«Alarmzeichen»: Microsoft Teams trackt bald Büroanwesenheit
Eine neue Teams-Funktion soll Präsenz im Büro erkennen. Ein Experte hält es für ein «Alarmzeichen», wenn Angestellte unter Generalverdacht gestellt werden.

Das Wichtigste in Kürze
- Im Dezember führt Microsoft voraussichtlich eine neue Teams-Funktion ein.
- Diese soll tracken können, ob Angestellte im Büro sind.
- Laut Unia ist eine verstärkte Kontrolle für die Arbeitsmoral selten förderlich.
- Einige Firmen verraten gegenüber Nau.ch, ob sie planen, die Funktion zu aktivieren.
Microsoft Teams plant, im Dezember eine neue Funktion einzuführen. Diese soll in der Lage sein, zu tracken, ob Angestellte tatsächlich im Büro arbeiten.
Konkret erkennt Teams, wenn der Angestellte mit dem firmeneigenen WLAN verbunden ist. Ist dies nicht der Fall, lässt sich daraus ableiten, dass er sich nicht im Büro befindet.
Das hat zur Folge, dass Firmen besser kontrollieren können, ob ihre Angestellten nur so viel Homeoffice machen, wie erlaubt ist.
Die Teams-Funktion soll allerdings nicht standardmässig aktiviert werden. Sprich: Die Entscheidung, ob die Funktion benutzt wird, liegt beim Arbeitgeber.
Nau.ch hat bei der Gewerkschaft Unia nachgefragt, was sie von diesem neuen Überwachungs-Feature hält.
Unia: Vertrauenskultur produktiver als Kontrolle
Für Sprecher Philipp Zimmermann stellt sich zunächst grundlegend die Frage, wie das neue Teams-Tool konkret funktioniert: «Hat die Standortmeldung nur die Funktion, Anwesenheit zu signalisieren, oder wird das Verhalten der Arbeitnehmenden überwacht?» Das eine sei zulässig, das andere nicht.
Generell hält er jedoch fest: «Wenn das Ziel ist, die Arbeitsmoral der Leute zu heben, ist es selten förderlich, sie verstärkt zu kontrollieren.»
Es gebe dafür bessere Instrumente als eine digitale Kontrolle. «Eine Vertrauenskultur im Unternehmen ist zum Beispiel oft produktiver», so Zimmermann.
Und: «Jeder Arbeitgeber muss sich bewusst sein, dass das Sammeln von Persönlichkeitsdaten gewisse Pflichten mit sich bringt.» So müssen die Vorgaben des Datenschutzgesetzes stets eingehalten werden.
Für den Zürcher Anwalt Martin Steiger, Experte für digitales Recht, steht derweil fest: «Die neue Teams-Funktion führt zu Überwachung oder, je nach Unternehmen, zu noch mehr Überwachung am Arbeitsplatz.»
Nur wenige Fälle landen vor Gericht
Auch er betont die hohen Anforderungen an die rechtmässige Überwachung von Angestellten. Und: «Die Unternehmen, die ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer überwachen, müssen Transparenz schaffen und den Grundsatz der Verhältnismässigkeit einhalten.»
In der Praxis gebe es aber nur wenige Fälle von Überwachung am Arbeitsplatz, die vor Gericht ausgetragen werden.

«Solche Fälle wären wichtig, um die rechtlichen Grauzonen auszuleuchten», sagt Steiger. «Die Fälle sind aber selten, weil Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei einem Verfahren die berechtigte Angst haben, ihre Stelle zu verlieren.»
Wer unzufrieden sei, wechsle nach Möglichkeit eher die Stelle, als ein rechtliches Verfahren zu führen.
«Ein Alarmzeichen»
Zur neuen Teams-Funktion sagt der Datenschutz-Experte: «Ich halte es für ein Alarmzeichen, wenn ein Unternehmen seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unter Generalverdacht stellt.»
Ausserdem frage er sich, ob Unternehmen es sich tatsächlich leisten könnten, ihre Angestellten zu zwingen, vor Ort zu arbeiten. «Gerade für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Kindern ist das äusserst nachteilig», so Steiger. «Ferner schadet das fehlende Vertrauen dem Arbeitsklima.»
Der Anwalt hält fest: «Erfreulicherweise gibt es viele Unternehmen, die keinen Bedarf haben, ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer derart zu überwachen.»
Es zähle die Leistung und nicht die am Arbeitsplatz, wo auch immer, verbrachte Zeit.
Diese Firmen wollen Funktion nicht aktivieren
Das sehen viele Schweizer Firmen offenbar auch so, wie eine Umfrage von Nau.ch zeigt.
So erklärt etwa Nestlé auf Anfrage: «Die neue Funktion zur automatischen Erfassung der Büroanwesenheit ist uns bekannt, eine Einführung jedoch nicht geplant.»
Denn: «Unsere Unternehmenskultur basiert auf Vertrauen und Eigenverantwortung. Der Schutz der Privatsphäre und die Wahrung individueller Freiheiten unserer Mitarbeitenden haben für uns höchste Priorität.»
Auch ein Sprecher der Migros stellt klar: «Die Migros wird die neue Teams-Funktion nicht aktivieren, da unsere Unternehmenskultur auf Vertrauen und eigenverantwortlichem Handeln basiert.»
Die Krankenkasse CSS setzt ebenfalls «auf Vertrauen und Eigenverantwortung statt auf technische Überwachung».
Die bestehende 50-Prozent-Regelung funktioniere gut und werde von den Mitarbeitenden verantwortungsvoll umgesetzt.
Die neue Teams-Funktion will CSS nicht aktivieren. «Eine solche Tracking-Funktion steht im Widerspruch zu unserer vertrauensbasierten Arbeitskultur», sagt eine Sprecherin.
Nicht alle haben sich schon entschieden
Andere Unternehmen wollen mit der Entscheidung warten, bis die Details zur neuen Funktion von Teams bekannt sind.
So heisst es etwa von Swiss Life: «Mit der neuen Teams-Funktion werden wir uns zu gegebener Zeit, und wenn die Release Notes vorliegen, auseinandersetzen.»
Ähnlich tönt es bei der Swisscom. Man habe «aktuell noch keinen Entscheid getroffen betreffend diese neue Funktion», sagt eine Sprecherin.
Aber: «Sollte sie für Mitarbeitende freigeschaltet werden, erfolgt dies ausschliesslich im Rahmen eines Opt-In-Modells. Das heisst: Die Funktion muss aktiv gewünscht und eigenständig aktiviert werden.»
Grundsätzlich würden Funktionen mit datenschutzrelevanten Aspekten von Swisscom sorgfältig geprüft.
«Eine Einführung erfolgt – sofern überhaupt – selbstverständlich unter Einhaltung aller geltenden Datenschutzvorgaben», betont die Sprecherin.




















