende und Lebensmittelabwürfen aus der Luft bleibt die Hilfe unzureichend.

Die Krise zwingt viele Menschen zu lebensgefährlichen Massnahmen auf der Suche nach Nahrung. Gesundheitseinrichtungen sind überlastet.

Auch in der Schweiz wächst die Aufmerksamkeit für die Hungerkrise im Gaza-Krieg. Auf Social Media wird zum Spenden aufgerufen. Doch die Spendenbereitschaft in der Schweiz wegen des Gaza-Kriegs bleibt verhalten.

Glückskette: «Spenden wegen Gaza-Krieg leider stark zurückgegangen»

Wurde bei der Glückskette 2023 und 2024 noch fleissig gespendet, gibt es seither einen Dämpfer: «Das Spendenaufkommen ist leider stark zurückgegangen», sagt Sprecherin Corinne Bahizi zu Nau.ch. Seit März 2025 gingen nur noch rund 300'000 Franken ein.

Zum Vergleich: Seit Kampagnenstart im November 2023 hat die Glückskette über 8,7 Millionen Franken für Gaza und den Libanon gesammelt. 90 Prozent flossen davon in Projekte für Gaza.

Der Rückgang habe einerseits mit der schwankenden Öffentlichkeitswahrnehmung zu tun- Aber auch mit Israels Blockade selbst, die den Handlungsspielraum einschränke.

«Das führt zu grosser Frustration. Sowohl bei unseren Partnerorganisationen, die bereit wären, ihre Hilfe auszuweiten. Als auch in der Schweizer Bevölkerung, die den Menschen in Gaza helfen möchte.»

Hast du für Gaza gespendet?

Bahizi betont: «Es ist also nicht mangelnde Solidarität, die unsere Hilfe bremst, sondern die Blockade durch die israelischen Behörden.»

Das betont auch Rahel Schmucki vom Hilfswerk Heks gegenüber Nau.ch. «Obwohl die Betroffenheit in der Bevölkerung angesichts der katastrophalen humanitären Lage in Gaza gross ist, erhalten wir vergleichsweise wenig Spenden. Das hängt vermutlich mit der Wahrnehmung zusammen, dass der Handlungsspielraum der verbliebenen NGOs stark eingeschränkt ist.»

Das Heks bleibt trotz der widrigen Umstände in Gaza. «Unsere fünf lokalen Mitarbeitenden, selbst mehrfach vertrieben, leisten unter schwierigsten Bedingungen Hilfe: Während des kurzen Waffenstillstands Anfang Jahr stellten sie Baumaterial zur Verfügung, um beschädigte Häuser und Unterkünfte zu reparieren.»

Derzeit könnten sie vor allem noch Bäuerinnen und Bauern mit Saatgut oder Setzlingen versorgen. «So können diese weiterhin noch etwas dringend benötigtes Gemüse anbauen.»

Klar sei aber, so Schmucki: «Die Abwendung der humanitären Katastrophe kann aber nur durch Hilfslieferungen sichergestellt werden. Nur wenn Israel die Blockade von Lebensmitteln nach Gaza komplett beendet, kann das Hungern in Gaza gestoppt werden.»

Caritas spürt höheres Gaza-Interesse

Bei der Caritas ist die zunehmende Aufmerksamkeit für Gaza auf der Website bemerkbar.

«In den vergangenen vier Tagen wurden unsere Beiträge zu Gaza rund fünfmal häufiger aufgerufen als im Durchschnitt vor dem 20. Juli. Auch die Spendeneingänge sind seit rund einer Woche angestiegen, 14 Prozent der Spenden seit dem 1. März sind in den letzten sieben Tagen eingegangen», sagt Sprecherin Daria Jenni.

«Dennoch bewegen sich sowohl die Zugriffe als auch die Spenden weiterhin auf einem eher tiefen Niveau.»

Caritas Gaza-Krieg
Auch die Caritas sammelt Spenden wegen des Gaza-Kriegs. Die Organisation verzeichnet ein höheres Interesse für das Spendenformular. - Screenshot Caritas

Seit Oktober 2023 unterstützt Caritas mit zwei erfahrenen lokalen Partnern die leidende Zivilbevölkerung im Gaza-Krieg. Einerseits werden lebenswichtige Hilfsgüter wie Lebensmittel, Wasser, Zelte und Hygieneartikel verteilt.

