Café verbietet Laptops wegen Homeoffice-Eltern
Eltern arbeiteten, statt sich um die Kinder zu kümmern. Eine Winterthurerin hat ihr Familiencafé deshalb zur bildschirmfreien Zone gemacht.

Das Wichtigste in Kürze
- Eltern hingen in der «Chlii und Gross Familienoase» in Winterthur ZH am Laptop.
- Neu sind Laptops dort nicht mehr erlaubt.
- «Den Kindern zuliebe» hat die Café-Betreiberin ein Verbot eingeführt.
Mamis und Papis mit Laptops müssen im Familiencafé gleich wieder zusammenpacken.
Ab sofort sei es leider nicht mehr möglich, «in der Oase» zu arbeiten. Das teilt Ramona Bonotto, Betreiberin der «Chlii und Gross Familienoase» in einem Post auf Social Media mit.
«Ich habe mich entschlossen, dass die Oase eine bildschirmfreie Zone bleibt, den Kindern zuliebe.»
Anfang 2025 eröffnete Bonotto in Winterthur ZH das Familiencafé. Kinder können dort in Spielhäusern herumtoben oder sich in eine der Leseecken zurückziehen.
Derweil plaudern die Eltern bei einem Kaffee und beobachten ihr Kind beim Spielen. Doch dieses Konzept bringen einige Mütter und Väter durcheinander.
«Per Videocall Sitzungen abgehalten»
«Mein Café ist kein Co-Working-Space», sagt Ramona Bonotto zu Nau.ch. Die Familienoase solle ein Begegnungsort für Familien mit Kindern sein. «Da passt es einfach nicht, wenn auf jedem zweiten Tisch ein Laptop steht.»
Kurz eine E-Mail zu beantworten und trotzdem auf das Kind einzugehen, sei noch in Ordnung gewesen, sagt die Betreiberin.
«Aber im Familiencafé mit dem Headset auf dem Kopf zu sitzen und links und rechts nichts mehr mitzubekommen, geht nicht.» So hätten manche Mamis und Papis tatsächlich «per Videocall Sitzungen abgehalten».
Mamis klagten über «sich selbst überlassene» Kinder
Das Laptop-Verbot musste Bonotto verhängen, weil im Café zunehmend Unruhe geherrscht hat. «Es gab Kinder, die Aufmerksamkeit suchten, weil sich ihre Eltern nicht um sie kümmerten.» Auch hätten sie andere Eltern zu stören angefangen.
«Mehrere Mamis berichteten mir, dass Kinder immer wieder in Streitereien gerieten und sich selbst überlassen wurden», sagt die Betreiberin. Selbst wenn sie die Eltern mehrmals um Aufmerksamkeit gebeten habe, hätten diese nicht reagiert.
Dies habe sie nicht mehr tolerieren wollen. «Vor allem, wenn Eltern dann noch erfreut erzählen, wie sie dank ihres Headsets alle Geräusche hätten ausblenden können.»
Die ausgebildete Gastronomin und Tagesmutter will berufstätige Eltern nicht verurteilen. «Ich verstehe, dass es schwierig ist, Job und Familie unter einen Hut zu bringen», sagt Bonotto. Erst recht, wenn man das Gefühl habe, man gehe nur zur Arbeit, um die Kita zu bezahlen.
Dennoch ist sie der Meinung, dass Eltern entweder voll im Homeoffice arbeiten oder voll ihre Kinder betreuen sollten. «Denn Homeoffice mit kleinen Kindern – das funktioniert weder zu Hause noch im Café.»
«Kinder ‹abladen›»
Eltern begrüssen, dass die Café-Betreiberin durchgegriffen hat. Auf Social Media erntet sie für das Laptop-Verbot viel Lob.
Die Mamis und Papis sollten ins Café kommen und dort mit den Kindern Zeit verbringen, schreibt eine Userin. «Und nicht die Kinder bei dir ‹abladen›.»
Ähnlich sieht es eine andere Userin. «Es soll ja nicht eine gratis Betreuung sein, sondern ein gemeinsames Erlebnis.»
Fachstelle pocht auf flächendeckende Betreuungslösung
Die Fachstelle UND setzt sich unter anderem für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ein. Auch sie sieht die Zustände, die die Winterthurer Café-Besitzerin schildert, kritisch.
Der Berater und stellvertretende Geschäftsleiter der Fachstelle, Tobias Oberli, sagt zu Nau.ch: «Das gleichzeitige Ausüben einer Erwerbstätigkeit und das Wahrnehmen der Kinderbetreuung im öffentlichen Raum, etwa einem Café, ist grundsätzlich schwierig.»
Denn: «Das Risiko, dass Eltern ihre Aufsichtspflicht nicht ausreichend erfüllen, ist beträchtlich.»

Besonders bei einem Unfall des Kindes oder bei Störungen im Ablauf des Cafés zeige sich die Relevanz dieser Verantwortung. Oberli betont: Die Aufsicht und Haftung für die Kinder verbleiben immer bei den Eltern.
«Das Beispiel des Familiencafés zeigt exemplarisch, dass Eltern offenbar zunehmend auf diesen Weg setzen, um die Betreuung ihrer Kinder sicherzustellen.»
Dies verdeutliche einmal mehr, wie dringend eine flächendeckende und zugängliche Betreuungslösung für alle erwerbstätigen Eltern geschaffen werden sollte.
Familie und Job als Herausforderung
Viele Mütter und Väter kämpfen mit der Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Über die Hälfte der Befragten geben an, deswegen unter Druck zu stehen. Dies zeigt der aktuelle Schweizer Familienbarometer.
Mittlerweile wollen in rund 80 Prozent aller jungen Familien beide Elternteile berufstätig bleiben. «Für die Eltern bleibt die Vereinbarkeit oft eine Herausforderung», bestätigt Tobias Oberli.
Je nach Wohnort, Beruf und Familiensituation seien die Rahmenbedingungen unterschiedlich. «Dies führt dazu, dass vor allem Mütter ihre Berufstätigkeit häufig einschränken.»
«Kaum vereinbar»
Doch als Lösung gleichzeitig daheim Kinder hüten und arbeiten – da ist die Fachstelle UND auch skeptisch: «Die parallele Betreuung kleiner Kinder und konzentriertes Arbeiten im Homeoffice ist kaum vereinbar», sagt Tobias Oberli.
Kurze Ausnahmen – etwa das Beantworten eines dringenden Anrufs – seien in der Praxis zwar möglich.
Diese sollten jedoch die absolute Ausnahme bleiben. «Um sowohl den Bedürfnissen der Kinder als auch den Anforderungen des Arbeitsalltags gerecht zu werden.»