Andererseits sichern medizinische Teams die Versorgung Kranker, Mütter, Kinder und Älterer – inklusive Reha-Leistungen und Prothesenversorgung.

Ergänzt wird die Hilfe durch Bargeldauszahlungen, die den Menschen ermöglichen, lokal verfügbare Güter oder Dienstleistungen zu kaufen. Psychosoziale Unterstützung, etwa durch Traumaberatung, rundet das Engagement ab.

Sichere Räume für Kinder und Frauen im Gaza-Krieg eingerichtet

Die feministische Friedensorganisation Frieda setzt auf lokale Partner und dabei vor allem auf professionelle psychosoziale Hilfe in Flüchtlingscamps.

Frauen und Kindern werden sichere Räume geboten. In diesen werde das Erlebte besprochen, Bewältigungsstrategien entwickelt und sich gegenseitig unterstützt. «Oder sie können für einen kurzen Moment den Kriegsalltag ausblenden.»

Frieda sagt zudem zu Nau.ch: «Als noch mehr Güter den Gazastreifen erreicht haben, haben wir Familien auch mit direkten Bargeldzahlungen unterstützt. Damit sie sich das Notwendigste kaufen konnten.»

Das sei aber im Moment nicht mehr möglich. «Die Märkte sind leer.»

Gaza-Krieg
Seit wenigen Tagen erreichen Gaza wieder Hilfsgüter aus der Luft und via Lkws. Doch die Hilfe im Gaza-Krieg reicht bei Weitem nicht. - keystone

Israels völkerrechtswidrige Blockade schränke den Handlungsspielraum vor Ort stark ein.

«Mitarbeitende und Teilnehmende leiden – wie alle Menschen im Gazastreifen – an Hunger. Zudem haben sie kaum mehr Zugang zu sauberem Wasser, Medikamenten und anderen lebenswichtigen Gütern.» Inmitten der anhaltenden Militäroffensive und der humanitären Katastrophe leisteten die Mitarbeitenden Unglaubliches.

Medico International arbeitet ebenfalls mit lokalen Partnern, die medizinische und psychologische Hilfe leisten.

«Widerstandskraft im Gaza-Krieg gerät an Grenzen»

Sprecherin Alice Froidevaux sagt: «Wir beschäftigen kein eigenes Personal und schicken aktuell keine Hilfsgüter. Sondern wir ermöglichen es unseren Partnerinnen und Partnern, sich – soweit noch möglich – auf lokalen Märkten zu versorgen.»

Die Spendengelder würden «durch elektronische Transaktionen weiterhin an sie übermittelt».

Trotz schwieriger Lage bleibt die Spendenbereitschaft bei Medico International stabil. «Seit März 2025 sind die Spendeneingänge stabil geblieben – nach einem starken Anstieg seit Ende 2023.»

Glaubst du an ein baldiges Ende im Gaza-Krieg?

Spenden bleiben trotz Blockade wichtig. Im Fall einer Öffnung könnten die Partnerorganisationen so schnell reagieren.

Doch die Belastungsgrenze ist erreicht: «Selbst die beeindruckende Widerstandskraft unserer Partner gerät zunehmend an ihre Grenzen.»

Expertin rät bei Spenden ins Ausland wegen Gaza-Krieg zur Vorsicht

Schweizer Spenden gehen zum Teil auch direkt an ausländische Organisationen. Die Zertifizierungsstelle Zewo warnt jedoch vor ungezieltem Spenden.

Zewo-Geschäftsleiterin Martina Ziegerer rät bei Nau.ch: «Nur dann spenden, wenn man sich ein Bild von der Organisation machen kann oder sie gut kennt.» Auch bei Crowdfundings im Zusammenhang mit dem Gaza-Krieg sei Vorsicht geboten.

Sie klärt auf, was zertifizierte Hilfswerke von nicht-zertifizierten unterscheidet: «Sie informieren transparent, setzen Spenden zweckbestimmt ein und verfügen über eine solide Organisationsstruktur mit angemessenen Kontrollen.»

Kommentare

User #4278 (nicht angemeldet)

Was ist mit den ermordeten Kindern vom 7/10? Alles schon vergessen?

User #593 (nicht angemeldet)

HEKS beweist in seiner Aussage seine Unausgewogenheit. Die Katastrophe kann nicht nur durch Israel beendet werden. Hamas kann es auch durch die Freilassung der

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